Frauen / Männer
Inhalt
Frauen | Männer |
Namen | Zitate |
Meinungen |
Frauen |
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Namen |
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Name | Lebensdaten | Wohnort | Beziehung zu Keller |
Assing, Ludmilla | 1821-1880 | Berlin, Florenz | Bekanntschaft seit Kellers Berliner Zeit; Briefwechsel |
Duncker, Lina | 1825-1885 | Berlin |
verh. mit Franz Duncker; "Mittlerin" zwischen Autor und Verleger; Briefwechsel 1856-1881 |
Freiligrath, Ida | 1817-1899 | London, Cannstatt | Briefwechsel seit 1877 |
Frisch-Exner Marie | 1844-1925 | Wien |
Schwester von Adolf Exner; mit Keller befreundet seit 1872 |
Huber-Weißert, Lina | 1851-1910 | Heilbronn, Zürich, Trogen | Heiratsantrag Kellers 1873 |
Kapp, Johanna | 1824-1883 | Heidelberg | Verehrte Kellers während Heidelberger Zeit 1849 |
Keller-Scheuchzer, Elisabeth | 1787-1864 | Zürich | Kellers Mutter |
Keller, Regula | 1822-1888 | Zürich | Kellers Schwester |
Melos, Maria | 1820-1888 | Düsseldorf |
Schwester von Ida Freiligrath, Bekanntschaft 1846; Briefwechsel seit 1877 |
Rieter, Luise | 1828-1879 | Winterthur | Kellers Verehrte 1847; Briefliches Liebesgeständnis |
Rodenberg, Justina | 1837-1923 | Berlin |
Verh. mit Julius Rodenberg; "Mittlerin" zwischen Autor und Herausgeber; Briefwechsel 1878-1886 |
Scheidegger, Christina Luise | 1843-1866 | Herzogenbuchsee | Kellers Verlobte 1866 |
Tendering, Betty | 1831-1920 | Berlin |
Kellers Verehrte während der Berliner Zeit 1854/55 Kritzeleien auf "Schreibunterlagen" |
Welti-Escher, Lydia | 1858-1891 | Zürich |
Tochter Alfred Eschers, bekannt mit Keller durch Einladungen auf das Belvoir-Gut Affäre mit dem Maler Karl Stauffer-Bern, Gründerin der Gottfried-Keller-Stiftung |
Wesendonck, Mathilde | 1828-1902 |
Zürich, Dresden, Berlin |
Schriftstellerin, Empfänge in Zürich |
Meinungen |
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Erich Wieser: Die Frauen um Gottfried Keller. Zürich: Uto Verlag 1950, S. 56, 61
Zusammenfassend würde ich es wagen zu sagen, dass Gottfried Keller eigentlich für die "grosse Liebe" prädestiniert war. Er hatte ein lebendiges Herz, voll drängender, quellender, quälender Sehnsucht nach jener hohen Frau, die ihn als Gefährtin im mystischen Sinne zu einem Wesen ergänzt hätte, da sie beide von Gott für einander geschaffen wurden. Nach der Erfüllung dieses wunderbaren, gottseligen Geheimnisses an seiner eigenen Person hat er sich zeit seines Lebens in heimlich verzehrendem Verlangen gesehnt.
[...] Aus unseren vorhergehenden Ausführungen haben unsere Leser ersehen dass wir die landläufige Ansicht, es sei ein Glück, dass Keller die richtige Gefährtin nicht gefunden habe, durchaus nicht teilen. Nach unserer Ueberzeugung war gerade dies das Unglück und die Tragik seines Lebens; Erfüllung in der Liebe hätte ihn - so glauben wir bestimmt - noch schöpferischer und als Dichter noch grösser gemacht.
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Zitate |
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Person |
Kellers Charakteristiken |
Auerbach, Berthold Erzähler, Publizist Schwarzwälder Dorfgeschichten |
Auerbach, der mit Gutzkow in ewigen Plänkeleien lebt, ist in seinen Eheverhältnissen sehr unglücklich. Er ist das Nordstetter Bauernkind u seine Frau eine Wiener Salondame. Daran scheitert auch seine Productionskraft. Er hat jetzt ein Volksbuch geschrieben, "Schatzkästlein des Gevattersmann", das einzelne treffliche Erzählungen enthält, dabei aber auch eine solche Unmasse von Trivialitäten, daß das Gute im Schlechten u Mittelmäßigen ersäuft wird.
(Keller an Ferdinand Freiligrath, 11.6.1855) |
Arnold Böcklin Maler |
Sonst aber bin ich jede Woche 2-3 Mal in lange dauernder Gesellschaft mit dem herrlichen Böcklin und 4-5 andern. Das Chiantisaufen, welches Flörke mit Gewalt hier fortsetzen wollte, obgleich es für die, welche am Tage zu thun haben, nicht angeht, habe ich abgeschaft, und nun ist es prächtig zu sehen, wie dem braven gewaltigen Böcklin, wenn wir um 10½ Uhr nach unserm Schöppchen Landwein in die Bierhalle gehen, seine vier Glas schäumenden Augustinerbräu's aus München vom Faß weg schmecken, gebracht von einer urlangen Münchener Zenzi, knochig, die aussieht, wie die aus dem Tartarus erstandene Medea.
(Keller an Paul Heyse, 5.1.1886) |
Escher, Alfred Wirtschaftsführer, Staatsmann |
Ein erbaulicher Charakter anderer Art ist Alfred Escher; der Sohn eines Millionär's, unterzieht er sich den strengsten Arbeiten vom Morgen bis zum Abend, übernimmt schwere weitläufige Aemter, in einem Alter wo andere junge Männer v. fünf- bis acht u zwanzig Jahren, wenn sie seinen Reichthum besitzen, vor allem aus das Leben genießen. Man sagt zwar, er sei ehrgeizig; mag sein, es zeichnet nur eine bestimmtere Gestalt. Ich meinerseits würde schwerlich, auch wenn ich seine Erziehung genossen hätte, den ganzen Tag auf der Schreibstube sitzen, wenn ich dabei sein Geld besäße.
(Aus Kellers "Traumbuch", S. 59) |
Feuerbach, Ludwig Philosoph
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Das Merkwürdigste, was mir hier passirt ist, besteht darin, daß ich nun mit Feuerbach, den ich einfältiger Lümmel in einer Rezension v. Ruges Werken auch ein wenig angegriffen hatte, über welchen ich grober Weise vor nicht langer Zeit auch mit dir Händel anfing, daß ich mit diesem gleichen Feuerbach fast alle Abende zusammen bin, Bier trinke und auf sein Worte lausche. Er ist von hießigen Studenten u Demokraten angegangen worden, diesen Winter hier zu lesen; er kam und hat etwa 100 eingeschriebene Zuhörer. Obgleich er eigentlich nicht zum Dozenten geschaffen ist und einen mühseligen schlechten Vortrag hat, so ist es doch höchst intressant, diese gegenwärtig weit aus wichtigste historische Person in der Philosophie, selbst seine Religionsphilosophie vortragen zu hören.
(Keller an Wilhelm Baumgartner, 28.1.1849) |
Gotthelf, Jeremias Pfarrer und Schriftsteller |
Solange Jeremias Gotthelf die Sache aller rechtlichen und ordentlichen Leute, die Sache des gesunden Volksthums gegen die Liederlichkeit und Narrheit verfocht, hatte er einen guten Grund und Boden und war ein tüchtiger Künstler, wenn seine schönen Erzählungen auch "strub" und naturwüchsig geschrieben waren. Seine Parteiseitenhiebe konnte man dabei hinnehmen, zumal sie nicht immer ungerecht waren gegen manche Narrheiten und Lumpereien des Liberalismus, wo dieser mit Renommage und halbgebildetem Herrenthum Hand in Hand geht; denn Wahrheit schadet nirgend und ist in allen Dingen gut. Solange er ferner das enschenschicksal und dessen Ertragung an sich betrachtet und darstellt wie er es vorfindet, solange ist er ein ehrenwerther und verdienstvoller Meister, und auch da müssen wir es hinnehmen, wenn das Uebel welches von misverstandenem "politischen Leben" hereinbricht deutlich beschrieben wird. Seit er aber alle Rechtlichkeit und Weisheit, alle Ehre und Wohlgesinntheit, kurz alles Gute Einer Partei vindicirt und alle Ehrlosigkeit, Schelmerei und Narrheit, alles Uebel der andern, seit er das Menschenschicksal ausschließlich abhängigmacht vom Bekenntniß dieses oder jenes Parteistandpunkts, seitdem hat er den Boden unter den Füßen verloren und liefert uns leidenschaftlich-wüste, inhalt- und formlose, stümperhafte Producte. Denn ohne ein Maß von Weisheit und Gerechtigkeit gibt es keine Kunst, und wenn Jeremias Gotthelf sagt daß sein Buch |kein Kunstwerk sein soll, so ist dieses die Resignation des Fuchses welchem die Trauben zu sauer sind. Daß sie ihm aber zu sauer sind, ist seiner verletzten Pflicht hart vorzuwerfen; wäre er nicht von dem Schemel der Weisheit und Gerechtigkeit heruntergestiegen, so würden seine Beine nicht zu kurz sein und er könnte heute noch an den schönen Weinstock hinaufreichen! (Keller: Jeremias Gotthelf. In: Blätter für literarische Unterhaltung, 20.11.1852) Er monärchelte nicht, er katholisirte nicht, jesuiterte nicht, pietisterte nicht (denn sein Frömmeln war wieder etwas Anderes und ungleich Frischeres und Reineres, gewissermaßen etwas handwerklich Praktisches), er brummte und grunzte manchmal, aber er pfiff und näselte nie.
(Keller: Jeremias Gotthelf. In: Blätter für literarische Unterhaltung, 1.3.1855) |
Gutzkow, Karl |
Gutzkow ist eine Ratte. Ich hab ihn auch gesehen. Er mißgönnte mir sogleich mein bischen Schmiererei und das winzige Erfölgelchen und suchte es durch förmliche wissentliche Entstellung zu paralysiren.
(Keller an Ferdinand Freiligrath, 30.4.1857) |
Henle, Jakob Pathologe, Anatom |
Bei Henle höre ich Anthropologie; sein Vortrag, der Form wie dem Stoffe nach, ist ausgezeichnet, ein wahrer Kunstgenuß, arbeitet übrigens dem Feuerbach bedeutend in die Hände. Wie Schade ist es, daß Henle ein eigentlich leidenschaftlicher Monarchist ist. Gervinus und die Andern dieses Kreises bedaure ich nicht, denn es sind grobe, unkultivirte Lümmel, aber dieser feine Henle thut meiner Seele weh. Er war mit Feuerbach befreundet und theilt auch seine Ansichten u Grundsätze. Als Feuerbach hieher kam, nahm er das größte Intresse daran u sprach immer mit Achtung u Liebe von ihm. Sobald er aber hörte, daß F. bei einem Republikaner wohne u selbst ein solcher sei, gab er ihn auf und - machte ihm nicht einmal einen Gegenbesuch! Das sind die freien, sonnigen Höhen der Wissenschaft. -
(Keller an Wilhelm Baumgartner, 28.1.1849) |
Hettner, Hermann Literatur- und Kunsthistoriker |
Obiger Dr.Hettner ist ein junger Privatdozent, welcher in Italien war und ein vortreffliches Buch zum Verständniß d. antiken Kunst geschrieben hat. Er liest, außer Spinoza, auch Literaturgeschichte, sehr gut, Aesthetik. Er ist, so zu sagen, eine vollkommene Blüthe unserer modernen Geisteskultur; die Philosophie, Literatur u Kunst, letztere zwei besonders, sind der ausgebreitete Boden seiner Nahrung. Ich wünschte, daß dieser junge, rührige Mann unserer eidgenössischen Schule in spe erworben werden könnte; denn hoffentlich wird doch etwas für diese Interessen auch geschehen. An den jetzigen schweizerischen Universitäten sind in diesen Fächern abgelebte und überlebte, impotente Kräfte od. Unkräfte vorhanden. Ich gehe oft zu Hettner und befinde mich sehr gut dabei.
(Keller an Wilhelm Baumgartner, 28.1.1849) |
Herwegh, Georg Dichter, Publizist
Gedichte eines Lebendigen |
Wir in Zürich haben von unserer kleinen Schillerfeier einen lustigen Nachgeschmack. Professor Vischer hielt nämlich eine sehr schöne Festrede und Herwegh sprach einen schönen Prolog. Nun sind beide Herren uralte Feinde, die sich auf tausend Schritte ausweichen; um so mehr fühlen sie sich genirt, seit dem Tage immer zusammen genannt zu werden. Jeder hat seinen Anhang oder Chor, wie die Brüder in der Braut von Messina. Herwegh wildere röthliche Demokraten, Vischer hingegen gesetzte Gothaer und ernste ordentliche Professoren. Rühmt man nun bei Herweghs Gefolge die Vischersche Festrede, so risquirt man, niedergehauen zu werden; lobt man in Vischers würdigem Kreise der Graubärte den Herweghsprolog, so ruft man ein grollendes mürrisches Schweigen hervor. Beide Häupter aber halten sich still und straff und stehen nur schweigend an der Spitze ihrer Reisigen, ohne daß der helle Stern des 10t. Nov.sie zu versöhnen vermag.
(Keller an Ludmilla Assing, 30.11.1859) |
Heyse, Paul Schriftsteller |
Paul Heyse war gestern auch einen Tag hier und ist ein allerliebstes Kerlchen. Wir waren sehr gemüthlich. Ich war neulich bei ihm in München, er lebt, wohnt u ist so schön mit den Seinigen in seinem Hause, wie ein leibhafter Cinquecentist, den man nicht betrüben darf.
(Keller an Julius Rodenberg, 16.11.1876) |
Meyer, Conrad Ferdinand Schriftsteller |
Ferdinand Meyer, von dem Sie schreiben, ist allerdings ein Züricher. Er wohnt eine Stunde weiter aufwärts am See und ist 56 Jahr alt, hat vor wenigen Jahren erst eine Million geheiratet und ist für mich zum persönlichen Verkehr nicht geeignet, weil er voll kleiner Illoyalitäten und Intrigelchen steckt. Er hat ein merkwürdiges schönes Talent, aber keine rechte Seele; denn er ciselirt und feilt schon vor dem Guße.
(Keller an Theodor Storm, 29.12.1881) |
Nietzsche, Friedrich Philosoph |
Nietzsche soll ein junger Professor von kaum 26 Jahren sein, Schüler von Ritschl in Leipzig u Philologe, den aber eine gewisse Großmannssucht treibt, auf anderen Gebieten Aufsehen zu erregen. Sonst nicht unbegabt, sei er durch Wagner-Schoppenhauerei verrannt u treibe in Basel mit ein par Gleichverrannten einen eigenen Cultus. Mit der Straußbroschüre will er ohne Zweifel sich mit einem Coup in's allgemeine Gerede bringen, da ihm der stille Schulmeisterberuf zu langweilig u langsam ist. Es dürfte also zu erwägen sein, ob man einem Spekulierburschen dieser Art nicht noch einen Dienst leistet, wenn man sich stark mit ihm beschäftigt. Doch werden Sie wohl am besten selbst das Bedürfniß hiefür beurtheilen. Ich halte den Mann für einen Erz- u Cardinalphilister; den<n> nur solche pflegen in der Jugend so mit den Hufen auszuschlagen und sich für etwas Anderes als für Philister zu halten, gerade weil dieses Wähnen etwas so Gewöhnliches ist.
(Keller an Emil Kuh, 18.11.1873) |
Petersen, Wilhelm Regierungsrat in Schleswig |
Petersens Reaktion gegen das malerisch beschreibende Element ist mir nicht auffallend; er will als Dilettant mitthätig sein und selbst malen, liebt daher nur andeutende "Drucker" und leichte "Touchen". Wäre er nicht ein so enthusiastisch freundlicher Kerl nach verschollenen Mustern, so müßte man ihm einmal Goethes Untersuchung über den Dilettantismus empfehlen, den der Alte so schalkhaft als ein gemüthliches Schema hinstellte.
(Keller an Paul Heyse, 8.4.1881) |
Spitteler, Carl Schriftsteller
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C. Felix Tandem heißt eigentlich Carl Spitteler, früher Theologe, dann langjähriger Erzieher in Rußland, jetzt Lehrer in einem Berner Progymnasium, in Neuenstadt am Bielersee. Dieser Beruf scheint sein Leiden zu sein. Vor etwas länger als einem Jahre gab er in Aarau ein episches Gedicht "Prometheus und Epimetheus" in 2 Theilen heraus, von welchem gar nicht gesprochen wurde [...]. Ich ward von einer wahren Flut seltsamer und wie aus der Urpoesie fließenden Schönheiten und Einfälle überrascht, obschon mir der brütende Geist des der Kanzel Entlaufenen nicht verborgen blieb. Denn sie sind sich ja alle gleich. Wenn auch viel Geschmackloses unterlief, so war doch eine solche Fülle der Anschauung in all' den personificirten Eigenschaften und Gebahrungen der Creatur (ich meine hier nicht die eigentlich mythologischen Erfindungen) daß mir nichts ähnliches bekannt schien. Wenn Dir dieser Prometheus noch nicht bekannt ist, so solltest Du Dich doch zwingen und Dich durchschlagen, Du würdest finden, daß man an dem Buche eine Art Sammlung merkwürdiger Dinge besitzt. Diesen Eindruck bezeugte ich in einem kurzen Briefe an Widmann, der mir das Buch geschickt hatte. Der Brief wurde sofort verwerthet und überdies sandte mir Spitteler jetzt direkt in einer Reihe abgebrochener Hefte, mit Bleistift geschrieben, eine commentirende Instruktion in dem sophistischen und vexanten Stile der Erläuterungen, die er den Extramundana beigegeben hat. Ich sah, daß es sich um eine leider krankhafte Erscheinung, wenigstens um eine Art literarischen Größenwahns handelt, und legte das Ganze einstweilen ad acta. Unlängst sandte er mir nun die Extramundana, worin allerdings der Spaß aufhört. Bis vorgestern habe ich mit der Antwort gezögert, weil ich dem Manne nicht wehthun mag oder kann. Dennoch habe ich zur Erklärung, daß ich mich passiv erhalten müsse, ihm meine Meinung über seine kosmischen und mytholigen Herrlichkeiten und Missionen offen herausgesagt und muß nun jede unglückliche Wirkung gewärtigen. Indessen möchte ich unter der Hand Jeden auffordern, sich in die Sache ein wenig hineinzulesen, damit wenigstens etwas Geräusch entsteht. Denn der Weltfresser kann ohne diese schlechte Welt gar nicht leben.
(Keller an Paul Heyse, 8.1.1883) |
Stifter Schriftsteller |
Ich kann nicht begreifen, wie die Ansicht hat aufkommen können, welche erst Humboldt widerlegt hat, daß die Alten keinen Sinn für das Landschaftliche gehabt hätten! Sie brauchten ja nur ihre Götter zu nennen, so sah man Meer, Himmel und Gebirge vor sich und wenn der Dichter den Helios über dies oder jenes Vorgebirge hervorkommen ließ, so war die Vorstellung aller Griechen, die die Lokalität kannten, gewiß keine bittere! *Was braucht es da noch einen Feuerwerker wie Jean Paul oder einen Düftler wie Adalbert Stifter!
(Keller an Hermann Hettner, 15.10.1853) |
Storm, Theodor Schriftsteller
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Wie steht's jetzt mit Storm? Ich habe in Ihrem Aufsatz über ihn nichts gefunden, von dem ich begreifen könnte, daß es ihn beleidigt. Aber freilich, solche stille Goldschmiede und silberne Filigranarbeiter haben manchmal schlimmere Nücken, als man glaubt. Storm hätte ich in seiner Behaglichkeit und lustigen Landschaft wol auch sehen mögen. Ich glaube, ich habe ihn etwas verschnupft, denn ich hielt ihm wegen ein par Monita, die er mir wegen Nichtverheiratung einiger Novellenfiguren machte, den Spiegel eigener Sünden dieser Art vor, die zu den Juwelen unter seinen Sachen gehören; ferner parirte ich mit dem neusten Etatsrath einen malitiösen Bakelhieb, den er *wegen der drei zusammen gebundenen Kuhschwänze nach mir führte. Er ist glaub ich so fromm und naiv, daß er vielleicht meinen Spaß für Ernst nahm und nun knurrt.
(Keller an Paul Heyse, 19.11.1881)
* Betrifft das Ende der Armen Baronin im Sinngedicht; vgl. Keller an Storm, 25.9.1881, und Storm an Keller, 27.11.1881. |
Vischer, Friedrich Theodor
Philosoph, Schriftsteller |
Denn Vischer ist bei allen Launen doch noch Einer von denen, die einen Halt gewähren und deren Fleisch von guter und ächter Textur ist. Auch hat er eine schöne künstlerische Ader, welche nicht nur seinem Metier zu gut kommt, sondern auch seinen Umgang angenehm macht.
Keller an Hermann Hettner, 22.3.1860 |
Wagner, Richard Komponist |
Dann ist auch Richard Wagner ein sehr begabter Mensch, aber auch etwas Friseur und Charlatan. Er unterhält einen Nipptisch, worauf eine silberne Haarbürste in krystallener Schaale zu sehen ist etc etc.
(Keller an Ferdinand Freiligrath, 30. 4. 1857 ) |
Widmann, Josef Victor Redakteur |
Es ist ein guter und höchst begabter Mensch, leider eine Art Eulenböck, der alle Meister ein Weilchen nachmachen kann, bald ist er Wieland, bald Ariost, bald macht er eine Iphigenia, bald Hermann u Dorothea bis auf einzelne Situationen hinaus, ohne alle Genierlichkeit. Plötzlich merkt er einmal, wo es fehlt, und er will verzweifeln, bis er wieder mit einer kolossal reminiscirenden Erfindung davonrennt. (Keller an Paul Heyse, 30.1.1882) |