Gottfried Keller

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Anzeiger für das 19. Jahrhundert

Zur Situation vor 1848 Zur Verfassungsrevision (1873/1874)
Mai 1845 Juni 1873
Juni 1845 April 1874
Juli 1845  
August 1845
September 1845 Wahl zum Staatsschreiber 1861
April-Juni 1846 Das Staatsschreiberamt
September 1847  
Oktober 1847  
November 1847  
Dezember 1847  
April 1848  

Die folgenden Zeitungsauszüge dokumentieren Phasen aus Kellers zeitgenössischem, insbesondere dem politischen Umfeld. Es handelt sich vorwiegend um die Zeit der Streitigkeiten zwischen Liberalen und Konservativen vor der Gründung des schweizerischen Bundesstaates (1848) und um die Revision der Bundesverfassung zu Beginn der 1870er Jahre.


 

Zur Situation vor 1848

 

 

Mai 1845

 

3. Mai 1845

Luzern. Heute stund Hr. Doktor Robert Steiger vor dem Kriminalgerichte, und wurde zum Tode, mittelst Erschießen verurtheilt. Nach seinem Vertheidiger, Dr. Kasimir Pfyffer, sprach er selbst höchst rührend, so daß alle Anwesenden tief ergriffen waren, und viele Thränen floßen. Nun ergriff der Ankläger, Fürsprech Hegi, wieder das Wort und suchte auf eine empörende Weise den Eindruck zu Gunsten des Beklagten zu zerstören. Er stachelte auf alle Weise den Unwillen der Richter gegen den letztern auch, und schien im eigentlichsten Sinne nach dem Blute desselben zu lechzen. [...] Alle Zuhörer waren ob solchem unedlen Benehmen entrüstet. Der eigene Bruder des Anklägers stürzte aus dem Gerichtssaale in das Vorzimmer und erklärte laut seinen Abscheu. So lange Hr. Fürsprech Hegi lebt, wird die Schmach dieser Stunde an ihm kleben.

Neue Zürcher-Zeitung, 5. Mai 1846

 

15. Mai 1845

Unterzeichneter hat die traurige Erfahrung gemacht, daß man ihm die unverdiente Anschuldigung zu machen sucht, als hätte er dem Herrn Oberst Rothpletz den Schnurrbart ausgerissen. Er erklärt nun - sich beziehend auf Herrn Rothpletz selbst - obige Angabe als eine böswillige Verläumdung.
Kondukteur Segesser, aus Luzern.

Neue Zürcher-Zeitung, 15. Mai 1845

 

17. Mai 1845

Schwyz, 17. Mai. (Korr.) Es verlautet, Luzern habe von der hiesigen Regierung zwei Scharfschützenkompagnien behufs allfälliger Exekution des Urtheils über Hrn. Dr. Steiger verlangt. Wie man glaubt, hat sich der gestern außerordentlich versammelte Kriegsrath mit dieser Angelegenheit beschäftigt. Auf künftigen Montag ist der Gr. Rath außerordentlich zusammenberufen worden. Lauter Umstände, die, wie man allgemein annimmt, für das Schicksal des Hrn. Steiger das Schlimmste befürchten lassen.

Neue Zürcher-Zeitung, 19. Mai 1845

 

23. Mai 1845

Das Schicksal des Herrn Dr. Steiger ist noch nicht entschieden. Zwar so viel liegt nun wohl außer Zweifel, daß das Todesurtheil nicht vollzogen, sondern umgewandelt werden wird; hingegen scheinen bei der Mehrheit des Gr. Rathes Bedenken darüber obzuwalten, Verbannung an die Stelle des Todes zu setzen, weil keine Garantie dafür vorhanden sei, daß der Verbannte nicht wieder nach Belieben zurückkehren könne. Man versucht daher ein anderes Surrogat für die Todesstrafe aufzufinden und es ist von Eingrenzung in eine Festung oder Deportation nach irgend einer Insel die Rede. Wir geben aber die Hoffnung noch keineswegs auf, daß es am Ende doch bei der Verbannung sein Verbleiben haben wird und wir wünschen, daß durch allzu leidenschaftliche Besprechung dieser Angelegenheit nicht auf nachtheilige Weise auf die endliche Erledigung derselben eingewirkt werden möchte. Der Entscheid wird wohl noch ein Paar Wochen auf sich warten lassen; mittlerweile soll die Lage des Hrn. Steiger viel erträglicher sein, als vorher, namentlich hat nun seine Gattinn Zutritt zu ihm und es wird ihm der Gebrauch seiner Bücher gestattet.

Neue Zürcher-Zeitung, 23. Mai 1845

 

24. Mai 1845

Anzeige.

Die schweizerische Volksbibliothek erscheint auch dieses Jahr wieder unter Mitwirkung der ausgezeichnetsten Bürger der Kantone. Wie immer, wird alles angewandt, um dieß Unternehmen so erfolgreich, so segensreich zu machen, als es seine Bestimmung verlangt.

Es erscheinen in derselben in geordneter Reihenfolge: 1) Die Geschichte der Schweiz (mit Anwendung deren Lehren auf die Gegenwart). 2) Eine Landwirthschaftslehre. 3) Eine Volkswirthschaftslehre. 4) Eine Gesundheitslehre. 5) Eine Pflanzenlehre. 6) Darstellungen aus der Gewerbslehre. 7) Erd- und Bodenkunde. 8) Naturgeschichte und Naturlehre. Zu diesen regelmäßig fortgesetzten Abhandlungen kommen noch: Mittheilungen über Kindererziehung und Buchhaltung; ferner eine Menge interessanter, belehrender Erzählungen.

Das bisher (seit dem Jahr 1836 ununterbrochen) Erschienene kann beweisen, daß ohne Eigennutz in reiner Gesinnung für Volk und Vaterland gehandelt wurde.

Der Preis dieser Monatschrift ist trotz der vielen Aufopferungen ihrer Gründer, für 2 Quartbogen mit einem Kupfer, auf ein Batzen für jede Lieferung festgesetzt, damit auch der Unbemittelste dieselbe anschaffen könne. Die Transportkosten belaufen sich auf höchstens 1 Kreuzer für jede Lieferung.

Man abonnirt in Bern bei den Verlegern, in Zürich bei J. J. Morf, Postoffiziant, in Winterthur bei J. Studer, Lithograph.

Bern, im Mai 1845.

Neue Zürcher-Zeitung, 23. Mai 1845

 

30. Mai 1845

Luzernische Zustände.

[...] Nach der französischen Julirevolution beeilten sich die mehrsten Schweizerkantone unter dem Schutze derselben ebenfalls ihre Verfassungen zu ändern, und zwar sämmtlich in liberalem Sinne. [...] Luzern erhielt damals eine Repräsentativ-Verfassung. [...]

Als die zehn Jahre, welche für die Dauer der Verfassung festgesetzt waren, abgelaufen, wurde von dem Volk ein Verfassungsrath einberufen, in welchem mehr nicht als neun Liberale saßen, so sehr waren ihre Aktien gesunken.

[...] Dem Klerus wurde ein ungemessener Einfluß auf das Staatsleben und dem Volke das Veto eingeräumt. [...]

Der neue Gr. Rath (wie früher 100 Mann stark) wurde aus lauter frommen Leuten zusammengesetzt. Man zählte darunter wohl die Hälfte, welche nicht begriffen, um was es sich bei den Berathungen handelte. Sie standen auf oder blieben sitzen, je nachdem ihr Haupt, Rathsherr Leu von Ebersoll, dieses that. Worte sprachen sie keine. [...]

Die Seele der neuen Regierung war der Erziehungsrath, als Lenker des Erziehungswesens und der geistlichen Angelegenheiten, denn andere Geschäfte gab es von nun an, so zu sagen, keine mehr. Im Erziehungsrathe thronte wieder Rathsherr Leu, ein reicher Bauer, der keine andere Bildung genossen hat, als diejenige seiner Dorfschule. Er ist ein Fanatiker. Eine Rede, die er im Gr. Rathe bei Anlaß der Jesuitenberufung hielt, schildert ihn ganz. Er sagte darin beiläufig: Seit meinem öffentlichen Wirken zielten alle meine Bemühungen dahin, den Kanton Luzern nicht nur dießseits, sondern auch jenseits des Grabes glücklich zu machen. Dieß kann vorzüglich geschehen durch Bekämpfung des Unglaubens. Die eifrigsten Kämpfer aber für die Religion sind die Jesuiten. Die Jesuiten sind nicht die Leute, wie sie ihre Feinde schildern. Sie sind im Gegentheil Muster der Tugend, der Frömmigkeit und der Duldung; sie sind verfolgt, gelästert, gemartert worden, wie Christus, gestorben wie Christus, und endlich glorreich wieder auferstanden, wie Christus. Ich stimme daher u. s. w. Neben Leu sitzt im Erziehungsrathe als vorzügliches Mitglied Hr. Chorherr Kaufmann, ein Mann, der immer gebückt einhergeht, und da er den Kopf nie auf die Seite wendet, einen stechenden Blick auf die Begegnenden wirft. Es ist dieses der berühmte Verfasser eines Büchleins über die Rangordnung der himmlischen Geister, und einer Brochüre über die Verhältnisse von Kirche und Staat, in welcher der letztere der erstern unbedingt unterworfen wird. Die Reichthümer der Klöster im Gegensatz zu dem Armuthsgelübde werden darin so vertheidigt: Die Apostel, obwohl arm, hatte jeder einen Beutel, woraus sie ihre täglichen Auslagen bestritten, auch Almosen gaben, also können auch die Klöster u. s. w. (Fortsetzung folgt.)

Neue Zürcher-Zeitung, 30. Mai 1845

 

 

 

Juni 1845

 

1. Juni 1845

Anzeige.

Diesen Nachmittag 5 Uhr findet unter Leitung des Herrn Krauskopf, im Saale des Herrn C. Rinderknecht in Unterstraß, eine Gesangaufführung des Handwerker-Vereins "Eintracht in Zürich" statt. Der Erlös ist für die Hinterlassenen der in den jüngsten Luzernerwirren gefallenen Basellandschäftler bestimmt. Programme, welche zugleich als Eintrittskarten dienen, sind für 10 ß. bei Herrn Buchdrucker Köhler, zum Rebstock an der Steingasse, und Herrn Rinderknecht in Unterstraß zu beziehen.

Neue Zürcher-Zeitung, 1. Juni 1845

 

2. Juni 1845

Luzernische Zustände.

[...] Die neuen Wahlen haben die Regierung weder röther noch schwärzer gemacht, als sie vorher war. Die Jesuiten stehen vor der Pforte, der Zustand des Kantons bleibt der gleiche. Die unaufhörlichen Forderungen der herrschsüchtigen Klerisei und ihrer Trabanten werden fortwährend die Gemüther der Eidgenossen reizen, und der Zank bei den Tagsatzungen wird an der Tagesordnung bleiben, und am Ende muß der Bürgerkrieg erfolgen, welchen eben der Freischaarenzug verhindern sollte. Wenn wir zu wählen hätten zwischen diesem Uebel und selbst ein wenig Anarchie oder den Jesuiten, wir gestehen aufrichtig, wir würden das erstere vorziehen; nicht aus Sympathie für die Anarchie, aber das eine vergeht, das andere besteht. Anarchie kann bei unserm Wohlstand und unsern Gesinnungen nie lange dauern; die Ordnung gewinnt immer wieder die Oberhand, und die Sicherung des Eigenthums wird eiligst wieder der Zweck werden, um den sich die Parteien vereinen. Der Kanton Luzern aber wird in sich keine Ruhe finden und die Eidgenossen vor ihm nicht, bis wir eine andere Regierung haben.

Neue Zürcher-Zeitung, 4. Juni 1845

 

18. Juni 1845

Luzern. Die Zahl der auf Seite der Freischaaren umgekommenen ist nunmehr auf 104 ausgemittelt: 57 aus dem Aargau, 17 von Luzern, 13 von Baselland, die übrigen 17 würden auf Bern und Solothurn fallen. Auf Seite der Regierungs-Truppen werden 44 Verwundete, Vermißte und Todte gezählt [...]


Neue Zürcher-Zeitunge, 18. Juni 1845

 

20. Juni 1845
 

Aquarellierte Bleistiftzeichnung von Johannes Ruff 1845
(ZB: Graphische Sammlung)

Aus Gottfried Kellers Gedicht-Handschriften
(ZB: Ms. GK 9, S. 62 f.)


Bei Dr. Steigers Befreiung und Ankunft in Zürich.
Freitags d. 20t. Juni 1845.


Mit deinem Adelsbriefe wohl versehen,
Dem Todesurtheil mit dem argen Riß,
Sehn wir dich jugendlich und stark erstehen
Aus deines Grabes kalter Finsterniß.
Des Unglüks Feuertaufe auf dem Haupte
Den letzten Kettenring noch an der Hand:
So schreitest du durch dieses jungbelaubte
Und doch so tiefgebeugtes Vaterland!

Und wo du gehst, da weckst auf den Bergen
Die hellen Freudenfeuer ohne Zahl
Doch hinter dir, da stehn die röm'schen Schergen,
Geblendet noch von des Gerichtes Strahl,
Der Apostat, dess' Name nun zertreten,
Im Staube an des Volkes Sohlen klebt,
Indeß den Deinen es mit lautem Beten
Und dankbar kindlich zu den Sternen hebt!

 

Es grüße dich das goldne Licht der Sonne,
Dich grüßt die Freiheit und das Unterland,
Es grüßen dich mit lautem Schlag der Wonne
viel tausend Herzen freudig zugewandt.
Nimm hin in vollem Maß des Volkes Liebe,
Und seinen Dank, den es den Helden zollt
Der Männer Lärm und jubelndes Getriebe -
Des Weibes Thräne, die im Stillen rollt.

Nimm hin die Lieder und die Festgesänge,
Es lauscht ein heilger starker Zorn darin
Die bittre Klage in dem Lustgedränge,
den Dorn, der diese Rose birgt, nimm hin.
Denn was dem müden Volk das Herz durchzittert,
legts heimlich in die Grüße mit hinein;
Ob's nun in Freude oder Leid gewittert,
Es wird nicht minder ein Gewitter sein!

 

20. Juni 1845

Bülletin von heute Morgen.

>Zürich. So eben verbreitet sich die Kunde, daß Hr. Dr. Steiger aus seinem Gefängniß in Luzern entkommen sei. Diesen Morgen um halb 3 Uhr sei derselbe wohlbehalten in Knonau angekommen und um 6 Uhr schon in Bonstetten gewesen. Drei luzernerische Landjäger, nebst einigen Freunden, die ihm zur Flucht verholfen, begleiten ihn.

Neuestes. 8 ¾ Uhr. So eben ist Hr. Dr. Steiger in einem zweispännigen Wagen unter allgemeinem Jubel in der Stadt Zürich angekommen. Das Café zum rothen Thurm , wo er abstieg, ist bereits so angefüllt, daß Niemand mehr Zutritt erhalten kann. Vor dem Hause drängt sich eine Masse von Menschen, die ihn zu sehen wünscht.

Neue Zürcher-Zeitung, 20. Juni 1845

vgl. NZZ, 27.11.1847
 

22. Juni 1845

Zürich. Von allen Seiten gehn uns Nachrichten zu, wonach die glückliche Befreiung des Hrn. Dr. Steiger den außerordentlichsten Enthusiasmus hervorruft. Gestern Morgen empfing der Befreite in Winterthur, wo er sich noch aufhielt, eine Abordnung von Schaffhausen, an deren Spitze Hr. RR. Grieshaber. Abends um 4 Uhr traf sein Knabe Robert aus St. Gallen bei ihm ein und um die gleiche Zeit eine Abordnung von Freunden und Verehrern aus Frauenfeld. In Winterthur selbst bleibt die Theilnahme sich immer gleich, aus allen Häusern will man ihn sehen, aus den umliegenden Dörfern kommen die Leute schaarenweise heran und da Hr. Steiger heute noch in Winterthur sein wird, so ist für diesen Tag eine wahre Wallfahrt aus der ganzen Umgegend nach Winterthur angesagt.

Neue Zürcher-Zeitung, 22. Juni 1845

 

28. Juni 1845

Basellandschaft. Hier ist man auf's lebhafteste von dem Gefühle bewegt, wie billig es sei, die Befreier des Hrn. Dr. Steiger, welche ihre Existenz zum Opfer brachten, wenigstens einigermaßen zu entschädigen. Zu diesem Zweck sammelt Hr. Advokat Adolph Barth in Liestal freiwillitge Beiträge und ist dabei selbst mit einem Beitrag von 28 Frk. vorangegangen. Das Baseland. Wblt. ladet die Radikalen in allen Gemeinden ein, diesem Beispiel zu folgen. In Liestal wurden sogleich gegen 300 Frk. zusammengelegt. Der Patriotismus unserer Bürger scheint unerschöpflich zu sein.

Neue Zürcher-Zeitung, 28. Juni 1845

 

30. Juni 1845

Zürich. *Höngg, 29. Juni. In unserer heutigen zahlreich versammelten Gemeinde wurde dem Hrn. Dr. Steiger und seiner Familie das Bürgerrecht geschenkt. Der Gemeindrath hinterbrachte der Gemeindeversammlung den einmüthigen Antrag auf unentgeltliche Bürgerrechtsertheilung. Die Diskussion dauerte ungefähr 2 Stunden und es blieben die Konservativen mit 5 Stimmen (von 126) in der Minderheit. Dieses Resultat durfte man mit Grund vermuthen, zumal unsere Gemeinde seit den unglücklichen Luzernerwirren für die Sache Steigers sehr begeistert war und große Theilnahme zeigte. - Nach der Abstimmung herrschte allgemeine Freude, und es beschloß die Gemeinde ferner unter großem Jubel dem Hrn. Dr. Steiger sogleich durch drei Deputirte von unserer Schlußnahme Kenntniß geben und ihm die Bürgerrechtsurkunde zustellen zu lassen. Den freisinnigen Bewohnern unsers Limmatthals wurde durch andauerndes Kanonenfeuer die Freude der Gemeinde Kund gegeben. [...]

Neue Zürcher-Zeitung, 30. Juni 1845

 

 

 

Juli 1845

 

2. Juli 1845
 

Abschrift einer Depesche Seiner des Herrn Staatskanzlers Fürsten von Metternich Durchlaucht an den kais. königl. österreichischen Geschäftsträger Herrn von Philippsberg, datirt vom 10. April 1845.

Der von dem Kantone Luzern im Vereine mit treuverbündeten Ständen erfochtene Sieg gegen einen der frevelhaftesten Angriffe, deren die Geschichte Erwähnung thut, hat eine weltbürgerliche Bedeutung.

Er befestigt den Glauben an die bei einem großen Theile des Schweizervolkes noch fortbestehenden Tugenden der Ahnen, an dessen Tapferkeit, dessen Sinn für Recht und Pflicht, dessen gottvertrauende Hingebung.

Er gewährt, indem er die wohlangelegten und durch bedeutende Kräfte unterstützten Plane einer ruchlosen Fraktion zu Schanden machte, die Hoffnung, daß diesem Treiben endlich ein Ziel gesteckt und dem ruhebedürftigen Lande der ersehnte Friede geschenkt sein wird.

Er berechtigt endlich alle europäischen Staaten, und insbesondere die Nachbarstaaten der Schweiz, zu der Erwartung, daß der Kern des Guten in diesem Lande noch stark genug ist, um von sich aus der Anarchie, welche der Schweiz zum Verderben und der moralischen Ruhe im gesammten gesellschaftlichen Körper zur Störung gereicht, ein Ende zu machen, und so die gefährlichen Verwickelungen, die einen so unnatürlichen Stand der Dinge zur Folge haben müßten, zur Ehre der Eidgenossenschaft zu beseitigen. [...]

Neue Zürcher-Zeitung, 2. Juli 1845

 

4. Juli 1845

Deutschland. Das Fr. J. theilt mehrere wichtige Beschlüsse des Bundestages vom 12. Juni mit. Die Regierungen der Bundesstaaten sind ersucht, den Debit sämmtlicher Verlagsartikel des literarischen Comptoirs in Zürich und Winterthur* in ihren Staaten möglichst zu hindern, ein Gewaltstreich, der nur mit dem seiner Zeit von Preußen gegen die erschienenen und nicht erschienenen Werke Gutzkow's, Wienbarg's, Kühne's, Laube's und Mundt's verhängten verglichen werden kann. Das literarische Comptoir hat Verlagswerke, welcher die strengste Zensur nichts vorwerfen kann, die rein wissenschaftlichen oder künstlerischen Inhalts sind. Ein anderer Bundestagsbeschluß sichert den im deutschen Bundesgebiet erscheinenden literarischen und artistischen Erzeugnissen anonymer oder pseudonymer Autoren Schutz gegen Nachdruck auf 30 Jahre, denen genannter Autoren hingegen auf Lebensdauer und 30 Jahre nach dem Tode zu. Ein dritter Bundestagsbeschluß verbietet den Negerhandel nach den in der Uebereinkunft zwischen Großbritannien, Oesterreich, Preußen und Rußland am 20. Dez. 1841 festgesetzten Grundsätzen. Demzufolge soll der Negerhandel gleich dem Seeraub oder Menschenraub bestraft werden.

Neue Zürcher-Zeitung, 4. Juli 1845

 

*Im Verlag des literarischen Comptoirs erschien 1845 und 1846 das Deutsche Taschenbuch, in dem ein Teil von Kellers Lieder eines Autodidakten publiziert wurden.

 

10. Juli 1845

Den zahlreichen Bewundern des Kapellmeisters Dr. Fr. Liszt wird es gewiß nicht uninteressant sein, den vollständigen Titel dieses weltberühmten Künstlers kennen zu lernen. Nach Gustav Schilling, der Liszt's Leben und Wirken aus nächster Beschauung dargestellt hat, lautet der Titel folgendermaßen: "Hochfürstlich Hohenzollern-Hechingischer Hofrath, Groß-herzoglich Sachsen-Weimarscher Hofkapellmeister, Doktor der Philosophie, schöner Künste und Wissenschaften, Inhaber des Königlich Preußischen Ordens pour le mérité, Ritter des Königl. Belgischen Löwenordens, des Großherzoglich Weimarschen Falken-, Herzoglich Sachsen-Ernestinischen- und Fürstlich Hohenzollernschen Hausordens, Inhaber der Königlich Würtembergischen auch Königlich Preußischen u. s. w. großen goldenen Medaille für Verdienste in Künsten und Wissenschaften, Ehrenbürger von Pesth und andern Ungarischen Städten, Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste und Wissenschaften, auch theils wirkliches, theils Verdienst-, theils korrespondirendes Mitglied mehrerer anderer gelehrter oder artistischer Gesellschaften und Vereine."

Es verlautet, Hr. Liszt werde am Freitag in Basel ein drittes und am Montag in Zürich ein zweites Konzert geben.

Neue Zürcher-Zeitung, 10. Juli 1845

 

11. Juli 1845

Zürich, 10. Juli. Gestern Abends gab Hr. Dr. Franz Liszt das schon früher angekündigte Konzert im hiesigen Kasinosaale [...]. Der höchste geistige Genuß wurde den staunenden Zuhörern zu Theil. Wenn auf der einen Seite die beispiellose Fertigkeit in Behandlung des Instrumentes Aug' und Ohr entzückte, so rissen die mit dem tiefsten Gefühle demselben entlockten Klänge die Seele zur Bewunderung hin: kein Mensch schien mehr am Klaviere zu sitzen, ein Geist von Oben durchbrauste das Instrument mit herzergreifenden Melodien in einem aus tausend und abertausend Glockenklängen gebildeten Wellenschlage; die zartesten Gefühle des menschlichen Herzens, die edelsten Triebe desselben wurden aufgeregt und zur höchsten Harmonie verschmolzen, daß die Kunst göttlicher Abkunft sei, hat ihr genialer Jünger Liszt auf die ergreifendste Weise zum Bewußtsein gebracht.

Neue Zürcher-Zeitung, 11. Juli 1845

 

14. Juli 1845

Kurze
Lebensbeschreibung und
Todesurtheil

der beiden Mörder
Heinrich Sennhauser und Jakob Lattmann.
Mit getreuer Abbildung der dahier verfertigten
Guillotine
erscheint à Ein Batzen heute Abend bei Antiquar
Däniker unter der Meise in Zürich und Dienstag
Morgens bei Hrn. Hauser, Buchbinder in Wädenschweil.

Neue Zürcher-Zeitung, 14. Juli 1845

  

20. Juli 1845

Luzern. In der Nacht vom 19. auf den 20. d. 1/4 nach12 Uhr wurde Rathsherr Joseph Leu von Ebersol in seinem Bette schlafend durch einen Pistolenschuß in das Herz ermordet. Die Leiche wird nächsten Dienstag Morgens 8 Uhr in Hochdorf zur Erde bestattet werden. Der Mörder ist bis jetzt unbekannt. Die Regierung von Luzern verspricht für die Entdeckung und Einbringung des Thäters eine Prämie von 6000 Fr. Ehe wir nähere Aufschlüsse über die Person und die Motive der That, welche hoffentlich auch dem menschlichen Richter nicht unenthüllt bleiben wird, erhalten, wagen wir noch nicht diese Gräuelthat politischem Fanatismus zuzuschreiben und, wie es die Staatszeitung thut, den "Radikalismus" als die Mutter derselben zu nennen. Wenn dem aber so sein sollte, [...] so werden gewiß alle Parteien im Vaterlande sich gedrungen fühlen, ohne Widerstreben , entschieden und ohne Rückhalt diese entsetzliche That an sich [...] zu verabscheuen. Wehe unserm Vaterlande, wenn es dahin kommen sollte, daß politische Gegner durch Meuchelmord aus dem Wege geräumt würden und ein solcher Meuchelmord noch seine Vertheidiger fände!

Neue Zürcher-Zeitung, 21. Juli 1845

 

23. Juli 1845

Im Verlage von Johann Ulrich Landherr in Heilbronn ist so eben erschienen und in allen soliden Buchhandlungen des In- und Auslandes, in Zürich bei Orell, Füßli und Comp. vorräthig zu haben:

Das
Daseyn, die Beschaffenheit und Lage
des
Fegfeuers,
oder des dritten Ortes, eigentlich
Reinigungsortes,
sowohl aus klaren Stellen der heiligen Schrift,
als aus Vernunftgründen
bewiesen, geschildert und bestimmt
von
Christian Hoffmann
in Wimpfen am Berg.
gr. 8 geh. Preis 12 ß.

Der Herr Verfasser, ein Protestant, ist kein Gelehrter, aber ein denkender, mit der heil. Schrift von Kindheit auf wohl vertrauter Christ, der durch tieferes Erforschen und Vergleichen ihrer Aussprüche zu der Ueberzeugung gelangt ist, die er in diesem Werkchen niedergelegt hat, daß nämlich die Lehre von einem dritten Orte in der heiligen Schrift begründet ist und von diesem Punkte aus ein freundlicheres Entgegenkommen der Protestanten den Katholiken gegenüber zu wünschen wäre. Er hatte bei der Abfassung dieser Schrift keinen andern Zweck im Auge als den, vielleicht dadurch ein Schärflein zum Tempel der Glaubenseinigkeit beizutragen, einem Tempel, der, wenn auch spät, doch gewiß einmal zur Vollendung kommen wird. Ev. Joh. 10, 16. Katholiken und Prostestanten jedes Standes gibt dieses interessante Werkchen reichen Stoff zum Nachdenken, zu religiösen Besprechungen und ernstem Forschen in der heiligen Schrift. Namentlich wird dasselbe auch christlichen Gemeinschaften empfohlen.

Neue Zürcher-Zeitung, 23. Juli 1845

 

24. Juli 1845

Luzern, 24. Juli. (Korr.) Heute wurde in der Hofkirche unter ungeheurem Zudrang des Volkes eine von der Regierung veranstaltete Todtenfeier des Rathsherrn Leu abgehalten. Männer von jeder Farbe erschienen. Man wollte für den Fall, daß der Tod des Rathsherrn Leu einem Verbrechen zugeschrieben werden könnte, dasselbe öffentlich mißbilligen und zugleich dem rechtlichen Charakter des Verstorbenen Anerkennung zollen. Wenn man es auch bedauren muß, daß dieser Mann bei seiner mangelnden wissenschaftlichen Bildung einen so großen und für das Land so traurigen Einfluß ausgeübt, so hat doch Freund und Feind in Leu einen Mann geachtet, der es immer redlich gemeint hat. Möchte dasselbe nur auch von jenen Leuten gesagt werden können, die den Leu leiteten, und von den Werkzeugen, die er zu seinen Zwecken gebrauchen mußte. [...]

Neue Zürcher-Zeitung, 27. Juli 1845

 

25. Juli 1845

Mit Entrüstung las der Unterzeichnete in gestriger Nr. 199 der eidgenössischen Zeitung in einem Korrespondenzartikel aus Luzern, daß sein Name mit dem an Großrath Joseph Leu verübten, verabscheuungswürdigen, Meuchelmord in Verbindung gesetzt und darauf hingedeutet wird, er habe sich dieses Mordes wegen aus der Stadt entfernt. Oeffentliche Blätter haben wiederholt die Flucht des Unterzeichneten berichtet, aber jedesmal hat sich die Angabe als unwahr erzeigt. Auch dießmal weilt derselbe seit beinahe drei Wochen im Kalt-Bad auf der Rigi, Kantons Luzern, was in der Stadt Luzern allgemein bekannt ist. Hoffentlich besitzt ein luzernerischer Bürger wenigstens noch so viel Freiheit, dieses thun zu dürfen, und wird es thun können, ohne den Verdacht eines Mordes deßwegen mit Grund auf sich zu laden. Eine solche Verdächtigung ist eine Schändlichkeit, die wenig hinter jenem Meuchelmorde selbst zurückbleibt, indem dadurch die Ehre und der gute Name eines Mannes gemeuchelt werden soll. Trotz aller solcher Angriffe wird der Unterzeichnete unentwegt seinen politischen Ansichten treu bleiben, ohne sich jedoch durch dieselben jemals zu einer widerrechtlichen Handlung hinreißen zu lassen. Auf diese Weise hofft er vor jedem Richterstuhle bestehen zu können.

 Kalt-Bad auf der Rigi, den 22. Juli 1845.

Dr. Kasimir Pfyffer.

Neue Zürcher-Zeitung, 25. Juli 1845

 

28. Juli 1845

Zürich. Einige Tagsatzungsherren haben die Gewohnheit, so leise zu sprechen, daß selbst die Mitglieder der Tagsatzung sie nicht verstehen. Es ist dieses ein um so fatalerer Umstand, als dieselben sehr klare Vorträge halten, und dadurch den Zuhörern nicht nur ein angenehmer Genuß, sondern auch für ihre Gesinnung eine Aufmunterung entgeht.

Neue Zürcher-Zeitung, 28. Juli 1845

 

 

 

August 1845

 

6. August 1845

Luzern. Die Wunder, womit die Jesuitenpartei den Rathsherr Leu verherrlichen will, kommen bereits zahlreich zum Vorschein, jedoch nur in Jesuitenkantonen. Daß an dessen Todestag der Blitz in die Kapelle zum hl. Kreuz, einen Wallfahrtsort im Entlebuch, eingeschlagen habe ohne zu zünden, hat der dortige Kaplan, ein Jesuitenfreund, ausgestreut. Diesem Wunder fügt die hiesige Kirchenzeitung zwei andere bei, die sich an Leu's Todestag knüpfen, nämlich einen von Ebikon aus gesehenen "wundervollen schönen Glanz, der sich am mitternächtlichen Himmel über die Gegend von Hochdorf erhob und bis Luzern reichte", und den Sturz der mittelsten Säule in der Balüstrade an der Façade der Jesuitenkirche in Schwyz, der ebenfalls in jener Nacht erfolgt sei und die Säule auf der Stiege der Kirche zerschmettert habe.

Neue Zürcher-Zeitung, 6. August 1845

 

9. August 1845

Luzern. Was wir bisher glauben zu dürfen nicht wagten, scheint sich nach den Berichten öffentlicher Blätter zu bestätigen: Dienstags den 7. dieß als am Markttage, wurde in der Stadt Luzern auf höhere Anordnung hin bei der sogenannten Lasterbank ein Schandpfahl aufgestellt, mit der Inschrift: "Dr. Jakob Robert Steiger von Büron, landesflüchtig, wegen Hochverrath durch das Kriminal- und Obergericht des Kantons Luzern zum Tode mittelst Erschießens verurtheilt," und von zwei Landjägern bewacht. Zwei Vorübergehende, der eine, weil er vor der Inschrift sich verbeugte, der andere, weil er Zweifel zu äußern wagte, daß ein solches Verfahren zur Anbahnung des Friedens zweckdienlich sei, wurden, wie Augenzeugen berichten, ohne weiters arretirt.

Neue Zürcher-Zeitung, 9. August 1845

  

11. August 1845

Im Verlage von Johann Ulrich Landherr in Heilbronn ist so eben erschienen und in allen soliden Buchhandlungen des In- und Auslandes, in Zürich bei Orell, Füßli und Comp. vorräthig zu haben:

Der unfehlbare und untrügliche
Ratten-, Mäuse-, Maul-
würfe, Marder-, Wiesel-, Wanzen-,
Flöhe-, Ameisen- und Mücken-
Vertilger,
und wohlmeinende Rathgeber

vieler sicherer Mittel zur Vertilgung und Vertreibung der Frösche und Kröten, Grillen und Heimchen, Läuse, Keller- und anderer Würmer, Maikäfer, Milben, Motten, Raupen, Schnacken, Schnecken, Wespen und Hornisse und vielem andern Ungeziefer.

Vierte, vermehrte und verbesserte Auflage.
8. geh. Preis 12 ß.

Die ausführliche Titel-Anzeige dieses in vierter, verbesserter Auflage erschienenen Büchleins hält, was sie verspricht, und macht jede weitere Empfehlung von Seite der Verlagsbuchhandlung überflüssig.

Neue Zürcher-Zeitung, 11. August 1845

  

16. August 1845

Luzern, 9. August. Dr. Steigers Todesurtheil kann man nun an allen Straßenecken lesen. - Polizeidirektor Siegwart-Müller verbietet in dem gestrigen Kantonsblatt von nun an die bisher üblich gewesenen Kirchweihmärkte, Glücksspiele und das Tanzen an den sogenannten Kirchweihfesten, mit Ausnahme der allgemeinen oder Herbstkirchweihe, angeblich, weil nicht nur die kirchliche Feier, sondern häufig auch das häusliche Glück darunter leiden. - An Wiedereröffnung des verwaisten Theaters ist gar nicht zu denken.

Neue Zürcher-Zeitung, 16. August 1845

 

21. August 1845

Gestern Abend fand auf der Platte bei Zürich eine Gesangaufführung des hiesigen Sängervereines "Harmonie" statt. Zu derselben war insbesondere Hr. Dr. Steiger, der seit Montag in Zürich ist, sowie dessen Frau Gemahlin eingeladen. Er wurde von Hrn. Großrath Benz, dem Vorstande der Harmonie mit einer die Verdienste des Gefeierten im Kampfe gegen Jesuitenthum würdigenden Rede bewillkommt, worauf Hr. Dr. Steiger theils von Freude, theils von Schmerz ergriffen erwiederte, von Freude, daß Verfolgung in einem Kanton die Theilnahme für vaterländische Bestrebungen des Verfolgten in andern Kantonen nicht aufzuheben, sondern nur zu steigern vermöge, von Schmerz, daß das Vernichtungssystem der Jesuiten gegen alle geistige Freiheit und gegen das bürgerliche Glück noch so mächtig und schwer auf einem großen Theil der Eidgenossenschaft laste. Er munterte jedoch die Versammlung auf, der Vorsehung zu vertrauen und mit ausdauernder Kraft auf geordnetem Wege den Sieg des Rechtes zu erwarten. In den Zwischenräumen des trefflichen Gesanges der Harmonie, die sich ihres Namens würdig zeigte, folgten noch mehrere andere mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommene Trinksprüche theils von andern Gästen, theils von Mitgliedern des Vereines [...]. Die Feier, welcher mehrere Freundinnen der Frau Steiger und Tagsatzungsgesandte beiwohnten, ist wegen ihrer anständigen, mäßigen und erhebenden Haltung eine vollkommen gelungene zu nennen, worin die Harmonie ohne Zweifel eine hinreichende Entschädigung findet, daß sie sich aus Rücksichten auf den politischen Charakter der städtischen Polizei in Zürich vermögen ließ, am vorherigen Abend auf eine Hrn. Dr. Steiger zugedachte öffentliche Huldigung vor dem Kaffeehaus zum rothen Thurm, wo Hr. Steiger abgestiegen war, zu verzichten.

Neue Zürcher-Zeitung, 21. August 1845

 

23. August 1845

Uri, 21. Aug. (Korr.) Künftigen Sonntag findet eine allgemeine Landesprozession oder Wallfahrt des gesammten Kantons Uri nach Saxeln statt, um am Grabe des sel. Niklaus von Flüe Gott für die schon verliehenen Siege der guten Sache (wie sich das Regierungsschreiben ausdrückt) zu danken, theils um fernern Schutz gegen drohende Gefahren zu bitten. Das Dampfschiff bezahlt zum voraus die Regierung, und den Armen wird sie sonst noch die Reisekosten erleichtern, um die Wallfahrt recht zahlreich und imposant zu machen.

Neue Zürcher-Zeitung, 23. August 1845

 

24. August 1845

Zürich. Gestern hat der Regierungsrath mit neun gegen drei Stimmen beschlossen, dem Hrn. Dr. Steiger das Landrecht zu ertheilen und ihm aus Gründen der Humanität die Gebühr von 160 Frk. zu erlassen. Die Minderheit war in ihren Ansichten getheilt, zwei Mitglieder sprachen sich gegen die Ertheilung des Bürgerrechtes aus; das dritte opponirte bloß gegen die Erlassung der Taxe. [...]

Neue Zürcher-Zeitung, 24. August 1845

 

31. August 1845

Thurgau. Die Feuermannschaft in Sulgen hat, statt den für ihre Hülfe beim letzten Brande in Bürglen übungsgemäß ihr zukommenden Trunk zu beziehen, den Betrag desselben (15 fl. 24 kr.) den Befreiern von Dr. Steiger zugedacht.

Neue Zürcher-Zeitung, 31. August 1845

 

 

 

September 1845

 

3. Sept. 1845

Baden. Gustav Weil, Universitätsbibliothekar zu Heidelberg, ist gegen den Antrag der dortigen philosophischen Fakultät, von der Regierung zum außerordentlichen Professor der orientalischen Sprachen ernannt worden. Diese Wahl macht Aufsehen, da Weil der erste Jude ist, der in Deutschland zum Professor ernannt wurde. In Frankreich und in der Schweiz ist man in wissenschaftlicher Beziehung schon längst von derartigen Vorurtheilen zurückgekommen.

Neue Zürcher-Zeitung, 3. Sept. 1845

 

6. Sept. 1845

Tanz-Unterrichts-Anzeige.

Zürich. Hiedurch beehre ich mich, dem hochgeehrten Publikum ergebenst anzuzeigen, daß ich im Laufe dieses Monats hieselbst den ersten Kursus meines Tanz- und körperlichen Bildungs-Unterrichtes beginnen werde, falls sich eine genügende Anzahl Scholaren zur Theilnahme meldet. Außer den gymnastischen Vorübungen, der Anstandslehre und den gebräuchlichsten Tänzen, als: Walzer, Galoppade etc. lehre ich auch die überall so beliebte schottische, russische, bayerische, böhmische und Doppel-Polka, Tempête, Française, Cottillon und die Gesellschafts-Mazurka in ihrer regelrechten und dezenten Ausführung, wobei ich insbesondere der körperlichen Erziehung und Ausbildung der mir anvertrauten Jugend meine ganze Aufmerksamkeit widme. [...]

Einer geneigten zahlreichen Theilnahme verharrt hochachtungsvoll und ergebenst

H. Riese,
Lehrer der Tanzkunst.

Neue Zürcher-Zeitung, 6. Sept. 1845

 

27. Sept. 1845

Bülletin von heute Morgen.

Die Kartoffelkrankheit scheint in der ganzen Schweiz zum Ausbruch zu kommen; nach den bisherigen Berichten herrscht sie bereits in den Kantonen Zürich, Bern, Schwyz, Glarus, Zug, Freiburg, Appenzell, St. Gallen Waadt und Neuenburg. Es werden verschiedene Hülfsmittel dagegen vorgeschlagen. Gut ist es, wenn man die Kartoffeln unter dem Dache, wo es luftig ist, oder im Freien so aufbewahren kann, hier jedoch so, daß immer eine Schichte trockenen Sandes mit einer Schichte Kartoffeln abwechselt. [...]


Ausland.

Die Kartoffelkrankheit.

Der Courrier de Lyon vom 24. Sept. enthält eine mit vieler Sachkenntniß geschriebene Abhandlung des Hr. Bonjean von Chambery, über die gegenwärtig überall auftauchende Kartoffelkrankheit [...].

"Im Gefühl der Wichtigkeit, über allfällige Gefahr ganz im Klaren zu sein, unternahm ich es auf mein Risico, Versuche anzustellen, deren Ergebniß bis zur Evidenz führten, daß selbst bei dem Gebrauch der angesteckten Frucht keine Nachtheile entstehen. Nachdem ich, wie der Zufall es brachte, eine Menge verdorbener Kartoffeln, die auf dem Felde liegen geblieben, zusammenraffte, habe ich mich 3 Tage lang, ohne irgend etwas Schadhaftes wegzuschneiden, damit genährt. Zwar beseitigte ich diejenigen Kartoffeln, welche wirklich bis auf den Grund durch die Krankheit angegriffen und mit einer weißlichen, zuweilen gelblichen oder bräunlichen Pilzhaut umgeben waren und einen stinkenden, widerlichen Geruch von Fäulniß zeigten, und wenn man solche mit der Hand drückte, eine scharfe Flüssigkeit von sich gaben. Von den nur theilweise angegriffenen aß ich ungefähr acht Pfund, mit Butter oder als Suppe, zum Theil auch nur gesotten, ohne irgend einen Nachtheil als denjenigen einer etwas schwereren Verdauung, welche nicht Statt gefunden haben würde, wenn ich die kranken Theile der Frucht abgeschnitten hätte. Ich ging noch weiter, ich trank des Morgens nüchtern ein großes Glas von circa 8 Unzen desjenigen Wassers, in welchem ich 5 Pfund kranker Kartoffeln kochen ließ; das Wasser war gelbgraulich, trübe, dick, doch nicht schleimigt, von etwas widerlichem Geruch und Geschmack, der eine Stunde lang den Gaumen kitzelte. Ich empfand davon keine andere Wirkung als eine etwas die Brust belästigende Wärme, die aber nach Ablauf von zwei Stunden gänzlich beseitigt war. Meine beiden Kommis und ein Bedienter, die mich diese Kartoffeln ohne irgend einen Widerwillen, noch Nachtheil essen sahen, folgten meinem Beispiele schon am zweiten Tag und verspürten davon durchaus keine unangenehmen Folgen.

"Nach solchen Thatsachen, hoffe ich, wird man die angegriffenen Theile der Kartoffeln nicht als ein Gift betrachten, und diejenigen für gefährlich halten, von welchen die kranken Theile weggeschnitten werden. [...]

"Möchte mein Beispiel und meine Beobachtungen die Vorurtheile beseitigen, durch welche die arbeitende Klasse eines seiner köstlichsten Nahrungsmittel könnte beraubt werden."    

Neue Zürcher-Zeitung, 27. Sept. 1845

Vgl. die Hulda-Episode im Grünen Heinrich 

 

28. Sept. 1845

Bülletin von heute Morgen.


Die Kartoffelkrankheit hat sich nach den Berichten der Zeitungen fast über die ganze Schweiz erstreckt. [...] Allenthalben indessen haben die Regierungen sofort die nöthigen Maßregeln getroffen. Dabei werden eine Menge von Mitteln gegen dieselbe vorgeschlagen. So will ein Hr. Bouchardat ein Mittel erfunden haben, die kranken Kartoffeln für den Hausgebrauch nützlich zu machen. Man schneidet sie in schmale Stücke und legt sie 30 Stunden in Wasser, das leicht geschwängert ist mit Salzsäure, wascht sie hernach in frischem Wasser und läßt sie während 12 Stunden erweichen. Hernach trocknet man sie an der Sonne und sie werden wieder sehr weiß, bekommen einen guten Geschmack und lassen sich für immer erhalten.

Neue Zürcher-Zeitung, 28. Sept. 1845

 

 

 

April / Mai / Juni 1846

 

29. April 1846

Zürich. Die hiesige Hochschule hat heute ihr vierzehntes Stiftungsjahr nach vierjähriger Unterbrechung gefeiert. [...] Ein gemeinschaftliches Mittagessen der Professoren, der Studenten, mehrerer Mitglieder des Erziehungsrathes und vieler Ehrengäste fand im Schützenhause statt, das durch ernste und heitere Tischreden reichlich gewürzt war. Es gewährte einen wohlthuenden Anblick, Männer der verschiedensten politischen Gesinnungen versammelt zu sehen in einträchtiger Freude über das Entstehen und den allen politischen und religiösen Stürmen Trotz bietenden Fortbestand einer Anstalt, die im stillen Bereiche der Wissenschaft manches Gute gewirkt hat und bei sorgfältiger Pflege - mancher erlittenen schweren Verluste ungeachtet - früher oder später das werden könnte, was ursprünglich in der Idee ihrer Stifter lag, nämlich: eine freie Burg deutscher Wissenschaft für Europa.

Neue Zürcher-Zeitung, 1. Mai 1846

1. Mai 1848

Deutschland. Gr. Baden. Das gelehrte Organ des Hrn. Dr. Gervinus, die deutsche Zeitung, droht der Schweiz "in den nächsten Tagen auf eine gewisse Seite der schweizerischen Politiker zurückzukommen." Sie meint, der Deutsche "Riese sei erwacht und nunmehr für die Zwergheit ein Maßstab gegeben." Bekanntlich machte die neue Zürcher Zeitung, wenn sie über deutsche Angelegenheiten zu sprechen kam, den Ausdruck "deutscher Michel" zu einem stehenden Witz. Es soll uns freuen, wenn die Blätter des großen deutschen Vaterlandes anfangen, die Schmach des "deutschen Michels" abzureiben; wir hoffen aber das Gelingen von dem gelehrten Organ des Hrn. D. Gervinus nicht. Die deutsche Zeitung ist auf die "siegreichen Liberalen" in der Schweiz übel zu sprechen. Sie haßt alle Republiken. "Jedem Narren gefällt seine Kappe am besten", grollt sie, und froh mag sie sein, wenn sich hier der Pfeil nicht umkehrt und den Schützen trifft. Die blaugestrümpfte Heidelbergerin hat ihre Leser seit den Tagen der Preßfreiheit auf das Unerträglichste geschulmeistert. Ihr Ton klingt wie der eines steifen Bakels auf grobem Leder, und doch kokettirt sie damit. Alle Doktrinäre Europa's haben das Rad der Weltgeschichte noch um keinen Zahn vorwärts geschoben, und doch wird das gelehrte Organ des Hrn. D. Gervinus nicht müde zu dociren.

Es ist eine mehr als blutige Ironie, wenn ein fremdes Zeitungsblatt den Deutschen nach den Tagen von Wien und Berlin noch immer den alten "Michel" vorrückt. Sie besitzen einen Fünfzigerausschuß in Frankfurt, die Hoffnung auf einen deutschen Kaiser zu den übrigen 39 deutschen Fürsten, eine deutsche Hof-Zeitung zu Heidelberg und 500 Thaler, gesammelt für eine deutsche Flotte! Und noch wirft man ihnen den alten Michel vor.

Neue Zürcher-Zeitung, 1. Mai 1848

3. Mai 1846

Zürich. Die liberale Partei hat in den gestrigen Wahlen einen vollständigen Sieg davongetragen. [...]
Aus dem Wahlkampf des gestrigen Tages geht Zürich freier und stärker hervor.

Neue Zürcher-Zeitung, 4. Mai 1846

 

7. Mai 1846

Es war kein plötzlicher Schwindel, der in Folge jüngster Ereignisse die Köpfe ergriff. Von einer planmäßigen Bearbeitung des Volkes durch unwürdige Mittel kann noch weniger die Rede sein. [...] Wenn je, so sind die letzten Wahlen der wahre Ausdruck der Volksgesinnung. Vorgenommen in einer ruhigen Zeit, nicht unter dem ersten Eindrucke irgend einer kurz vorher stattgehabten politischen Erschütterung, tragen diese Wahlen das Gepräge reifer Ueberlegung und tiefer Ueberzeugung. Nicht in einem Sprunge ist das zürcherische Volk aus dem Septemberthum zum Liberalismus hinübergetreten. Es hat sich allmählig, nach und nach herausgewunden aus den Irrgängen, in welche es wider Willen gerathen war; es hat durch beharrliche Anstrengung das geistige Joch abgeschüttelt, welches ihm die Reaktion vor 7 Jahren aufgelegt hatte.

Neue Zürcher-Zeitung, 7. Mai 1846

 

14. Mai 1846

In der Nacht vom 12. auf den 13. d. ist ein Artillerist in der hiesigen Kaserne, wir wissen nicht ob aus Unvorsichtigkeit oder in somnambülen Zustand, aus dem zweiten Stockwerk durch's Fenster auf die Straße heruntergestürzt. Sofort wurde er in den Kantonsspital gebracht; man ist nicht ohne Hoffnung für sein Wiederaufkommen.

Neue Zürcher-Zeitung, 14. Mai 1846

 

16. Mai 1846

Luzern. (Korr.) Hier gab es wieder etwas heiteres. Das Bezirksgericht Malters büßte den Hr. Schnyder von Kriens, Suppleanten des Gemeinderaths um 30 Frkn., weil er sich äußerte, er habe vor Dr. Steiger soviel Respekt als vor Siegwart. Ein anderer merkwürdiger Prozeß ist noch nicht entschieden, derselbe besteht darin, daß Einer sagte, das Landjäger Korps sei ein kurioses Korps. Ein rechter Mann begebe sich nicht darunter, und ein schlechter werde nicht angenommen.

Neue Zürcher-Zeitung, 16. Mai 1846

 

19. Mai 1846

Die Vervollständigung des deutschen Eisenbahnnetzes wird in diesem Jahre wieder bedeutende Fortschritte machen. Zunächst ist es die Berlin-Hamburger Linie, welche bis zum Oktober soweit hergestellt werden soll, daß man von Berlin bis Boitzenburg auf der Bahn, und von da bis Hamburg mit dem Dampfboot, jedenfalls innerhalb eines Tages, wird gelangen können. Wird die Bahn von Celle nach Harburg binnen gleicher Zeit fertig, so ist alsdann eine doppelte Verbindung zwischen Hamburg und Leipzig hergestellt, einmal über Berlin, und dann über Hannover - beides in 14 bis 15 Stunden. [...] Dem südwestlichen Deutschland steht die Eröffnung der Main-Neckar-Bahn zwischen Frankfurt, Darmstadt und Mannheim bevor, die in letzterer Stadt ihre Fortsetzung über Karlsruhe, Straßburg, Freiburg bis Basel, und zwar von Kehl aus doppelt, auf dem rechten und linken Rheinufer, vollendet vorfindet.

Neue Zürcher-Zeitung, 19. Mai 1846

 

8. Juni 1846

Literatur.

Gedichte von Gottfried Keller. Wir haben schon früher Gelegenheit gehabt, des jungen Dichters zu erwähnen, dessen erstes Auftreten in Deutschland mit so großem Beifall aufgenommen wurde, daß selbst die A. A. Ztg. nicht umhin konnte, mit in das Lob einzustimmen, so wenig ihr auch die politische Richtung unseres Landsmannes behagen mag. Herr Keller gibt nun hier eine Sammlung gedruckter und ungedruckter Gedichte heraus. Keiner, der den einfachen, von Dünkel und Selbstüberschätzung so fernen, jungen Mann kennt, wird es ihm als Unbescheidenheit auslegen, daß er schon jetzt eine Sammlung seiner Gedichte erscheinen läßt, und wer das bei Winter in Heidelberg herausgekommene Bändchen durchsieht, wird sich über den Schatz freuen, der aus den Schachten ächter Dichtung herausgehoben, hier als schweizerisches Eigenthum vor uns liegt. Wie neu und frisch sind uns wieder die ältern, wie reich durch Mannigfaltigkeit, durch Schönheit und Eigenthümlichkeit der Gedanken und Bilder die neuen Gedichte, in ihrer großen Mehrzahl, erschienen, wie freudig haben wir überall den reinsten Dichtersinn erkannt! [...]

Neue Zürcher-Zeitung, 8. Juni 1846

 

 

 

September 1847

 

2. Sept. 1847

Bern. Eidgenössische Tagsatzung. 35. Sitzung, 2. September. [...]

Tagesordnung: § 27. Jesuitenfrage. Da die Tagsatzung bis dahin zu keiner Schlußnahme in dieser Angelegenheit gelangen können, so kömmt dieselbe in gegenwärtiger Sitzung neuerdings zur Berathung.

Zürich legt der Tagsatzung einen Antrag vor, welcher mit Berufung auf § 1 und 8 des Bundes dahin schließt: 1) die Jesuitenangelegenheit sei Bundessache; 2) daher seien die Kantone Luzern, Schwyz, Freiburg und Wallis eingeladen, die Jesuiten zu entfernen; 3) die Aufnahme dieses Ordens sei für die Zukunft in irgend einem Kanton der Eidgenossenschaft untersagt. [...]

Neue Zürcher-Zeitung, 4. September 1847

 

3. Sept. 1847

Bern. Eidgenössische Tagsatzung. 36. Sitzung, 3. September. Fortsetzung der Jesuitenfrage.
[...]

Abstimmung: 1) Für Nichteintreten und Entfernung des Gegenstandes aus Abschied und Traktanden: 8 1/2 St., Uri, Unterwalden, Zug, Wallis, Neuenburg, Freiburg, Schwyz, Luzern, Baselstadt, Appenzell I. Rh.

2) Für den Antrag von Zürich, die Jesuitenfrage als Bundessache zu erklären; diejenigen Kantone, welche Jesuiten aufgenommen haben, einzuladen, selbige zu entfernen; und Verbot, die Jesuiten in Zukunft einzuführen: 12 2/2 St., Zürich, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau, Tessin, Genf, Waadt, Thurgau, Graubünden, Glarus, Bern, Baselland, Appenzell A. Rh.

Neue Zürcher-Zeitung, 5. Sept. 1847

 

 

 

Oktober 1847

 

24. Okt. 1847

Bern. Eidgenössische Tagsatzung. 43 Sitzung, Sonntags, 24. Oktober.

Ganz unvermuthet versammelt sich heute um 1 Uhr Nachmittags die h. Tagsatzung. Das Publikum strömt zahlreich herbei, um, von Langeweile beim Regenwetter geplagt, alsofort bei den Verhandlungen der hohen Bundesbehörde unter so außergewöhnlichen Umständen ein pikantes Divertissement zu finden.

Hr. Bundespräsident zeigt an, daß die Gesandtschaften der Stände Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis ihr Ausbleiben von der Sitzung schriftlich entschuld