Gottfried Keller

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Betty Tendering (1831-1902)

Inhalt

Biographisches
Gekritzel

Biographisches

 

Betty Tendering war die Schwester von Lina Duncker, der Gattin des Verlegers Franz Duncker, in dessen Haus Keller während seines Berlin-Aufenthaltes verkehrte. Die Bekanntschaft mit Betty brachte Keller in ziemliche Verwirrung, wovon neben ein paar wenigen brieflichen Äußerungen und Gedichten vor allem die Kritzeleien auf den "Berliner Schreibunterlagen" zeugen.
 

Keller an Hermann Hettner, 2.11.1855 (Auszug)

Es kann mir indessen nicht lange mehr so gehen und wenn ich nur erst etwas Luft bekomme, wird sich die Sache schon wenden; denn es ist mir jetzt alles klar und durchsichtig und ich weiß genau was ich thun will; ich hätte mich auch diese letzten Monate unfehlbar nachgeholt, wenn mir der Teufel, nach 5jähriger guter Ruhe, nicht eine ungefüge Leidenschaft auf den Hals geschickt hätte, die ich ganz allein seit ¾ Jahren auf meiner Stube verarbeiten muß und die mich alten Esel neben dem übrigen Aerger, Zorn und mit den Schulden um die Wette zwickt und quält. Ich sage Ihnen, das größte Uebel und die wunderlichste Composition, die einem Menschen passiren kann, ist, hochfahrend, bettelarm und verliebt zu gleicher Zeit zu sein und zwar in eine elegante Personage. Doch behalten Sie um's Himmelswillen diese Dinge für sich.

 

Lina Duncker an Keller , 29.2.1856 (Auszug)

    

Meine Schwester ist selig in Italien, jetzt eben hat sie Rom verlassen und wird wohl in Palermo angekommen sein, findet sie auf dem Rückweg über Rom irgendwo eine fernere Gesellschaft für Italien, so wird sie wohl erst im Herbst wiederkommen. Sie schickt lange, ausführliche ganz originelle Briefe, was eine selbständige Natur genießt, was sie berührt, was sie glücklich und unglücklich macht, das hat für den Nachempfinder doch immer wieder sein Neues und Gutes, so viel Briefe und Beschreibungen aus Rom auch schon da sind; ich habe den Auftrag Sie zu grüßen, obgleich Sie stets so unartig und mürrisch wie möglich gegen sie gewesen seien. Wir führen zuweilen, Betty und ich, eine kleine Scene auf, in der ich Keller spiele. Sie können denken wie natürlich das ist. Es handelt sich um ein bijou, was Sie fallen ließen. So nannten Sie wenigstens irgend ein, einer Schaale entfallenes, Ding. - Meine Schwester hebt es auf, - unerhört freundlich huldvoll von einem schönen großen stolzen Mädchen. Sie präsentirt es Ihnen und Sie kratzen es ihr ungestüm und barsch aus der Hand, und legen es an Ort und Stelle, ohne Dank ohne irgend ein schmeichelhaftes oder erstauntes Wort. - Betty steht erstarrt vor Ihnen. | Als revange für Ihren mir in der Kneipe angethanenen Unglimpf gebe ich Ihnen diese Geschichte zum Besten. - Kürzlich habe ich übrigens auch eine Frauenrolle gespielt, wir haben [bei] bei meinem Schwager ein kleines Konversationsstück aufgeführt, in dem ich, ein Referendar Roth und ein Genfer, Herr Tilen,, mitspielten. Es ward sehr munter und frischweg gespielt, obgleich kein Stichwort bei mir haftete, ich richtete mich nur nach der Situation, und nach dem Gedankengang. Sonst sind die Gesellschaften hier immer so ziemlich dieselben, ich bin gar nicht blasirt, und wo man mir nur einigermaßen Freiheit gestattet, amüsire ich mich ganz leidlich, und die ewigen Klagen und Entzückungen mache ich nicht nach. Man muß das Leben, besonders die Menschen nicht zu schwerfällig behandeln, sich nicht zu bequem gehen lassen, und von andern nicht zu viel verlangen, und sein Glück und seine Befriedigung wo anders gefunden haben. -

    

 

    

Aus Kellers Antwortbrief, 6.3.1856

    

Uebrigens stand Ihre Fräulein Schwester nicht, sondern saß auf einem Stuhle, als ich jenen Knopf oder kleinen Compaß suchte, und als sie so huldvoll war, mir ihn zu geben, trotzte ich das Ding nicht ihr aus der Hand, sondern nahm es verblüfft und demüthig in Empfang. Eine besondere Rede daran zu knüpfen, war ich freilich nicht behende genug. Fräulein Betty soll aber nicht so lang in Italien bleiben. Jenes Land hat ja nicht nöthig, daß es noch viel schöner werde, das hat die Gegend um Berlin sammt den Leuten dort mehr nöthig. Hier in Zürich hat Sie mir auch einen schönen Handel angerichtet, als Sie vorigen Sommer die artige Laune hatte, meine Mutter aufsuchen zu wollen. Sie gerieth nämlich an ein par alte stupide mürrische Leute, die mit aller Welt im Zerfall leben und mit keinem Nachbaren ein Wort sprechen. Diese verläugneten aus Dummheit oder | Verstocktheit meine arme Mutter; kaum war aber die "Erscheinung" wieder verschwunden, so thauten sie auf, der alte Mann und die alte sonst finstere Frau, und erhoben einen solchen Lärm von der Schönheit und Pracht und Leutseligkeit des fremden Fräuleins, daß es unter allen meinen Bekannten wie ein Lauffeuer herumging, und ich schon damals in Briefen und bei meiner Heimkehr mündlich eine Neugierde und ein Klatschwesen auszustehen hatte, die über das Bohnenlied hinausgingen, so daß ich mit entschiedener Grobheit dazwischen fahren mußte, und ich kann mir aufrichtig das Lob geben, daß ich mich ritterlich für das Fräulein gewehrt habe, damit sie in keinen falschen Verdacht komme. Wie ich denn überhaupt im Punkte der Artigkeit gegen dasselbe ein vollkommen gutes Gewissen habe und selbst am besten weiß, daß ich von jeher höflich und respektvoll gegen Ihre Schwester gesinnt war. Dies genügt mir, um den Schein kümmere ich mich nichts. Wenn Sie Hochderselben etwa meinen demüthigsten Dank für ihr gestrenges Grüßen vermelden wollen, so fügen Sie dies hinzu, daß jene wiederholten Vorwürfe mich gar nicht treffen. Nebenbei gestehe ich allerdings ein, daß ich den Schein sehr gegen mich haben mochte; allein es trafen gleich von Anfang an, als Ihrer Schwester hohe Gestalt am Horizonte Berlins heraufschritt, so verrückte und verhexte und verdrehte Umstände zusammen, und zuweilen herrschte in Ihrem Hause selbst ein so schnurriger Ton, daß ich als ein argloser Mensch an dergleichen nicht gewöhnt, eben alle Unbefangenheit verlor und mich in den Mantel meiner Tugend hüllte.

    

 

 

Gekritzel

 

Federkritzeleien auf einem Blatt im Nachlaß der Zentralbibliothek Zürich (Ms. GK 8c)

(Auszug)

Die Initialen BT bilden zugleich die Abkürzung für "bella trovata", womit eine kryptische Brücke zu Dortchen Schönfund im Grünen Heinrich geschlagen ist.

(vgl. dazu auch den Essay von Peter Villwock : Betty und Gottfried, eine Geschichte in Bildern)