Ave Maria
auf dem Vierwaldstädter See.
Fuhr ein Schifflein gegen Flüelen,
Drin ich saß, zur Abendzeit,
Wo die finstern Wasser spühlen
Und den Bergen die Füße kühlen
Schon seit einer Ewigkeit.
Aus den schwarzen Felsengängen
Lau ein Hauch des Föhnes strich;
Ein Gewebe von Abendklängen
Zitterte von den Alpenhängen,
Und der Ferg bekreuzte sich.
Dunkel lauschten die Kapellen
Alter Freiheit aus dem See.
Wo einst fuhren die frommen Tellen,
Tauchte jetzo aus den Wellen
Dieser Wasser schlimme Fee.
Ja, ich sah sie steigen, winken
Aus der bergestiefen Fluth!
Ließ der Krone goldene Zinken
Tückisch in der Sonne blinken,
In der sterbenden Sonne Blut.
Nicht wie jenes Weib erblühte
Sie, des Ostens Ruhm und Flor.
Wilde Schadenfreude glühte
Und ein buhlerisch Feuer sprühte
Aus den seidenen Wimpern vor.
Und ihr Haar weht' ungebunden
In dem bangen, heißen Wind;
Und sie hielt im weißen, runden
Arm ein Kind mit sieben Wunden,
Ein ersterbendes, welkes Kind.
An den staffellosen Wänden
Glitt die grauliche Nix hinan,
Von den Purpurzinnen und Ständen
Hielt sie das Kind in erhobnen Händen
Über der Wasser tiefen Plan.
Preßte sie dem armen Wurm,
Wo die roth hinabgeschwunden,
Hat sich die Fluth emporgewunden,
Schreiend in Wuth und Weh und Sturm!
An den Borden rings am See,
Daß der Pfaff im Blute praßte
Und der Bruder den Bruder haßte,
Ihm zum eignen Gift und Weh! -
Als das Ave Maria verklungen,
War der arge Spuk entfloh'n. -
Noch ein Alphorn hat gesungen
Aus der Höh', und leis bezwungen
Hat mein Herz sein süßer Ton.
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Ave Marie auf dem
Vierwaldstätter-See. 1847.
finsteren / spülen
Bang
an
Dieses Wassers
schwärzlichgrünen
Gluth.
Fabelhaft und heidnisch blühte
Ihrer Schönheit arger Flor;
Haar und Schleier, ungebunden
Wehten in dem heißen Wind;
hinan;
Ränden
erhobenen
der Länder
Wurm;
Priester
eigenen / Weh!
Marie
Höh'
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