Gottfried Keller

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Die drei gerechten Kammmacher

Materialien  
Personen Eine Lesung von Michael Quast
Zusammenfassung  
Eine heutige Theateradaption  
 

Personen

 


Hauptpersonen

Gegenspieler

Nebenpersonen

Jobst, ein Sachse

Züs Bünzlin

Kammmacher-Meister

Fridolin, ein Bayer

 

Seldwyler

Dietrich, ein Schwabe

 

 

 

Züs Bünzlin predigt den drei Kammmachern von ihrer eigenen Weisheit.

 

Holzschnitt von Ernst Würtenberger

(Gottfried Keller: Die drei gerechten Kammacher. Leipzig, Kurt Wolff Verlag 1918, S. 51)

 

 

Zusammenfassung

 

<Erzählung von Gottfried Keller, erschienen 1856 im ersten Band des Novellenzyklus Die Leute von Seldwyla.>

Die satirische Erzählung will zeigen, "daß nicht drei Gerechte lang unter einem Dach leben können, ohne sich in die Haare zu geraten"; sie verspottet jene "blutlose Gerechtigkeit", die "niemandem zuleid lebt, aber auch niemandem zu Gefallen". -

Die drei Gesellen einer kleinen Kammfabrik, Jobst, Fridolin und Dietrich, sind im Gegensatz zu den leichtlebigen Seldwylern Muster an Verträglichkeit, Fleiß und Sparsamkeit, dabei aber phantasielos, habsüchtig und beschränkt. Jeder von ihnen faßt für sich den heimlichen Plan, das Geschäft seines Brotgebers zu erwerben und die Seldwylerin Züs Bünzlin, eine Jungfer mit bescheidenem Vermögen, zu ehelichen. Diese nicht weniger berechnende, kaltherzige und engstirnige Person, die über ein Arsenal nichtigen Plunders und eine phrasenhafte Halbbildung verfügt, hält die drei Bewerber mit tugendhaften Reden hin, bis es zu einer Szene kommt, deren groteske Symbolik das Lächerliche ins Unheimliche wendet: Bei einem vom Lohnherrn, der nur einen der drei Gesellen behalten kann, spaßhaft verordneten Wettlauf verfehlen Jobst und Fridolin, unter dem Gespött der Seldwyler verbissen einander behindernd, das Ziel, während der schlauere Dietrich gar nicht erst mitrennt, sondern statt dessen bei Züs sein fragwürdiges Glück macht, die nun als seine Braut das Kammachergeschäft kauft. Jobst erhängt sich, und von Fridolin hört man später nur, daß er ein "liederlicher Mensch" geworden sei. F. W. W.

Lexikon der Weltliteratur, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1997, Bd. 3, S. 268.

 

Radierung von Alfred Cossmann,
Wien 1915

 

 

Eine heutige Theateradaption: "Neue Mitte"

 

Von Samuel Schwarz und Raphael Urweider.
Im Studio des Maxim Gorki Theater Berlin
(14. September 2001 bis 2.3.2003)

Besprechung:

Das Projekt "Neue Mitte" von Samuel Schwarz (Regie) und Raphael Urweider (Musik) hatte sich zum Ziel gesetzt, die am Boden liegende New Economy zu betrachten und noch einmal nachzutreten.

Der gründliche und überlange Abend beginnt als ulkige Lesung der Gottfried- Keller-Erzählung "Die drei gerechten Kammmacher" von 1855. Durch ein grob gepixeltes Barock-Bühnenbild hüpfen rot bemützte Schauspieler wie Figuren in einem Computerspiel, und lange denkt man sich, etwas so allerliebst Überflüssiges habe man in solcher Präzision noch nie gesehen. Bis die Autoren die drei Handwerksgesellen nach der Pause in die grausame Gegenwart katapultieren. Dort genügt die Selbstgenügsamkeit des gerechten Kammmachens nicht mehr, man muss sein Logo global vermarkten und sich selbst dazu. Man erkauft sich das coole selbstbestimmte Produzieren von virtuellem Kammwesen ohne Chef mit der brutalen Gruppendynamik gnadenloser Sektiererei und wird zum Lohn von Alpträumen über jene heimgesucht, die in der Dritten Welt die echten Kämme herstellen müssen, befallen "von Viren, die bei uns nur Labors verzieren".

Der Kamm ist ein tolles Produkt, denn er hat "Zähne, die nicht beißen, sondern pflegen". Bei Schwarz/Urweider beißt die Wirklichkeit zurück und schlägt den fröhlichen Kammmachern schaurige Wunden. Die beiden Theaterkünstler haben dem Tod zwar selbst noch nicht ins Auge gesehen, aber sie wissen immerhin, wo man in der Requisitenkammer einen Totenkopf findet und wann man ihn hochhalten muss, um Effekt zu machen. So wurde ihr New Econommödchen zum Tragödchen oder wenigstens zum Horror-Kabarett. Das ist mehr, als man vom "jungen Theater" erwarten durfte, das der Clubber-Szene ihre geilen Kicks neidete und gerne mitgrooven wollte.
Schwarz und Urweider gelingt ihr Coup durch kritisches Bewusstsein.

SUEDDEUTSCHE ZEITUNG, 19.11.2001

 

fabian krüger,

norman schenk

siegfried teerporten