• 010 I. Klärchen.
Mir glänzen die Augen
Wie der Himmel so klar;
Heran und vorüber,
Du schlanker Husar!
Heran und vorüber,
Und wieder zurück!
Vielleicht kann's geschehen,
Du findest dein Glück!
Was weidet dein Rapp' mir
Den Reseda dort ab?
Soll das nun der Dank sein
Für die Lieb', so ich gab?
Troll' nur dich von hinnen
Auf deinem groben Thier,
Und laß meine strahlenden
Sternaugen mir!
• 011 II. Regina.
Mein Schatz sitzt im Garten,
Kehrt den Rücken dem Thal,
Und verbirgt mir ihrer Augen
Himmlischen Strahl.
Ihr goldbrauner Haarwuchs
Weht über den Zaun;
Ihren Mund und ihre Augen
Doch läßt sie nicht schau'n.
Sie lässet erklingen
Ihrer Stimme Getön.
O du boshafte Hexe,
Wie klingt es so schön!
• 012 III. Therese.
Du milchjunger Knabe,
Wie schaust du mich an?
Was haben deine Augen
Für eine Frage gethan!
Alle Rathsherrn in der Stadt
Und alle Weisen der Welt
Bleiben stumm auf die Frage
Die deine Augen gestellt!
Eine Meermuschel liegt
Auf dem Schrank meiner Baas' –
Da halte dein Ohr d'ran,
Dann hörst du etwas!
• 013 IV. Walpurgis.
Ich fürcht' nicht Gespenster,
Keine Hexen und Fee'n,
Und lieb's, in ihre tiefen
Glühaugen zu seh'n.
Am Wald, in dem grünen
Unheimlichen See,
Da wohnet ein Nachtweib,
Das ist weiß, wie der Schnee.
Es haßt meiner Schönheit
Unschuldige Zier;
Wenn ich nächtlich vorbeigeh',
So zankt es mit mir.
Doch der Schein meiner Augen
Und das Roth von meinem Mund
Verscheuchen das Spukweib
Alsbald auf den Grund.
Jüngst, als ich im Mondschein
Am Waldwasser stand,
Fuhr sie auf ohne Schleier,
Ohne alles Gewand!
Es schwammen ihre Glieder
In der taghellen Nacht;
Der Himmel war trunken
Von der höllischen Pracht.
Aber ich hab' entblößet
Meine lebendige Brust;
Da hat sie mit Schande
Versinken gemußt!
014 V. Aennchen.
Drei Liebste will ich nehmen:
Der Erste muß ein Kaufmann sein,
Der Andere ein Gärtner,
Der Dritt' ein Betteljung.
Der Kaufmann soll mir bringen
Wohl Perlen, Gold und Edelstein,
Der Gärtner süße Früchte
All' für den Betteljung.
Der Kaufmann soll mir bauen
Ein Haus mit einem schönen Saal,
Der Gärtner grüne Reben
Für meinen Betteljung.
Der Kaufmann soll mich kleiden
In Seiden und in blauen Sammt,
Mein Haar der Gärtner kränzen
Schön für den Betteljung.
Der Kaufmann und der Gärtner,
Sie sollen haben keinen Lohn,
Doch viele tausend Küsse
Mein lieber Betteljung.
Und wenn wir sind gestorben
Und schau'n die ewige Seligkeit:
Dann sollen sie begraben
Mich und den Betteljung.
Der Kaufmann soll errichten
Von Marmor einen Leichenstein,
Der Gärtner Rosen pflanzen
Mir und dem Betteljung!
015 VI. Agnes.
Ein Schreiner hobelt spät und früh,
Verliebt in eine Maid;
Doch einen Andern liebte sie,
Das schuf dem Holzmann Leid.
Es war gar traurig anzuseh'n,
Wenn an der Arbeitsbank
Voll Kummer in die Hobelspän'
Sein blondes Haubt versank.
Und hub er aus den Spänen dann
Das gelbe Haar zurück,
Ein Thränenstrom ihm niederrann,
Herzbrechend war sein Blick.
Da trat sie in die Werkstatt ein,
Erblühend, schön und stolz:
Schafft mir ein Bett, Herr Schreiner mein!
Von gutem Nußbaumholz!
Soll auf gewund'nen Säulen stah'n
Ein Himmel drüber hin,
Den malt mit blauer Farbe an
Und goldnen Sternen drin!
Und eine Wieg', die wie ein Reh
So leicht und munter springt
Und schaukelnd nach dem Takte geh',
Wenn man dem Kindlein singt!
Betrübt und folgsam hob er nun
Die schwere Arbeit an;
Ich frag: was konnt' er Andres thun,
Der blonde Thränenmann?
• 016 VII. Salome.
Singt mein Schatz wie ein Fink,
Sing' ich Nachtigallensang;
Ist mein Liebster ein Luchs,
O so bin ich eine Schlang'.
O ihr Jungfrau'n im Land,
Von dem Berg und über See:
Ueberlaßt mir den Schönsten,
Sonst thut ihr mir weh!
Er soll sich unterwerfen
Zum Ruhm uns und Preis!
Und er soll sich nicht rühren,
Nicht laut und nicht leis!
O ihr theuren Gespielen!
Ueberlass't mir den stolzen Mann!
Er soll seh'n, wie die Liebe
Ein feurig' Schwert werden kann!
• 017 VIII. Helene.
Tretet ein, hoher Krieger,
Der sein Herz mir ergab!
Legt den purpurnen Mantel
Und die Goldsporen ab!
Spannt das Roß in den Pflug,
Meinem Vater zum Gruß!
Die Schabrack' mit dem Wappen
Gibt 'nen Teppich meinem Fuß.
Euer Schwertgriff muß lassen
Für mich Gold und Stein,
Und die blitzende Klinge
Wird ein Schüreisen sein.
Und die schneeweiße Feder
Auf dem blutrothen Hut
Ist zu 'nem spielenden Wedel
In der Sommerszeit gut.
Und der Reitknecht muß lernen,
Wie man Lebkuchen backt,
Wie man Wurst und Gefüllsel
Auf die Weihnachtszeit hackt!
Nun befehlt Leib und Seele
Dem heiligen Christ!
Denn ihr seid verkauft,
Wo kein Erlösen mehr ist!
Seid der Liebe verfallen
Und verpfänd't euer Blut!
Müsset leiden und brennen
In ewiger Gluth!
• 018 IX. Röschen.
Röschen biß den Apfel an,
Und, zu ihrem Schrecken,
Blieb ein perlengleicher Zahn
In demselben stecken.
Und das gute Kind vergaß
Ihre Morgenlieder!
Thränen ohne Unterlaß
Träufelten ihr nieder!
019 X. Gretchen.
Das Dirnlein vor dem Gnadenbild
Im trüben Kerzenglanz,
Es flehte heiß, es flehte wild
Um einen Myrthenkranz.
Die Mutter Gottes schaute bas
Herab von dem Gestell;
Es flunkerte der Schmuck von Glas
Auf ihrer Brust so hell.
Die Orgel gab 'nen schönen Klang,
Wie Donnerton im März;
Vor Bangigkeit und Wehmuth sprang
Dem Kinde schier das Herz.
Und unter selbem Herzen schwoll
Ein zweites Herzlein an.
Bald stand sie blaß und schandenvoll
Mit Stroh hier angethan!
• 020 XI. Das rothe Bärbchen.
Wandl' ich in dem Morgenthau
Durch die dufterfüllte Au',
Muß ich schämen mich so sehr
Vor den Blümlein rings umher!
Täublein auf dem Kirchendach,
Fischlein in dem Mühlenbach,
Und das Schlänglein still im Kraut:
Alles nennt und fühlt sich Braut!
Apfelblüth' im lichten Schein
Dünkt sich stolz ein Mütterlein,
Dieweil schon mit linder Wucht
Ihr im Schooße keimt die Frucht.
Gott! was hab' ich denn gethan,
Daß ich ohne Lenzgespan,
Ohne Einen süßen Kuß,
Ungeliebet sterben muß?
• 021 XII. Kunigunde.
Das Köhlerweib ist trunken
Und singt im Wald;
Hört ihr, wie ihre Stimme
Im Grünen hallt?
Ruht auf der rothen Nase
Der Abendstrahl:
Glüht sie, wie wilde Rosen
Im dunklen Thal.
Sie war die feinste Blume,
Berühmt im Land;
Es warben Reich' und Arme
Um ihre Hand.
Sie trat in Gürtelketten
So stolz einher;
Den Bräutigam zu wählen
Fiel ihr zu schwer!
Da hat sie überlistet
Der rothe Wein –
Wie müssen alle Dinge
Vergänglich sein!
Das Köhlerweib ist trunken
Und singt im Wald;
Wie durch die Dämmrung gellend
Ihr Lied erschallt!
• 022 XIII. Sabine.
Du hast wohl dicht verschlossen
Dein Gärtlein, frommes Kind,
Da diese Heckensprossen
So eng verwachsen sind?
Doch blüht die Unschuld immer
Darin, so viel ich seh';
Sonst war es Lilienschimmer:
Nun ist es weißer Schnee!
023 XIV. Sibylla.
Die alten Jungfern bleichen
Ihr Tuch am Sternenschein,
Da wird dann ohne Gleichen
Das Linnen zart und rein.
Bei Tage an der Sonnen
Thut's fast den Augen weh;
Im Himmel wird's gesponnen,
Das ist der weiße Schnee.
Und Wiese, Feld und Garten
Hast du schon vollgespannt?
Willst du so bald erwarten
Des Bräutigames Hand,
Der an der Kirchenpforte
Dich sanft vorüber trägt,
Mit kühlem Liebesworte
Dich in die Erde legt?
• 024 XV. Creszenz.
Wie glänzt der weiße Mond so kalt und fern,
Doch ferner schimmert meiner Schönheit Stern!
Wohl rauschet weit von mir des Meeres Strand;
Ach, weiterhin liegt meiner Jugend Land!
Tief ab liegt des Gebirges Kluft und Schlund,
Noch tiefer schwindet meines Glückes Grund!
Und alle Morgen muß ich niederschau'n
In diesen Abgrund, wo die Nebel grau'n!
Und alle Nacht rück' höher ich hinauf,
Zuletzt thut sich der kalte Himmel auf.
Da sitzt Maria auf dem goldnen Thron,
Auf ihrem Schooße schläft ihr sel'ger Sohn.
Da sitzt Gott Vater, der den heil'gen Geist
Aus hohler Hand mit Himmelskörnern speist.
In einem Silberschleier sitz' ich dann
Und schaue meine weißen Hände an,
Bis irgend eine Harfensaite springt
Und mir erschreckend durch die Seele klingt.
• 025 XVI. Die schöne Wirthin.
Alle meine Weisheit hing in meinen Haaren,
Und all' mein Wissen lag auf meinem rothen Mund,
Alle meine Macht saß auf dem sternenklaren,
Ach, auf meiner Augen blauem, blauem Grund!
Hundert Schüler hingen an meinem weisen Munde
Und ließen sich von meinen klugen Locken fah'n,
Hundert Knechte spähten nach meiner Augen Grunde
Und waren ihrem Winken und Blinken unterthan.
Nun hängt todtenstill das Haar mir armem Weibe,
Wie auf dem Meer ein Segel, wenn keine Luft sich regt!
Und einsam klopft mein Herz in dem verlassnen Leibe,
Wie eine Uhr vom Schwarzwald in leerer Stube schlägt!