Ich sah jüngst einen Schwarm von schönen Knaben,
Gekoppelt und gespannt, wie ein Zug Pferde;
Sie wieherten und scharrten an der Erde
Und thaten sonst, was Pferde an sich haben.
Und mehr noch; was sonst diesen ist Beschwerde,
Das schien die Buben köstlich zu erlaben;
Denn lustig sah ich durch die Gasse traben
Auf einen Peitschenknall die ganze Heerde.
Das Leitseil war in eines Knirpses Händen,
Der, klein und schwach, nicht sparte seine Hiebe
Und launenhaft den Zug ließ gehn und wenden.
Mich kränkten minder diese Herrschertriebe,
Als solchen Knechtsinns zeitiges Vollenden;
Es that mir weh an meiner Kinderliebe.
• 027 Von Kindern. II.
Die Abendsonne lag am Bergeshang,
Ich stieg hinan und auf den goldnen Wegen
Kam weinend mir ein zartes Kind entgegen,
Das, mein nicht achtend, schreiend abwärts sprang.
Um's Haubt war duftig ihm ein Schein gelegen
Von Abendgold, das durch die Löcklein drang.
Ich sah ihm nach, bis ich den Gramgesang
Des Kleinen nur noch hörte aus den Hägen.
Zuletzt verstummte er; denn freundlich' Kosen
Hört' ich den Schreihals liebevoll empfangen;
Dann tönt' empor der Jubelruf des Losen.
Ich aber bin vollends hinaufgegangen,
Wo oben bleichten just die letzten Rosen,
Fern, wild und weh der Adler Rüfe klangen.
• 028 Von Kindern. III.
Man merkte, daß der Wein gerathen war:
Der alte Bettler wankte aus dem Thor,
Die Wangen glühend, wie ein Rosenflor,
Muthwillig flatterte sein Silberhaar.
Und vor und hinter ihm die Kinderschaar
Umdrängte ihn, ein lauter Jubelchor;
Draus ragte schwank der Selige empor,
Sich vielfach spiegelnd in den Aeuglein klar.
Am Morgen, als die Kinderlein noch schliefen,
Von jungen Träumen drollig angelacht,
Sah man den rothen Wald von Silber triefen.
Es war ein Reif gefallen über Nacht;
Der Alte lag erfroren in dem tiefen
Gebüsch, vom Rausch im Himmel aufgewacht.
• 029 An Follen.
Mit einem Bändchen Gedichte.
1847.
Nimm diese Lieder, Lobgesang und Klagen,
Wie sie die bunte Jahreszeit gebracht!
Wie mir ihr Himmel wechselnd weint' und lacht',
Hab' ich die Lyra regellos geschlagen.
Im Sande knarrt der Freiheit goldner Wagen,
Es ist ein müßig Schreien Tag und Nacht;
Betäubt, verworren von der Zungenschlacht,
Zeigt sich der Beste schwach in diesen Tagen.
Uns mangelt des Gefühles edle Feinheit,
So Schwung und Schärfe gibt dem Schwert im Fechten,
Das hohe Wollen und des Herzens Reinheit.
Klar sind sich nur die Schlimmen und die Schlechten;
Sie suchen sich und schaaren sich in Einheit,
Entsagend dumpf der Ehre und dem Rechten!
• 030 Der Schein trügt.
Ich weiß ein Haus, das ragt mit stolzen Zinnen,
Frei spielt das Licht in allen seinen Sälen,
Sein Giebel schimmert frei von allen Fehlen,
Kein Neider schilt's, nicht außen und nicht innen.
Nur wer es weiß mit Klugheit zu beginnen,
In seinen tiefsten Keller sich zu stehlen,
Sieht üppig feuchtes Unkraut dort verhehlen
Von dicken Schlangen wahre Königinnen.
Doch würde der sich arg betrogen haben,
Der rasch empor die Treppen wollte steigen,
Die Neider mit der Kunde zu erlaben:
Denn tiefer noch, im allertiefsten Schweigen,
Da liegt ein ungemessner Schatz begraben,
Der niemals wird dem Lichte wohl sich zeigen.
• 031 Das Leben ist doch schön!
Wie schön, wie schön ist dieses kurze Leben,
Wenn es eröffnet alle seine Quellen!
Die Tage gleichen klaren Silberwellen,
Die sich mit Macht zu überholen streben.
Was gestern freudig mocht' mein Herz erheben,
Das muß ich lächelnd heute rückwärts stellen;
Wenn die Erfahrungen, sich drängend, schwellen,
Erlebnisse wie Blumen sie umgeben!
So muß ich breiter stets den Strom erschauen,
Auch tiefer mälig seh' den Grund ich winken,
Und täglich lern' ich mehr der Fluth vertrauen.
Nun goldene Geschirre, sie zu trinken,
Gebt, Götter! mir und Marmor, um zu bauen
Den festen Damm zur Rechten wie zur Linken!
• 032 Erkenntniß.
Willst du, o Herz! ein heitres Ziel erreichen,
Mußt du in eigner Angel schwebend ruh'n;
Ein Thor versucht zu geh'n in fremden Schuh'n,
Nur mit sich selbst kann sich der Mann vergleichen!
Ein Thor, der aus des Nachbars Bubenstreichen
Sich Trost nimmt für das eigne schwache Thun!
Der immer um sich späht und lauscht und nun
Sich seinen Werth bestimmt nach falschen Zeichen!
Thu' frei und offen, was du nicht kannst lassen,
Doch wandle streng auf selbstbeschränkten Wegen
Und lerne früh nur deine Fehler hassen!
Dann gehe mild den Anderen entgegen,
Kannst du dich selbst nur fest zusammenfassen!
So hängt an deine Schritte sich der Segen.
• 033 Ein Wanderer. I.
Am Morgen.
Geh' auf, o Sonn'! und öffne mir die weiten
Kristall'nen Thore dieser weiten Welt!
Mein Sinn ist auf den goldnen Ruhm gestellt,
Zu ihm sollst du mich unaufhaltsam leiten!
Nicht kann uns Hebe edlern Trank bereiten,
Der lieblicher uns in die Seele quellt
Und froher, als der Ruhm, die Adern schwellt
Und sichrer hilft den Abgrund überschreiten!
Der Frauen Gunst vermag er zuzuwenden
Und macht uns leicht dereinst das letzte Scheiden,
Da wir zur Hälfte nur das Dasein enden.
Er läutert reiner, als die Gluth der Leiden:
Wer wird, bekränzt, mit ungewasch'nen Händen,
Mit Lorbeer und mit Staub zugleich sich kleiden?
• 034 Ein Wanderer. II.
Am Abend.
«Seid mir gesegnet, meiner Heimath Gründe,
Die in des Niederganges Röthe strahlen!
Glimmt mir die Liebe noch in diesen Thalen,
An der sich neu mein kaltes Herz entzünde?
«Nun schließ' ich mit dir ewig feste Bünde!
Kann ich mit einem größern Ruhme prahlen,
Der Nachwelt schöner alle Schulden zahlen,
Als wenn ich deine Treue laut verkünde?
«Du wandelst still auf sonnenhellen Wegen
Mit eines Schirm's nicht dürft'gem Schritt, du Reine!
Nimm mit und führ' mich Lässigen und Trägen!
«Und meinen Kranz sollst im geheimsten Schreine
Zu abgelegtem Schmuck und Bändern legen,
Daß nimmer er vor Augen mir erscheine!»
• 035 Ein Wanderer. III.
Seht da den Vogel mit gerupften Schwingen,
Halb flattert er, halb hüpft er hin zum Neste,
Sich einzubau'n in eine Liebesveste,
Wohin kein rauhes Lüftchen mehr soll dringen!
Doch war er groß und mochte Ruhm erringen,
Ihm grünt' und blüht' der Lorbeer auf das Beste,
In seinen Schatten lud er stolz die Gäste
Und war so recht ein Thema zum Besingen.
Nur als den Zweig dem freien Feld er raubte,
Aus Luft und Sonne, d'rin er aufgeschossen,
Und sachte sich mit zu salviren glaubte:
Da war der Traum bald wie ein Schaum zerflossen,
Das Reis stand ab, das schon so grün belaubte –
Da geht er heim nun schläfrig und verdrossen.
• 036 Nach dem Sonderbundskriege, zu einem entworfenen, aber nicht ausgeführten Cyklus.
In tiefer Scham erglühen meine Wangen,
Da ich mit dieser Reime leerem Beten
Vor mein lebendig-kräft'ges Volk will treten,
Das eben kommt von That und Sieg gegangen!
Des Tambur's Schlägel, die im Wirbel sprangen,
Der rauhste Tagruf gellender Trompeten:
Sie gelten jetzo mehr, o ihr Propheten!
Als Alles, was wir stolz und eitel sangen.
Der letzte schlichte Wächter vor dem Heere,
Der, Gluth und Kraft im Herzen, hat getragen
In kalter Sternennacht die blanke Wehre,
Und Jeder, der nur Einen Streich geschlagen,
Ist nun ein König von lebend'ger Ehre! –
Was soll da unser Singen noch und Sagen?