Hüll' ein mich in die grünen Decken,
Mit deinem Säuseln lull' mich ein!
Bei guter Zeit magst du mich wecken
Mit deines Tages jungem Schein.
Ich hab' mich müd in dir ergangen,
Mein Aug' ist matt von deiner Pracht:
Nun ist mein einziges Verlangen,
Im Traum zu ruh'n, in deiner Nacht.
Des Kindesauges freudig Leuchten
Schon fingest du mit Blumen ein,
Und wollte junger Gram es feuchten,
Du scheuchtest ihn mit buntem Schein.
Ob wildes Hassen, maßlos Lieben
Mich zeither auch gefangen nahm:
Doch immer bin ich Kind geblieben,
Wenn ich zu dir in's Freie kam!
Geliebte! die mit ew'ger Treue
Und ew'ger Jugend mich erquickt,
Du einz'ge Lust, die ohne Reue
Und ohne Nachweh mich entzückt:
Sollt' ich dir jemals untreu werden,
Dich kalt vergessen, ohne Dank:
Dann ist mein Fall genaht auf Erden,
Mein Herz verdorben, oder krank!
O steh' mir immerdar im Rücken,
Bin ich im Feld mit meiner Zeit!
Mit deinen warmen Mutterblicken
Ruh' auf mir, auch im schärfsten Streit!
Und sollte mich mein Stündlein finden,
Schnell decke mich mit Rasen zu;
O selig Sterben und Verschwinden,
Zu neuem Kampf nach kurzer Ruh'!
So oft die Sonne aufersteht,
etsich mein Hoffen
Und bleibet, bis sie untergeht,
Wie eine Blume, offen;
Dann schlummert es ermattet,
Geduldig mit ihr ein:
Doch fröhlich wacht es wieder auf
Mit ihrem ersten Schein.
Das ist die Kraft, die nimmer stirbt
Und immer wieder streitet,
Das gute Blut, das nie verdirbt,
Geheimnißvoll verbreitet.
So lang noch Morgenwinde
Voran der Sonne wehn,
Wird nie der Freiheit Priesterschaar
In Nacht und Schlaf vergehn.
Fahre herauf, du kristallener Wagen,
Klingender Morgen, so frisch und so klar!
Seidene Wimpel, vom Oste getragen,
Flattre, du rosige Wölkleinschaar!
Siehe die Meere, sie schaukeln und branden,
Fröhlich die Brise von Morgenland weht,
Sühnend erfunkelt der Thau auf den Landen,
Weihbrunn zum heiligen Sonnengebet.
Tausendfach wollen die Blumen entriegeln
Aus ihrer Brust den gefangenen Gott;
Doch die vergoldeten Kreuze bespiegeln
Sich auf den Domen mit gleißendem Spott.
Singen nicht Lerchen dort hoch in den Lüften,
Schwenkend in freiem und freudigem Zug?
Nein, aber aufwärtsgeschwungen aus Grüften,
Sonnt sich ein kreischender Rabenflug.
Springt nicht ein Fischlein aus silberner Welle,
Das sich am lieblichen Lichte erfreut?
mit tückischer Schnelle
Seinen alltäglichen Raub nur erneut!
Fahre hinüber auf klingenden Speichen,
Glänzender Morgen! noch ist es nicht Zeit;
Rosige Wimpel, auch ihr mögt erbleichen –
Weh mir, schon weht ihr so blaß und so weit!
Fahr'! – Ein Josua träumet auf Erden,
Dem es gar ahnend in Ohren erklingt;
Auf springt er einst, in die Zügel den Pferden,
Welche zum Stehn der Gewaltige zwingt.
• 004 Morgen. III.
Nun, da diese alten Herr'n
Tief im Rausche sanken,
Oben auch von Stern zu Stern
Morgennebel wanken:
Rücken wir zusammen
Unter'm Gartenthor,
Jetzt in neue Flammen
Schlägt die Lust empor!
Daß der junge Sonnenball,
Rollt er auf den Hügeln,
Sich im funkelnden Kristall
Fröhlich kann bespiegeln:
Halten wir entgegen
Becher ihm und Glas;
Fließe, gold'ner Regen,
Glühe, Purpurnaß!
Jungfrau! geh' und sieh mir nach
Rings in allen Gärten,
Ob schon viele Rosen wach:
Bring' die Thauverklärten!
Rosen, Rosen bringe!
Rosenduft soll wehn!
Wenn ich trink' und singe,
Muß ich Blumen sehn!
Horch! der erste Amselschlag
Schallet aus den Gründen;
Treue Wächter soll der Tag
Freudig in uns finden.
Wer wird denn vermissen
Eine Erdennacht,
Wenn sie sangbeflissen,
Heiter durchgewacht?
Tief ist meiner Freude Born,
Tiefer als das Leiden:
Doch es wacht der rothe Zorn
Hell in ihnen Beiden.
Darum lasset rinnen
Letztes Glas und Lied:
Zornig uns von hinnen
Nun die Freude zieht!
In Gold und Purpur tief verhüllt
Willst du mit deiner Leuchte scheiden,
Und ich, noch ganz von dir erfüllt,
Soll, Sonne, dich nun plötzlich meiden?
Du hast mein Herz mit Lust entzündet:
Du allerschönste Königin;
Wenn mir dein Strahlenantlitz schwindet,
Ist nicht das Feuer todt und hin?
O reiche mir noch Einen Strahl,
Der labend, leuchtend auf mich falle,
Daß ich aus diesem Dämmerthal
An deiner Hand hinüber walle!
Ich will dein treuer Page bleiben,
Dein Spiegel, wie das blaue Meer,
Als Schäfer deine Lämmer treiben,
Die Morgenwolken, vor dir her.
Als leichte, leichte Wolke nur
Laß mich an deinem Hofe weilen,
Als deines Glanzes letzte Spur
Vor deinem Siegszug kündend eilen!
Ich präg' als Lehrer neue Lieder
Den Lerchen, deinen Kindern, ein –
Du willst mich nicht? Du tauchest nieder? –
Ich bin im Schatten, bin allein!
Verlassen, bang wend' ich mich ab,
Die Welt ist eine todte Kohle;
Was jüngst nur Klarheit widergab,
Stäubt, Asche, unter meiner Sohle. –
Doch schau: wie ich gen Osten kehre,
Taucht mir ein neues Wunder auf:
In rosig mildem Nebelmeere
Beginnt der Silbermond den Lauf.
Leis, magisch kommt der Riesenstern
Auf grünen Wipfeln hergegangen;
Er ist nicht kalt, er ist nicht fern,
Nein, warm und nah, wie zum Erlangen.
Ist er der Sonne Ährenleser,
Der nach verlornen Strahlen jagt?
Ist er der Sonne Reichsverweser,
Bis wieder sie im Osten tagt? –
Es ist auf Erden keine Nacht,
Die nicht noch ihren Schimmer hätte,
So groß ist keines Unglücks Macht,
Ein Blümlein hängt in seiner Kette!
Ist nur das Herz von rechtem Schlage,
So baut es sich ein Sternenhaus,
Und schafft die Nacht zu hellem Tage,
Wo sonst nur Asche, Schutt und Graus.
Es dämmert und dämmert den See herab:
«Die Wasser sind gar so dunkel;»
Doch wenn ob den Bergen der Blitzstrahl zuckt:
«Was ist das für ein Gefunkel!»
Dann thun dem Schiffer die Augen weh,
Er sputet sich ängstlich zu Lande,
Wo gaffend der Feierabend steht,
Am fahlerleuchteten Strande.
Die Leute freuen und fürchten sich
Und wünschen ein gutes Ende,
Und daß der Herr kein Hagelgericht
In ihren Krautgarten sende.
Jetzt zischt der Strahl in die laue Fluth,
Rings spannen sich feurige Ketten!
Der dumme Haufen ergreift die Flucht,
Sie verkriechen sich in die Betten.
Wenn Gott 'nen guten Gedanken hat,
Dann raunt man: «Es wetterleuchtet!»
Pass' auf, Gesindel, daß nicht einmal
Er in deine Wirthschaft dir leuchtet!
Im Glase blüht ein frischer Rosenstrauß –
Daneben webt ein Jünglingsleben aus;
In's Zimmer bricht der volle Abendglanz –
Welch schönes Bild in einen Todtentanz!
Von rothem Golde thaut das Sommerland,
Die Reb' am Fenster und die Kammerwand,
Der Todeskranke und sein Linnentuch –
Das schwarze Pfäfflein und sein schwarzes Buch.
Du armer Dunkelmann! was willst du hier?
Sieh, nicht einmal die Blumen horchen dir;
Nach Westen neigt sich alles insgesammt:
Die Sonne übt das heil'ge Todtenamt.
Wie abendschön das Haubt des Kranken glüht,
Daß kaum man ahnt, wie weiß der Tod da blüht!
Sein Nachtmahlkelch ist flüssig Sonnengold,
Wie trinkt er durstig diesen Liebessold.
Und scheidend winkt der letzte Sonnenstrahl,
Erkaltet und verglüht ist Berg und Thal,
Die Rosen sind geblieben frisch und roth,
Jedoch das Menschenkind ist bleich und todt.
Doch ehe noch die Rosen ausgeglüht,
Ist jene Blume schöner aufgeblüht –
Nimmst, Teufel! du mir dieses Glaubens Lust,
Nimm mir zuvor das Herz aus meiner Brust!
Nun bin ich untreu worden
Der Sonn' und ihrem Schein;
Die Nacht, die Nacht soll Dame
Nun meines Herzens sein.
Sie ist von düstrer Schönheit,
Hat bleiches Nornengesicht,
Reichfunkelnde Sternenkrone
Ihr dunkles Haupt umflicht.
Heut ist sie so beklommen,
Unruhig und voller Pein;
Sie denkt wol an ihre Jugend –
Das muß ein Gedächtniß sein!
Es streicht durch alle Thäler
Ein Stöhnen, so klagend und bang;
Wie Thränenbäche rieseln
Die Quellen vom Bergeshang.
Die schwarzen Fichten sausen
Und wiegen sich her und hin,
Und über die feuchte Haide
Verlorene Lichter fliehn.
Den Sternen bringt ein Ständchen
Das dumpfaufbrausende Meer:
Und über mir zieht ein Gewitter
Mit klingendem Spiele daher.
Es will sich vielleicht betäuben
Die Nacht den uralten Schmerz?
Es denkt an uralte Sünden
Vielleicht ihr reuiges Herz?
Ich möchte gern mit ihr plaudern,
Wie man mit dem Liebchen spricht:
Umsonst! in ihrem Grame
Sie siehet und hört mich nicht.
Ich möchte sie gern befragen,
Und werde doch immer gestört,
Ob sie vor meiner Geburt schon
Wol – meinen Namen gehört?
Sie ist eine alte Sibille
Und kennt sich selber kaum;
Sie und der Tod und wir Alle
Sind – Träume von einem Traum.
Ich will mich schlafen legen,
Ein Morgenwind schon zieht;
Ihr Trauerweiden am Kirchhof,
Summt mir ein Wiegenlied!
Ermattet von des Tages roher Pein,
Die nur auf Wiedersehen von mir schied,
ßich und schrieb bei meiner Lampe Schein,
Und schrieb ein wild und gottverläugnend Lied.
Doch draußen lag die klare Sommernacht,
Mild grüßt mein armes Licht der Mondenstrahl,
Und aller Sterne volle, goldne Pracht
Sieht hoch herab auf mich vom blauen Saal.
Am offnen Fenster blühen dunkle Nelken,
Vielleicht die letzte Nacht vor ihrem Welken.
Und wie ich schreib' an meinem Höllenpsalter,
Die süße Nacht im Zorne von mir weisend:
Da schwebt herein zu mir ein grauer Falter,
Mit blinder Hast um meine Lampe kreisend.
flatterte das Licht
Mit spitzer Flamme still und stät empor
Und zog, magnetisch magisches Gewicht,
Den leichten Vogel in sein Todesthor.
Ich schaute lang und in beklommner Ruh
Mit wunderlich neugierigen Gedanken
Des Falters unheilschwangerm Treiben zu.
Doch als, zu nah der Flamme schon, ihm sanken
Die Flügel, faßt' ich ihn mit schneller Hand,
Zu seiner Rettung innerlich gezwungen,
Und scheucht' ihn fort. Hinaus ins dunkle Land
Hat er auf raschem Fittig sich geschwungen.
– Ich aber hemmte meines Liedes Lauf
Und hob den Anfang, bis auf Weitres, auf.
Es wiegt die Nacht mit sternbesäten Schwingen
Sich auf der Südsee blauen Wassergärten,
Daraus zurück, wie Silberblümchen, springen
Die Sterne, die in tiefer Fluth verklärten.
Wie ein entschlummert Kind an Mutterbrüsten,
Ruht eine Insel selig in den Wogen:
So weich und weiß ist um die grünen Küsten
Die Brandung rings, ein Mutterarm, gezogen.
Die Insel schläft, doch Träume auf ihr gaukeln,
Wie blüht, wie flimmert, flüstert es so minnig!
Wie luftig sich Lianenkränze schaukeln!
Wie athmet der Orangenhain tiefinnig!
Ich wollt', es wär' mein Herz so dicht umflossen
Von einem Meer der Ruhe und der Klarheit,
Und drüberhin ein Himmel ausgegossen,
Deß einzig Sonnenlicht das Licht der Wahrheit!
Und schöne Menschen schlafen in den Büschen,
Wie Bildwerk in ein Blumentuch gewoben:
Was ein ermüdet Auge kann erfrischen,
Das hat ein Gott hier sorglich aufgehoben.
Hehr über Allem wallt ein frohes Ahnen,
Sein unbewußt und doch so alldurchdrungen, –
Der Blutlauf, der in unsichtbaren Bahnen
Dies reine Leben in den Gang geschwungen.
Ein Blitz – ein Krach! – die Meeresfläche zittert;
Braunwälzt der Rauch sich auf gekräustem Spiegel:
Ein Meeresdrache, der den Raub gewittert,
So naht es pfeilschnell mit gespreiztem Flügel!
Wach auf, wach auf, du stiller Meeresgarten,
Gieb deine Blüthe hin für – Glaskorallen!
Sieh, deines rosig frischen Fleisches warten,
Du schönes Volk, Europa's feine Krallen!
Die Anker rasseln, Flagg' und Segel sinken,
Wie schneidend schallt das Wort der fremden Ferne!
Bleigesichterlüstern blicken
Im fahlen Schein der trüben Schiffslaterne.
Zuvörderst aus des Schiffes schwarzen Wänden
Ragt, schwärzer, aus der giererfüllten Rotte
Der Christenpfaffe, schwingend in den Händen
Das blut'ge Kreuz mit dem gequälten Gotte.
Rauh geht der Nord, es dunkelt allerenden;
Jetzt eben, hinter jenen Wolkenwänden,
Dort muß die Sonne untergehn;
Dort ist es abendklar und goldenhelle,
Im einen seligrothen Glanz zu sehn!
Hier aber ist ein kaltes Weh'n und Brausen
In dunkler Luft die scheuen Wälder sausen,
Die Bäche toben durchs Gestein;
Dicht auf der Haide kühle Winde streichen,
Asketisch beugen sich die ernsten Eichen,
Die Nacht wankt finster in das Land herein.
Ich kenne kaum den Grund zu meinen Füßen;
ör' ich schon die Regenströme gießen,
Es weint das tiefverhüllte Land;
In meinem Herzen hallt die Klage wider,
Und es ergreift mich, wirft zum Staub mich nieder,
Und meine Thränen rinnen in den Sand.
O reiner Schmerz, der in den Höh'n gewittert,
Du heil'ges Weh, das durch die Tiefen zittert,
Ihr schließt auch mir die Augen auf!
Ihr habt zu mir das Zauberwort gesprochen
Und meinen Hochmuth, wie ein Rohr, gebrochen,
Und ungehemmt strömt meiner Thränen Lauf.
Du süßes Leid, hast ganz mich überwunden!
Welch' dunkle Lust, die ich noch nie empfunden,
Ist glühend in mir angefacht!
Wie reich bist, Muttererde! du zu nennen,
Ich glaubte deine Herrlichkeit zu kennen:
Nun erst schau' ich in deinen tiefsten Schacht.
Da leuchtet es in düsterm Strahlenkranze,
Da funkelt es von mildem Thränenglanze
Und tief der Wehmuth Gold erglüht!
Wie flimmern da der Sehnsucht blaue Kerzen
Und spiegeln sich in der Entsagung Erzen,
Ergebung in gewund'nen Adern blüht.
Gebrochner Stolz klagt wie in Grabesklängen,
Doch Demuth wacht in den geheimsten Gängen,
Als mildes Grubenlicht entbrannt;
Die oben nicht zum Leben Raum gefunden,
O was für Liebe schläft und träumt da unten,
Friert endlich ein zu hartem Diamant!
Und leise schallen hör' ich ferne Tritte,
Es naht sich mir mit leichtbeschwingtem Schritte
Durch die geheim erhellte Nacht;
Weiß, wie entstiegen einem frischen Grabe,
So wandelt her ein schöner, schlanker Knabe,
Einsamer Bergmann in dem stillen Schacht.
Willkommen, Tod! dir will ich mich vertrauen,
Laß mich in deine treuen Augen schauen,
Zum ersten Male fest und klar!
Wie wenn man einen neuen Freund gefunden,
Kaum noch von der Verlassenheit umwunden,
So wird mein Herz der Qual und Sorge baar.
Tief schau ich dir ins Aug', das sternenklare,
Wie stehn dir gut die feuchten, schwarzen Haare,
Wie weiß ist deine kühle Hand!
O lege sie in meine warmen Hände,
Dein heil'ges Antlitz zu mir nieder wende!
Wohl mir, ich habe endlich dich erkannt!
Ob mir auch noch beglückte Stunden schlagen,
Ich will dich heimlich tief im Herzen tragen;
Und wo mich einst dein Ruf ereilt:
Im Blüthenfeld, im flittervollen Saale,
Auf stillem Bett, im schlachterfüllten Thale,
Ich folge dir getrost und unverweilt.
So wachet auf, ihr hellen Morgenlieder!
Ich aber leg' mir um die Stirne wieder
Des Stolzes unfruchtbaren Kranz.
Der Welt mit Weltsinn nun entgegengehen
Das will ich; aber innen, ungesehen,
Blüht Todesdemuth mit geheimem Glanz.
Willkommen, klare Sommernacht,
Die auf thautrunknen Fluren liegt!
Gegrüßt mir, hehre Sternenpracht,
Die spielend sich im Weltraum wiegt!
Das Urgebirge um mich her
Ist schweigend, wie ein Nachtgebet:
Weit hinter ihm hör' ich das Meer,
Im Geist, und wie die Brandung geht.
Ich höre einen Flötenton,
Den mir der Wind von Westen bringt,
Indeß herauf im Osten schon
Die Ahnung, wie vom Tage, dringt.
Ich sinne, wo in weiter Welt
Jetzt sterben mag ein Menschenkind –
Und ob vielleicht den Einzug hält
Das längst ersehnte Heldenkind.
Doch wie auf blüh'ndem Erdenthal
Ein unermeßlich Schweigen ruht:
Ich fühle mich so leicht zumal
Und, wie die Welt, so still und gut.
Der letzte, leise Schmerz und Spott
Verschwindet aus des Herzens Grund:
Es ist, als thät' der alte Gott
Mir endlich seinen Namen kund.
• 013 Nacht. VI.
Wende dich, du kleiner Stern,
Erde! wo ich lebe,
Daß mein Aug', der Sonne fern,
Sternenwärts sich hebe.
Heilig ist die Sternenzeit,
Oeffnet alle Grüfte,
Strahlende Unsterblichkeit
Wandelt durch die Lüfte.
Mag die Sonne nun bislang
Andern Zonen scheinen!
Hier fühl' ich Zusammenhang
Mit dem All' und Einen.
Hohe Lust! im dunkeln Thal,
Selber ungesehen,
Durch den majestät'schen Saal
Athmend mitzugehen.
Schwinge dich, o grünes Rund,
In die Morgenröthe!
Scheidend rückwärts singt mein Mund
Jubelnde Gebete.
Lieblich diese Sonne lacht
Und der Tag wird heiter:
Doch, wer nächtlich einsam wacht,
Kennt – noch etwas weiter.
• 014 Frühling. I.
Berghinan vom kühlen Grund
Durch den Wald zum Felsenknauf
Haucht des Frühlings leiser Mund,
Tausend Augen thun sich auf.
Sachte zittert Reis an Reis,
Langt hinaus, noch halb im Traum,
herumim Kreis
Für drei grüne Blättlein Raum.
Doch mit lautem Wellensang
Weckt der Bach die Waldesruh':
Mitten drin, am jähen Hang,
Schläft ein Trumm von Nagelfluh;
Das einst hoch, am Silberquell,
In des Berges Krone lag,
Nieder führt' an diese Stell'
Es ein solcher Frühlingstag:
Wo es hundert Jahre blieb
Hangen an der Eschenwurz;
Heute reißt der junge Trieb
Weiter es im Wellensturz!
Donnernd springt's von Stein zu Stein,
Trunken von der wilden Fluth,
Bis es dort am Wiesenrain
Schwindelnd unter Blumen ruht.
Du versteinte Herrlichkeit!
O wie tanzest du so schwer
Mit der tollen Frühlingszeit –
Hinter dir kein Rückweg mehr!
Es wandert eine schöne Sage,
Wie Veilchenduft, auf Erden um,
Wie sehnsuchtsvolle Liebesklage
In lauer Frühlingsnacht herum.
Das ist das Lied vom Völkerfrieden
Und von dem letzten Menschenglück,
Von goldner Zeit, die einst hienieden
In ew'ger Klarheit kehrt zurück;
Wo einig alle Völker beten
Zum Einen König, Gott und Hirt:
Von jenem Tag, wo den Propheten
Ihr ehern Recht gesprochen wird.
Dann wird's nur Eine Schmach noch geben,
ünde auf der Welt,
Das ist: das neid'ge Widerstreben,
Das es für Traum und Wahnsinn hält.
Wer jene Hoffnung gab verloren,
Und böslich sie veloren gab:
Er wäre besser ungeboren
Und ihm gebührt kein Menschengrab.
Der Lenz ist da, die Lauine fällt,
Sie rollt mit Brausen und Tosen ins Thal:
Ich hab' mein Hüttlein daneben gestellt
Auf grünende Matt' am sonnigen Strahl.
Und ob auch mein Hüttlein die Lauine trifft
ührt in donnerndem Lauf:
Wenn wieder trocken die Alpentrift,
So bau' ich mir singend ein neues auf.
Doch wenn in meines Landes Bann
Die verödende Laue der Knechtschaft fällt:
Dann zünd' ich selber mein Hüttchen an
Und ziehe hinaus in die weite Welt!
Denn lieber gepeitscht in Sibirien sein,
Als Herrenknecht in dem Vaterland!
Viel lieber mit Türken Allah schrein
Als in Zwingli's Volk Jesuiten-Trabant!
Das ist doch eine üppige Zeit,
Wo Alles so schweigend blüht und glüht,
Wo des Sommers stolzirende Herrlichkeit
Langsam durch die schwelgenden Lande zieht.
Das Himmelblau und der Sonnenschein,
Die zehren und trinken mich gänzlich auf!
Ich welke dahin in üppiger Pein,
Im Blumenmeer versiegt mein Lauf.
Die Schnitter so stumm an der Arbeit stehn,
Nachdenklich und lahm auf brennender Au;
Ich hör' ein heimliches Dröhnen gehn
Fern in des Gebirges dämmerndem Blau.
Wie sehn' ich mich nach Gewitternacht,
Nach Sturm und Regen und Donnerschlag –
Nach einer tüchtigen Freiheitsschlacht,
Nach einem entscheidenden Völkertag!
Es deckt der weiche Buchenschlag,
Gleich einem grünen Sammtgewand,
So weit mein Auge reichen mag,
Das hügelübergoss'ne Land.
Und sachte streicht darüber hin
Mit linder Hand ein leiser West,
Der Himmel hoch mit stillem Glüh'n
Sein blaues Aug' drauf ruhen läßt.
Mir ist: ich trag' ein grünes Kleid
Von Sammet, und die weiche Hand
Von einer schweigsam stillen Maid
Streicht es mit ordnendem Verstand.
Wie sie so freundlich sich bemüht,
Trag' ich die leichte Unruh' gern,
Indeß sie mir in's Auge sieht
Mit ihres Auges blauem Stern.
Uns Beiden ist, dem Land und mir,
So innerlich, von Grund aus, wohl –
Doch schau', was schleicht im Feldweg hier,
Den Blick so scheu, die Wange hohl?
Ein Heimathloser sputet sich
Waldeinwärts durch den grünen Plan –
Das Menschenelend krabbelt mich
Wie eine schwarze Erdspinn' an!
•• 019 Sommer. III.
Im Wald. 1.
Arm in Arm und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen,
Heut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen.
Fern am Rand fing eine junge Eiche an sich sacht zu wiegen,
Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen;
Kam es her in mächt'gem Zuge, schwoll es an zu breiten Wogen,
Hoch sich durch die Wipfel wälzend kam die Sturmesfluth gezogen.
Und nun sang und pfiff es graulich in den Kronen, in den Lüften,
Und dazwischen knarrt' und dröhnt' es unten in den Wurzelgrüften.
Manchmal schwang die höchste Eiche gellend ihren Schaft alleine:
Donnernder erscholl nur immer drauf der Chor vom ganzen Haine!
Einer wilden Meeresbrandung hat das schöne Spiel geglichen,
Alles Laub war, weißlich schimmernd, starr nach Süden hingestrichen.
Also streicht die alte Geige Pan der Alte, laut und leise,
Unterrichtend seine Wälder in der alten Weltenweise.
In den sieben Tönen schweift er unerschöpflich auf und nieder,
In den sieben alten Tönen, die umfassen alle Lieder.
Und es lauschen still die jungen Dichter und die jungen Finken,
Kauernd in den dunklen Büschen sie die Melodieen trinken.
•• 020 Sommer. IV.
Im Wald. 2.
Aber auch den Föhrenwald
Laß ich mir nicht schelten,
Wenn mein Jauchzen widerhallt
In dem sonnerhellten!
Heiter ist's und aufgeräumt,
Und das Weh'n der Föhren,
Wenn die Luft in ihnen träumt,
Angenehm zu hören!
Reichen Königskindern gleich
Steh'n sie da im Bunde;
Jedes erbt sein Königreich
In dem grünen Grunde.
Aber oben eng verwebt,
Eine Bürgerkrone
Die Genossenschaft erhebt
Stolz zum Sonnenthrone.
Schmach und Gram umfängt sie nie,
Nimmer Lebensreue;
Schnell und muthig wachsen sie
In des Himmels Bläue.
Wenn ein Stamm im Sturme bricht
Halten ihn die Brüder,
Und er sinkt zur Erde nicht,
Schwebend hängt er nieder.
In den Stämmen oft ein Laut
Hallet einsam wider;
Ueppig, wie das Farrenkraut,
Wachsen mir die Lieder!
Wie ein Quell versiegt der Schmerz,
Schwindet jede Grille;
Großen Unfug treibt mein Herz
In der Föhrenstille.
Weihrauchwolken ein und aus
Durch die Räume wallen –
Bin ich in ein Gotteshaus
Etwa eingefallen?
Doch der Unsichtbare läßt
Lächelnd es geschehen,
Wenn mein wildes Kirchenfest
Ich hier will begehen.
•• 021 Sommer. V.
Am Wasser. 1.
Hell im Silberschaume flimmernd,
Zieht und singt des Baches Welle:
Goldengrün und tiefblau schimmernd,
Küßt sie flüchtig die Libelle;
Und ein Drittes kommt dazu,
Eine Blüthe hergeschwommen:
Alle haben drauf im Nu
Heitern Abschied schon genommen.
Und die Esche beugt sich drüber,
Schaut in Ruh das holde Treiben,
Denkt: Ihr Lieben, zieht vorüber!
Ich will grünen hier und bleiben.
Und Ich unter'm Eschenbaum:
Was soll denn mit mir geschehen?
In dem reizend leichten Traum,
Soll ich bleiben? Soll ich gehen?
•• 022 Sommer. VI.
Am Wasser. 2.
Ich liege beschaulich
An klingender Quelle
Und senke vertraulich
Den Blick in die Welle;
Ich such' in den Schäumen,
Weiß selbst nicht, wonach?
Verschollenes Träumen
Wird in mir wach.
Da kommt es gefahren
Mit lächelndem Munde,
Vorüber im klaren
Kristallenen Grunde,
Das alte, vertraute,
Das Weltangesicht!
Sein Aug' auf mich schaute
Mit tiefblauem Licht.
Wohin ist's geschwommen
Im Wellengewimmel?
Woher ist's gekommen?
Vom blauenden Himmel!
Denn als ich in's Weben
Der Wolken gesehn:
Da sah ich noch eben
Es dort vergehn.
Ich seh' es fast immer,
Wenn's windstill und heiter,
Und stets macht sein Schimmer
Die Brust mir dann weiter.
Doch wenn sein Begegnen
Der Seele Bedarf,
Wird selbst es im Regnen
Mir deutlich und scharf!
•• 023 Sommer. VII.
Am Wasser. 3.
Ein Fischlein steht im kühlen Grund,
Durchsichtig fließen die Wogen,
Und senkrecht ob ihm hat sein Rund
Ein schwebender Falk gezogen.
Der ist so klein und fern zu sehn,
Ein Punkt im blauen Dome;
Er sieht das Fischlein ruhig stehn,
Glänzend im tiefen Strome.
Und dieses auch hinwieder sieht
In's Blaue durch seine Welle –
Ich glaube gar, die Sehnsucht zieht
Ein's an des Andern Stelle!
Wenn man so frei, so kühl, so hoch,
Wie ein Fisch oder Falk kann schweben:
Dann ist am End' dies Sehnen noch
Der beste Theil am Leben.
Doch wer mit lahm gebog'nem Knie
Wie ein Wurm im Staub muß liegen,
Der zähme seine Phantasie,
Lern' schwimmen erst, oder fliegen!
•• 024 Sommer. VIII.
Am Wasser. 4.
A. Dissonanz.
Sah ich eine junge Welle,
Die durch Alpenrosen floß
Und sich rauschend mit der Quelle,
Lebensfroh in's Thal ergoß.
Schien der Himmel drin versunken
Und war doch so leicht und klar,
Und ich hab' davon getrunken,
Wie so frisch und rein sie war!
Bin dann auf dem Meer gelegen,
Wo das Kreuz am Himmel steht;
Nicht konnt' unser Schiff sich regen,
Windstill war's, kein Lüftlein weht'!
Schaut' ich in die Wasser nieder,
In die Tiefen unverwandt
Und sah meine Welle wieder
Aus den Bergen, wohlbekannt.
Von dem heißen Strahl durchzittert,
Ja, es war sie, deutlich, nah!
Doch versalzen und verbittert,
Still und muthlos lag sie da. – –
G.
K.
025 B. Auflösung.
Von einer Quelle singt ein Sänger,
Die aus des starren Gletschers Hand,
Ein wohlgemuther Hochlandsgänger,
«Durch Alpenrosen» hin sich wand.
Er sang begeistert ihre Ehre,
Erquickt von ihrem klaren Trank;
Er folgt' ihr treu, bis wo im Meere
Die Welle seinem Blick versank.
Da ward der Wandrer Wasserreiter,
Ein rasches Meerroß stand im Port,
Er schwang sich auf: es trug ihn weiter
Und ohne Rast nach Süd und Nord.
Doch einst, als Wind und Woge schliefen,
Daß kaum den Kiel ein Schäumchen leckt,
Hat, späh'nd in die krystallnen Tiefen,
Der Sänger – seine Quell' entdeckt!
Leicht kannt' er seine Hippokrene –
Blieb sie doch stets ihm fern und nah –;
Doch muthlos, eine große Thräne,
«Versalzt, verbittert, lag sie da.»
– Doch mehr noch weiß ich von der Welle:
Aus ihrem meerestiefen Schmerz
Rang sie sich auf zur Tageshelle
Und flog als Nebel himmelwärts.
Noch war in ihre Trauerschleier
Die Tiefbetrübte tief verhüllt:
Bis Morgenroth als junger Freier
Mit Lebensblut die Wang' ihr füllt.
Dort, unerreicht von Erdenschwüle,
Des Erdengrams kaum noch bewußt,
Trank in des Sternenthaues Kühle
Alltäglich sie der Liebe Lust.
Doch heiß und heißer ward's auf Erden,
Schon dörrt der Sommer Gras und Laub,
Die Armuth sieht mit Gramgebärden
Stumm ihrer Hoffnungshalme Raub.
Da schmilzt der Wolke Lust, im Sehnen,
Zu löschen dieses Jammers Brand:
Sie sinkt, gelöst in Seegensthränen,
Still - auf des ärmsten Mannes Land.
A.
A. L. F.
• 026 Sommer. IX.
Regen-Sommer.
Nasser Staub auf allen Wegen!
Jede Distel hängt voll Regen
Und der Bach schreit, wie ein Kind!
Nirgends blüht ein Regenbogen,
Ach! die Sonn' ist weggezogen
Und der Himmel taub und blind!
Traurig ruhn des Waldes Lieder,
Alle Saat liegt siech darnieder,
Fröstelnd schläft der Wachtel Brut.
Jahreshoffnung – fahler Schimmer!
Mit den Menschen steht's noch schlimmer:
Kalt und fühllos schleicht ihr Blut!
Krankes Weib am Ackersteine
Mit dem Säugling, weine! weine
Trostlos, oder hoffnungsvoll:
Nicht im Feld und auf den Bäumen –
In den Herzen muß es keimen,
Wenn es besser werden soll!
Fleh' zu Gott, der grüne Saaten
Und das Menschenherz berathen,
Bete heiß und immerdar:
Daß er, unsre Noth zu wenden,
Wolle Licht und Wärme senden
Und – ein gutes Menschenjahr!
Im Herbst, wenn sich der Wald entlaubt,
Nachdenklich wird und schweigend,
Mit Reif bestreut sein dunkles Haubt,
Fromm sich dem Sturme neigend:
Da geht das Dichterjahr zu End',
Da wird mir ernst zu Muthe,
Im Herbst nehm' ich das Sakrament
In jungem Traubenblute.
Da bin ich stets beim Abendroth
Allein im Feld zu finden,
Da denk' ich fleißig an den Tod
Und auch an meine Sünden.
Ich richte mir den Beichtstuhl ein
Auf ödem Haidenplatze,
Der Mond, der muß mein Pfaffe sein
Mit seiner Silberglatze.
Und wenn er grämlich zögern will,
Der Last mich zu entheben,
Dann ruf' ich: «Alter, schweig' nur still!
Es ist mir schon vergeben.
Ich habe heimlich mit dem Tod
Ein Wörtlein schon gesprochen!»
Dann wird mein Pfaff' vor Aerger roth
Und hat sich bald verkrochen.
• 028 Herbst. II.
Im Herbst erblichen liegt das Land
Und durch die dichten Nebel bricht
Ein blasser Strahl vom Waldesrand,
Den Mond doch selber sieht man nicht.
Doch schau! der Reif wird Blüthenstaub,
Ein Myrthenhain der Tannenwald,
Das falbe, halberstorbne Laub
In bunten Blumenwogen wallt.
Welch Traumbild durch das Herbstgrau lacht?
Ist's Frühlingstraum vom neuen Jahr? –
Die Freiheit wandelt durch die Nacht
Mit wallend aufgelöstem Haar!
Und wandelnd späht sie rings und lauscht,
Die bleiche, hohe Königin;
Und ihre Purpurschleppe rauscht
Leis über dunkle Gräber hin.
Sie hat gar eine reiche Saat
Verborgen in der Erde Schooß:
Sie forscht, ob die und jene That
Nicht schon in zarte Keime sproß.
Sie drückt ein Schwert an ihre Brust,
Esblinkt in weißem Dämmerlicht:
Sie bricht in wehmuthvoller Lust
Manch blutiges Vergißmeinnicht.
– Es ist auf Erden keine Stadt,
Es ist kein Dorf, deß stille Huth
Nicht einen alten Kirchhof hat,
Darin ein Freiheits-Märtrer ruht.
•• 029 Herbst. III.
Sonntagsjäger.
Es lässet sich mit aller Kraft
Ein Horn im Walde hören;
Ich krieg' ein altes Rohr beim Schaft
Und schlendre in die Föhren.
Der Wald, der macht mir vielen Spaß,
Er flunkert in der Sonnen;
Der Reif hat, wie mit Jungfernglas,
Die Nadeln übersponnen.
Da hüpft ein junger Haas daher
Und spielt vor mir im Grase:
Ich brenne, wie von ungefähr,
Mein Schrot ihm auf die Nase.
Es ist, als schrie' er: «Gott vergelt's!»
Mit kläglicher Geberde;
Sein rothes Blütlein färbt den Pelz
Und macht sich in die Erde.
Was stierst du so, du Haidekind,
Im Sterben immer dümmer?
Ich bin halt, wie die Andern sind,
Nicht besser und nicht schlimmer!
Und als das Häslein ausgeschnappt,
Hab' ich es heimgetragen;
Doch hab' ich schon genug gehabt
Von «Waidmann's Heil» und Jagen!
Wo ist der schöne Blumenflor,
Den wir so treu gehegt?
Vom Hoffen und vom Grünen sind
Herz, Garten, rein gefegt!
Und, wie in Einer Nacht ergraut
Ein unglückselig Haubt,
Hat sich heut' Nacht mein Vaterland
Geschüttelt und entlaubt!
Der Rhein entführt in's Niederland
Die welke Sommerlust,
Läßt kahl und fahl die Felder uns,
Den Frost in unsrer Brust.
Die Silberfirnen hüllen sich
In dunkle Nebel ein;
Doch bald wird jeder Kehricht nun
Ein blanker Schneeberg sein!
Und Alles wird so klein, so nah,
So dumpf und eingezwängt;
Wie drückend dicht ob unserm Haubt
Der graue Himmel hängt!
Auf jedem Kreuzweg sitzt ein Feind –
Es ist ein harter Stand:
Mit Schurken athmen gleiche Luft
Im engen Vaterland!
Es ist ein stiller Regentag,
So weich, so ernst und doch so klar,
Wo durch den Dämmer brechen mag
Die Sonne weiß und sonderbar.
Ein wunderliches Zwielicht spielt
Beschaulich über Berg und Thal;
Natur, halb warm und halb verkühlt,
Sie lächelt noch und weint zumal.
Die Hoffnung, das Verlorensein,
Sind, gleicher Stärke, in mir wach;
Die Lebenslust, die Todespein
Sie ziehn auf meinem Herzen Schach.
Ich aber, mein bewußtes Ich
Späht mit des Feldherrnauges Ruh:
Und meine Seele rüstet sich
Zum Kampfe mit dem Schicksal zu.
Wie zieht das finster thürmende
Gewölk so kalt und schwer!
Wie jagt der Wind, der stürmende,
Das Schneegestöber her!
Wo sonst die Venus funkelte,
Ist es nun grau und todt;
Ich denk' mir in's verdunkelte
Westland das Abendroth.
Verschwunden ist die blühende
Und grüne Weltgestalt;
Es eilt der Fuß, der fliehende,
Durch's Schneefeld, naß und kalt.
Wohl dem, der nun zufrieden ist
Und innerlich sich kennt!
Dem warm ein Herz beschieden ist,
Das heimlich loh't und brennt!
Wo, traulich sich dran schmiegend, es
Die stille Seele schürt,
Ein sprudelnd, nie versiegendes
Gedankensüpplein rührt.
Verschlossen und dunkel ist um und um
Mein winterlich Herze zu schauen:
Doch innen da ist es erleuchtet und hell,
Da dehnen sich grünende Auen.
Da stell' ich den Frühling im Kleinen auf
Mit Rosengärten und Bronnen,
Da spann' ich ein liebliches Himmelszelt,
Mit Regenbogen und Sonnen.
Da zünd' ich Morgen- und Abendroth
Und lasse die Nachtigall schlagen,
Da lass' ich blühende Jungfräulein
Meergrüne Gewänder tragen.
Dann ändr' ich die Scene, dann lass' ich mit Macht
Den gewaltigen Sommer erglühen,
Ich lasse die Schnitter auf Garben ruhn
Und blutrothe Mohnfelder blühen.
Dann plötzlich durchzuck' ich mit Wetterschein
Mein Herz und füll' es mit Stürmen,
Lass' Schiff und Mannschaft zu Grunde gehn,
Dann «Feuer» an Bergen und Thürmen!
Hei! Revolution und Mordgeschrei
Mit Galgen und Guillotinen,
Geköpfte Könige, wahnsinnig Volk,
Konvente und Höllenmaschinen!
Nun ist mein Busen der Greveplatz,
Voll Pöbels und blutiger Leichen:
Ich sehe mich selber im dicksten Gewühl
Entsetzt und todtblaß schleichen.
Der Draht ist gebrochen an meiner Figur,
Ich kann nicht mehr mich entziehen!
Es wird mir so bang – ich lasse das Bild
Mit all den Gespenstern entfliehen –
Wenn Alles erstorben und todtstill ist,
Dann trag' ich mich selber zu Grabe,
Und steck' ein schwarzes Kreuzchen darauf,
Das ich selber geschnitzelt habe.
So spiel' ich des langen Winters Traum:
Doch wenn die Maiblumen sprossen,
Zerbrech' ich das gläserne Puppenspiel
Und – mache den Dichter im Großen!
• 034 Winter. III.
Der Winter ist eine ehrliche Haut,
Ein alter Poltrian;
Wie zornig er mir in's Auge schaut,
Blick' ich ihn wiederum an!
Sein Blut ist kühl und starr, wie Eis,
Doch nie seine Treue wankt;
Wie oft hab' ich mich nächtlicher Weis'
Mit ihm herum gezankt!
Da rüttelt er mir am Gartenthor
Und stampft auf den Beeten herum;
Er schimpft mich einen sanguinischen Thor,
Leichtgläubig und herzlich dumm!
Viel Hoffnungen zieh' ich in Scherben auf
Am kalten Sternenschein:
Da ist er besonders versessen drauf
Und stürmt auf sie herein.
Ich balge mich immer, so gut ich kann,
Um jedes grüne Reis:
Er aber entrupft sie, der harte Mann,
Den Scherben büschelweis!
Doch die mir der Alte stehen läßt,
Die sind erprobt und gefeit:
Die sind gewurzelt und winterfest,
Die sind der Erfüllung geweiht.