Justina Rodenberg (1837-1923) |
Gattin von Ferdinand Julius Rodenberg, mit Keller befreundet seit Kellers Berlin Aufenthalt 1850-55
Anzahl registrierte Briefe: 5 an, 3 von Keller (5 ZB Zürich)
<ZB: Ms. GK 79f1 Nr. 90>
Berlin, W.
Margarethenstr. 1
21 März 1878.
Sehr verehrter Herr!
Ich habe in diesen Tagen Ihr "Fähnlein der sieben Aufrechten" gelesen und eine solche Handvoll reine Schweizerluft
dabei geathmet, daß ich Ihnen aufrichtig für diese Wohlthat danken muß. Sie auf Ihrer reinen Höhe,
mit dem blauen See unter Ihnen, den schneeigen Gipfeln vor Ihnen und dem edlen Weben und Schaffen in Ihnen, können
sich wohl kaum einen Begriff davon machen wie demjenigen zu Muthe ist | der aus dem wüsten, unruhvollen und
wahrheitsleeren Modetreiben der Welt heraus, plötzlich einen Blick thut in Ihre Welt, in das echte
und rechte Gemüthsleben gesunder Gestalten, die sich natürlich geben, weil sie natürlich sind, welche
Poesie athmen, weil ihnen Poesie eingehaucht worden. Ob man mit den braven Sieben an der Wirthstafel sitzt, ob
man mit dem Liebespaar auf dem See fährt, ob man über die tolle Komik in der Kaserne lacht, - oder über
den tiefen Sinn der improvisirten Rede des prächtigen Schneidersohn ernstlich nachdenkt - immer fühlt
man | die Nähe des Poeten und labt sich daran. - Verzeihen Sie mir, daß ich so viel Worte gesagt; ich
konnte das, was ich empfunden nicht kürzer wiedergeben, und Ihnen so viel zu sagen war mir Bedürfniß.
Auf Ihre Gedichte freue ich mich; möchte nur bald darauf auch eine Novelle folgen!
Mit dem Ausdruck aufrichtigster Verehrung
Ihre ergebene
Justina Rodenberg
<ZB: Ms. GK 79f1 Nr. 98; unveröffentlicht>
Berlin, W.
Margarethenstr. 1.
15 October
1878.
Mein verehrtester Herr Doctor!
Bei einer unserer gemüthlichen Abendsitzungen in der "Meise" äußerten Sie sich einmal verwundert
darüber, daß ich als Frau eines Schriftstellers so ruhig über andere Schriftsteller reden ließe.
Werden Sie sich nun abermals wundern und zwar in entgegengesetzter Richtung, wenn ich es bin, die Ihnen den neuen
Roman meines Mannes übergiebt? Ich habe mir | aber diese Vergünstigung ausgebeten, weil mir dies Werk
durch seine lange und ernste Entstehungsgeschichte besonders ans Herz gewachsen ist und weil ich es aus eben diesem
Grunde am liebsten selbst in die Hände eines Mannes lege, den ich als Dichter und Künstler ebenso liebe
und verehre, wie ich mich zu ihm als Menschen hingezogen fühle. Aus Ihrem Munde einmal zu hören, daß
in dem Buche Gutes enthalten ist, daß es Ihnen einige Freude bereitet hat, würde mich geradezu beglücken,
| denn ich weiß was Ihr Urtheil bedeutet. Verzeihen Sie daß ich Ihnen dies so offen bekenne und erlauben
Sie, daß ich den Eindruck meiner Dreistigkeit durch Einsendung beifolgender Correctur mildere die ich meinem
Mann eigentlich entwende, damit Sie ein paar Wochen früher die Freude haben sollen die geist- und anmuthvolle
Kritik zu lesen, die für das Novemberheft der Rundschau bestimmt ist. Von den vielen Druckfehlern müssen
Sie freilich absehen. Daß sie im Druck nicht | stehen bleiben, dafür wird Professor Scherer sicher gewissenhaft sorgen. - Nur die
Erinnerung an Ihre Freundlichkeit während unseres schönen Zusammenseins hat mir den Muth verliehen diese
Zeilen zu schreiben. Nehmen Sie dieselben nachsichtig auf und indem ich die herzlichsten Grüße meines
Mannes beifüge, bin ich mit dem Audrucke aufrichtigster Verehrung
Ihre ergebene
Justina Rodenberg
<GSA 81/VI, 7, 11; GB 3.2, S. 363>
Zürich 14 Nov 1878.
Hochverehrte Frau!
Mit drei Herzkammern danke ich Ihnen für Ihre reiche Gabe vom 15t.
Octobris, für den gütigen Brief, mit welchem Sie meine Eitelkeit so freundlich einbalsamiren,
für den Roman und für die Scherer'sche Recension.
Den Roman habe ich in Einem Zuge ausgeschlürft und mich anderthalb Tage daran geletzt. Ich gratulire dem Herren Julius, Ihrem Rodenberger, von ganzem Herzen zu der tüchtigen und reifen Arbeit, die als Familiengeschichte, als historischer Roman und als Zeitbild überall gleich typisch ist. | Als ein Hauptkriterium möchte ich die Gestalt der Helene betrachten; sie ist eine wahre Allegorie des elsäßisch-französischen Wesens von 1870 und nachher und doch voll individuellsten Lebens, so daß sie zur ganzen tragischen Wirkung kommt.
Sie können sich denken, wie ich mit all' den Menschen in Berlin herumspaziert bin und den Sonnenschein über den Spreewäldern mit genossen habe und mich überdies freute, keinen Gründern u Hallunken zu begegnen, da ja Herr Bestvater der Schlimmste ist. Alle Berechtigung u Wohlthat Juvenal'scher Werke in Ehren gehalten, ist es mir poetisch doch | nur ganz behaglich, wo es menschlich aber ehrlich hergeht in solchen Hervorbringungen, und ich sehe nicht ein, warum ich immer mit dem Gesichte eines Polizeicommissärs dasitzen soll, wenn ich einen Roman lese.
Ihre Gelassenheit aber, verehrteste Frau Doctorin, mit welcher Sie über die Andern vom Metier sprechen hören, ist mir erklärlich durch die innere Gelassenheit, mit welcher der Herr Gemahl seine Geschicke austheilt, wenn er schreibt. Das ist auch eine Muse, welche Manchem fehlt.
Herr Professor Scherer hat mich auch herrlich einbalsamirt und vor der Welt geehrt; wenn er | nur überall so recht hätte, wie bei dem Hadlaub, dessen Unfertigkeit mir leider schon lange bekannt ist. Ich verspreche aber dem freundlichen Gönner und Gelehrten, zunächst nicht so bald wieder eine Schulstudie vorzunehmen, über welcher die Hauptsache verdunstet.
Hoffentlich sind Sie nun im vollen Zuge eines warmen und vergnügten Winterlebens, wozu ich der ganzen kleinen Familie alles Gute wünsche, Fleiß, Appetit und Lebenslust. Amen!
Mit Verehrung u Ergebenheit
Ihr
G. Keller
<ZB: Ms. GK 79f1 Nr. 99; unveröffentlicht>
Berlin, W.
Margarethenstr. 1.
22 November 1878
Verehrtester Herr!
Sie haben mir durch Ihren Brief eine solche Herzensfreude gemacht, daß ich, selbst auf die Gefahr hin Ihnen
damit lästig zu fallen, Ihnen doch warm und aufrichtig dafür danken muß. Die neuste Arbeit meines
Mannes hat für mich und sicher auch für ihn durch Ihre Sanktion diejenige Weihe erhalten die er erstrebt
und ich erträumt habe, und mir ist's, seitdem ich Ihre Worte | gelesen, als ob dieselben in Lapidarschrift
dem Werke eingegraben wären.
Aber das was Sie so hochherzig einem Fremden sagen weckt uns das Verlangen wieder etwas Neues von Ihnen zu lesen, und wir Alle (ich meine damit das ganze Publikum) wünschen sehnlichst, daß Sie uns wieder eine Novelle bescheeren. Wie oft denken wir noch an den Abend am Zürichersee zurück, da Sie uns zuerst von Ihren literarischen Plänen sprachen und uns so lebendig den Rahmen vorführten der nur des Bildes | harrt, das Sie hineinmalen werden um als vollendetes Werk Ihre zahllosen Verehrer zu erfreuen.
Mein Mann grüßt heute durch mich und sagt Ihnen wohl einmal selbst Alles das was er Ihnen zu sagen wünscht. Mir aber erlauben Sie daß ich Sie meiner aufrichtigen Verehrung versichere, mit der ich bin Ihre
dankbar ergebene
Justina Rodenberg
<GSA 81/VI, 7, 11; GB 3.2, S. 387>
Zürich 9 April 1881.
Höchstverehrte Frau Doktorin!
Neben der Dankespflicht, welche ich für Ihre gütig freundlichen Zeilen vom 28 Januar endlich zu erfüllen
komme, habe ich zugleich eine große Bitte an Sie zu richten: nämlich um Ihre huldvolle Fürsprache
bei dem Beherrscher der Deutsch. Rundschau, daß er den Unmuth, den ihm die Plackerei mit meinen Manuskript-Sendungen
verursachte, nicht in seiner ganzen Größe bestehen lassen wolle! Wie oft habe ich mich geschämt,
wenn ich mir vorstellte, wie der Herr am Frühstückstische über meine Faulheit und Wortbrüchigkeit
wetterte und ich im Geiste als ein ergrautes armes Sünderlein dabei stand und demüthiglich das Kopfschütteln
der Hausfrau gewahrte, die ihre heitere Morgenstimmung getrübt sah! Dann faßte ich die besten heiligsten
Vorsätze und vergoß die heißesten Thränen, ach um gleich in die alte Hölle | der Verderbniß
zurückzusinken, sobald wieder ein schöner freier Monat vor mir war. Der einzige Milderungsgrund besteht
darin, daß ich doch immer bei der Sache blieb und sie nicht aus den Augen ließ, ausgenommen am Montag
vor acht Tagen, wo ich die Handschrift gerade am letzten Tage noch schmählich im Stiche ließ und einem
Gelage nachlief. Und dabei habe ich mit verhärtetem Gemüthe gegessen, getrunken, gesungen und jubiliert
und einen großen goldenen Becher in Gestalt eines Hundes, eines sitzenden Jagdrüden, mit eisernem Stachelhalsband,
unzählige Male aufgehoben, als ob es keinen Julius Rodenberg in der Welt gäbe!
Ihre allzu wohlwollenden Äußerungen über den Gr. H. habe ich wie ein Glas Ananaspunsch eingeschlürft und die Bescheidenheit eine gute Frau sein lassen. Ich durfte übrigens die Süßigkeit menschlich fraulicher Gesinnung wohl goutieren, indem eine schreckliche Art Kritik (nicht diejenige der Germanisten) aufzutauchen begann, worin meine Arbeit | und Kunst anerkennungsvoll behandelt, der Nicht-Held des Romanes aber als ein famos geschilderter ganz miserabler Tropf gekennzeichnet wurde. Das ist eine verzwickte Art des Beifalls und die gerechte Strafe für meine Sünden gegen den Gebietiger Julius.
Ich hoffe, daß Sie mit Mann und Tochter einen lustigen Winter passirt und einen schönen frohen Frühling angetreten haben, und denke mir gern, daß der Weg ein bewußtes verehrtes Ehepaar wieder ein Mal nach Italien und durch die Schweiz führen werde, in welcher Phantasie ich mit eingewöhnten Gefühlen verharre als Ihr
ergebenster
Gottfr. Keller