Adolf Exner (1841-1894)

Editorial


 

Jurist, 1868-72 an der Universität Zürich, danach in Wien
Keller verbrachte zweimal seine Ferien bei Familie Exner; bedeutende Korrespondenz

Anzahl registrierte Briefe: 37 an, 30 von Keller (36 ZB Zürich)


 

18. 3. 1873  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz; Exner, S. 26>

Zürich 18 März

Lieber Freund
 
Wenn Sie noch nicht ausgeschlüpft sind, so muß ich Sie noch mit einer Lumperei plagen. Ich habe mich nämlich von meinem alten Verleger in Braunschweig losgemacht, da er mich anläßlich einer neuen Auflage des 1t. Bandes von Seldwyla, die mit der Ausgabe des 2t. Bandes vereinigt werden sollte, über's Ohr hauen wollte. Ich bin nun mit beiden Bänden zu meinem Legendenfuhrmann nach Stuttgart übergesiedelt, der leider | das neue Buch, in 4 Bändchen, erst im September ausgeben will. Als mir aber die Viewegs die Manuskripte des 2t. Bandes zurücksandten, fehlte gerade der Schmied seines Glückes, von dem Sie die erste Niederschreibung mitnahmen. Auf geschehene Reklamation hieß es, einer der Viewegs habe es in Verwahrung, man weiß nicht wo, da er in Italien sei; man habe ihm sogleich geschrieben.

     Sie sehen also, daß Sie das Manuskript noch nicht verbrennen dürfen, wenn es nicht schon geschehen ist, sondern mir es bereit halten müssen für den Fall, daß ich das andere nicht in einigen Wochen bekomme. Wenn es Ihnen als Erinnerung an das Frau Benndorf'sche Symposion in Unterstraß theuer sein sollte, | so will ich es Ihnen nachher wieder schicken, da ich es doch abschreiben lassen muß.

     Es ist schändlich, daß Sie den poetischen Werth meiner schönen Geburtstagsdepesche nicht schon jetzt constatiren sondern sich hinter die Zukunft flüchten wollen. Da soll sich Einer anstrengen!

     Ich habe jetzt die Sehnsucht, einmal etwas Ernsthaftes u Rührendes zu machen, aber es ist schwierig aus den Possen heraus zu kommen da einen die Welt immer wieder lächert. Für die neuen Seldwyler bekomme ich 4000 Fränklein, die ich im Geiste schon herumtrage wie der Hund einen gestohlenen Knochen. Wahrscheinlich werde ich noch ein Geizhals. Ich studire daher neuerdings Ihren Pfandbegriff, der ein Stolz meines | Büchertisches ist.

     Seien Sie also so gut, mir jenes Manuskript nochmals zu leihen.

     Auch wünsche ich Ihnen glückliche u freudvolle Ferienwochen, empfehle mich in Ihrem Hause, soweit es mir bekannt, u bleibe im Uebrigen

                                                Ihr alter
                                                G Keller

 


 

20. 12. 1873  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz, zit. nach Kopie; GB 2, S. 201>

Zürich 20 XII. 73.

Lieber Freund!
 
Sie haben sich wacker gehalten, daß Sie mir was geschrieben haben und ich wünsche Ihnen daher direkt ein glückliches Neujahr an; und zwar sage ich zu allererst, nehmen Sie sich doch mit Ihrem Hals in Acht! Mit Trinken können Sie nichts einbringen, da Sie hierin schon wohlgezogen sind; aber mit dem vielen Rauchen können Sie gewiß etwas abbrechen, ich würde es wahrscheinlich gleich thun, wenn mir mein gemeiner Schlund nur ein bischen weh thäte!

     Frau Heim wird Ihnen hoffentlich seither geschrieben haben. Nun ist auch ihre Schwägerin krank u man hat ihr das Leben abgesprochen; jedoch soll es seit einigen Tagen eine bessere Wendung genommen haben, wie der Schnupfheim sagt. Dilthey war letzten Herbst kein Leimsieder, er ging gleich nach meiner Heimkehr mit einem Schwager nach Oberitalien u sah schöne | Bilder u Architekturen. Gröber ist nach Breslau berufen und von RegRath Sieber eigenhändig in der Zeitung belobt worden, daß er mit Dank und Anerkennung von Zürich scheide (nicht wie Boretius u Benndorf) Er hatte nämlich ein sentimentales Entlassungsgesuch geschrieben im obigen Sinne.

     Wegen des Novellentitels haben Sie Recht gehabt, er lag mir schon lang im Magen u habe nun einfach "Dietegen" gesetzt. Die letzte Geschichte wird wohl nächstens gesetzt sein. Die ganze neue Sammlung kam mir nämlich so leicht u trostlos vor, daß ich wenigstens mit dem Schluß noch etwas in die Tiefe gehen wollte u mich nochmals dahinter her machte. Ich bin froh, daß ich dies skurrile Genre, das ich der Zeit nach längst hinter mir habe, nun endlich auch äußerlich absolvirt habe. Ich hoffe mich mit den Dunker-Novellen (lucus a non lucendo) etwas heraus zu beißen. |

     Sie sind zu beglückwünschen, daß Sie sich einen so gemüthlichen festen Wohnsitz gründen können in dieser Zeit der Wohnungsnöthen. Sollte ich wirklich in das Gartengemach hingelangen, so wird es wenigstens nicht darin spucken, wenn Sie nicht einen Balken aus dem alten Hause mitgenommen haben; und auch Sie werden mir nicht auf den Kopf herunterspucken, wenn Sie oben herausschauen.

     Mit unserer Bundesrevision rücken wir allmälig dem Ende entgegen in der Schweiz u wird es hoffentlich nachher wieder einmal einen längeren Frieden geben. Auch in der breiten u weiten Welt draußen geht es doch ziemlich gleichmäßig vorwärts, so daß die tollen Franzosen nicht allzuschnell wieder werden Unheil anrichten können. Ich glaube sogar paradoxer | Weise, daß sie hiezu sogar zu spät kommen, da sie vorher ein vernünftiges Regiment, das dergleichen ausschließt, werden einführen u innehalten müssen.

     Wo nicht, so werden wir arme Schweizerlein zuerst mit in's Getümmel kommen und dann kann sich allerlei Wunderliches ereignen.

     Pfui, nun kannegießere ich sogar!

     Wie steht's mit Ihrem heiligen Sebastian? Haben Sie ihn gekauft? Ich schicke Ihrer Schwester eine Zeichnung vom Mondsee mit einem Geier in der Luft. Der gehört Ihnen. Nageln Sie das Blatt an die Wand und schießen Sie mit dem Blasrohr darnach, das übt.

     Nun gehaben Sie sich bestens und grüßen Sie alle andern Nimrode u Assyrer!

                                                Ihr G Keller.

  


 

16. 3. 1875  Adolf Exner an Keller

<ZB: Ms. GK 79a Nr. 167; GB 2. S.237 z. T.>
 

                                       16 März 1875.

Lieber Freund,
 
mit Entsetzen sehe ich, daß Ihr Brief, der "zur Beantwortung" auf meinem Tisch liegt, schon vergilbt ist, - aber der Teufel soll das Schreiben holen, wenn man doch die Leute sehen möchte. - Für die Novellen besten Dank; der Dietegen bleibt mir immer das Liebste von den Neuen, es ist am Meisten reine Poesie drin ohne Pfeffer. Die Pfaffengeschichte hat die Leute hier köstlich amüsirt, aber die Spitze merken sie, oder verstehen sie nicht, denn (Gottlob) bei uns weiß man nichts von der geläuterten Pfaffheit, es gibt hier nur Schafe u Böcke, aber keine Böcke im Schafspelz. Schreiben Sie doch ja Ihre "Zürchergeschichten" fertig, das wird trefflich einschlagen, zumal das Fähnlein der 7 so gut wie unbekannt ist. Bei diesem | aber würde ich in aller Bescheidenheit dazu rathen, die patriotisch-politischen Reden ect. im zweiten Theil ein Bischen zu kürzen, da für sie nicht überall Verständniß zu erwarten steht u sie jedenfalls die Rundung der Composition beeinträchtigen. - Marie u ich haben immer gehofft, Sie zu Ostern hier zu sehen; ist denn das ganz unmöglich? Oder im Mai? Später im Sommer möchte ich nicht dazu rathen, eher dann im Oktober.

     Die Frischlinge sind gut behaust (sie trampeln mir über dem Kopf herum) und lassen sichs kreuzwohl sein. Auch bei mir unten steht es behaglich trotz Winterkälte, der ich durch einen dicken Teppich u einen noch dickeren Ofen die Zähne ausgerissen habe. Könnte ich nur mehr drin sitzen, aber die | Universität zusammt dem künftigen Herrscher Östreichs, den ich mit Rechtsweisheit anfüllen muß, halten mich zu stark in Athem. Ein paar hübsche Bilder, die ich aus Italien mitgebracht habe, machen mir viel Freude, - die schöne Landschaft, die Sie mir mit dem Gehirn malen, hat auch schon ihren Platz - u so sieht man mit Fröhlichkeit dem Frühling entgegen, der nun doch endlich an die Thür klopft. Manchmal ertappen wir uns Alle auf einer kleinen Sehnsucht nach dem Zürichberg mit seiner weiten Luft. Ich möchte auch auf dem Bürkli wohnen u in die weite Welt hinausschmieren, wie Sie göttlichster der Staatsschreiber, ich komme wohl auch einmal da hinaufgestiegen u fasse Sie am Kragen, ehe Sie's denken | - wenn nur die ... Hofsklaverei nicht wäre, der ich für ein Jahr verfallen bin!

     Bruder Karl ist in Wien und freut sich dessen noch täglich, obwohl es schon ein Jahr her ist; Seraphin schweigt u schmunzelt, wie immer, nur auf Umwegen hört man, daß er bei diversen Backfischen mit mathematischen Sermonen sich schön macht. - Grüßen Sie Dilthey, den Verschollenen, u was sonst in Zürich sich meiner erinnert. Und Sie, nehmen Sie Vernunft an u kommen Sie mal wieder!

                                                Ihr
                                                A Exner

 


 

27. 8. 1875  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz, zit. nach Kopie; GB 2, S. 243>

Zürich 27 Augustus 1875.

Lieber Freund!
 
Wo sind Sie eigentlich? Ich denke, vielleicht wieder wo letztes Jahr um diese Zeit, in Reith bei Brixlegg? Was ist's mit der Burg Matzen, ich sah letzthin deren Bildniß in einer illustrirten Zeitung mit dem Bericht, daß jetzt ein Engländer darin wohne, der die alten Geschichten Tirols studire u beschreiben wolle. Sollte dieser geschichtskundige Engländer die gnädige Frau von Matzen sein?

     Sie sind also bereits ein doppelter Onkel geworden, nehmen Sie sich in Acht, daß Sie nicht Großonkel werden, eh' Sie selbst nur Vatter oder so was geworden sind, es ist im Umsehen geschehen.

     Wie stehts mit Ihrem Kronprinzen? Können wir ihn bald zum Ehrenmitglied des schweizerischen Juristenvereins ernennen, vorausgesetzt, daß er ein Fäßchen Bier ponirt? |

     Wollen wir nicht nächstes Jahr wieder einmal an den Mondsee gehen, nur 2 oder 3 Wochen? Es war doch sehr vergnügt dort, auch ist der beiläufige Aufenthalt im Hôtel So u so in Salzburg sehr bei mir angeschrieben wegen der Rebhühner u des Gumpoldskirchners. Hier in Zürich ist jetzt ein hübsches Café auf der Meise (mit den schönen eisernen Barrokbalconen) da sitzen wir in den schönen Säälen u trinken zum Andenken - eine gute Flasche Gumpoldskirchner für 3 Frk 50 Rappen! Öfter als nöthig ist! Das heißt ich bin jetzt doch Abends meistens zu Hause auf meinem Bürglibühel. Aber am Samstag Abends oder Sontags, da bleib' ich in der Stadt u dann sauf ich für sieben Mann! Ich sag' Ihnen! Und provocire die besten Weine, daß die andern Viecher, die Weib u Kinder haben, mit sauersüßen Mienen in die Tasche greifen, wenn sie mir, wie projektirt, die Schmiere nicht haben anwürfeln können. | Dann humple ich, oft lange nach Mitternacht, die dunkle Engestraße hinaus auf das Bürgli u weiß trotz der Beladung den Messerstichen der italienischen Eisenbahnarbeiter sehr geschickt auszuweichen, welche sich die ganze Straße entlang gegenseitig in den Seiten kitzeln, anstatt die Seebahn fertig zu bauen, auf der wir nach Glarus fahren wollen, wenn Sie herkommen.

     Dilthey hat, wie Sie übrigens wissen werden, einen splendiden Ruf nach Graz ausgeschlagen u geht über den Winter zur Belohnung mit Urlaub nach Griechenland. Er ist ein wankelmüthiges Schiff, wenn er sich überhaupt nicht verstellt. Noch nicht lange sagte er, er ginge gerne nach Graz, um von der Archäologie los zu kommen u wieder der literarischen Philologie habhaft zu werden u jetzt stürzt er sich mit neuer Wuth auf die erstere! Da hat er übrigens Recht, wenn er immer gerade thut, wozu ihn der Geist treibt!

     Ihren letzten Brief habe ich gerade nicht zur Hand. Zu beantworten fällt mir einzig ein Ihr Wunsch nach Beseitigung der politischen | Rethorik oder Kannegießerei in der Geschichte von den 7 Aufrechten. Diesen Rath werde ich bald zu erwägen haben, da die Ausgabe dieses Jahr noch zu Stande kommen wird unter dem Titel Züricher Novellen. Die neuen Geschichtchen kommen zuerst in die deutsche Rundschau von Rodenberg u heißen: Herr Jacques, Hadlaub, der Narr auf Manegg u der Landvogt von Greifensee. Hier wird überall nicht politisirt sondern nur fabulirt u Comödirt. Wenn ich nochmals damit über den Graben komme, ohne unterzuplumpsen, so kann ich nachher noch Manches machen, da Alles neu geschrieben ist u nirgends von alten Conzeptionen u Fragmenten gezehrt wird. Es sind Sachen aus dem 13t., 14 u 18 Jahrhundert z. B. die Entstehung des sog. Manesseschen Codex oder der Pariser Handschrift des Minnesanges, die Zerstörung der Burg Manegg am Albis ein Jahrhundert später, die von einem Verrückten bewohnt war, durch lustige junge Zürcher u. s. w. Der Landvogt ist ein origineller Zürcher, Landolt, aus dem vorigen Jahrhundert der als Junggeselle gestorben ist. Der | haus't auf dem Schloß Greifensee jenseits des Zürichberges u ladet auf einen Sonntag, um sich einen Hauptspaß zu machen u auch ein Erinnerungsvergnügen, nach all' den vorübergegangenen Liebesstürmen 6 oder 7 hübsche Weibsbilder ein, die ihm alle Körbe gegeben haben, um sie einmal alle beieinander zu haben u zu sehen. So kommen sie zusammen, ohne es zu wissen. Jede glaubt seine besondere gute Freundin zu sein u jede will ihn besonders bemuttern u bevormunden u nun knüpft er ihnen die Haare ineinander, daß es eine Hauptlustbarkeit absetzt, d. h. wenn ich's machen kann, denn gerade diese Partie muß ich noch schreiben, das ist eben der Teufel! Sechs oder sieben Mädel, die alle artig u liebenswürdig sind, keine der andern gleicht u auch jede etwas komisches hat. Da kommts nun wahrscheinlich auf eine | recht deutliche u bündige Exposition aller einzelnen an, eine nach der andern, daß ihre Rollen am Tage des Gerichts schon von selbst gegeben u vorgeschrieben sind.

     Mit den Dunker Novellen kommts allmälig auch in's Klare. Ich komme aber nicht von ihm los. Er hat mir sehr artig geschrieben u will ein neues Abkommen treffen, ganz nach meinem Wunsch u Vorschlag u das alte Verhältniß aufheben, wenn ich ihm das Werklein nur verabfolge. Da kann man doch nicht wohl anders.

     Mein Stuttgarter will den Grünen Heinrich, der vergriffen ist, neu herausgeben; da muß ich mich auch dahinter machen mit Abkürzungen, neuem Anfang u neuem Schluß u einheitlicher Form, so daß ich diesen kommenden Winter wie in einer Fabrik sitzen werde, mit schwarzen Tintenfingern | und vor Eifer u Eile die Nase nur mit dem Rockärmel wischend, das wird schön aussehen, pfui Teufel!

     Von den Leuten von Seldw. will er auch eine neue Auflage machen, eine wohlfeile Volksausgabe. Wo das Volk herkommen soll, weiß ich nicht; wohl aber merke ich, wo die Wohlfeilheit, nämlich aus dem ermäßigten Honorar, wie er mild andeutete, als ich ungefährlich danach fragte; nun könnte sie ebenso gut aus dem ermäßigten Gewinn geschöpft werden. Es wird also auf diesem Punkte, auf diesem unscheinbaren ideellen Gebietstheilchen ein diplomatisches Gefecht geschickt geliefert werden müssen. Bleibe ich Sieger darin, so will ich mich bei Bismark oder Andrassy als neuer Bernhard Meyer um Arbeit anmelden, der ja auch nur ein schweizerischer Staatsschreiber gewesen ist. |

     Nun ist es aber Zeit in's Bett zu gehen, es schlägt 11 Uhr. Morgen ist wieder Kneiptag, es dürstet mich jetzt schon danach u muß schnell Wasser trinken, da nichts anderes da ist!

     Ueberlegen Sie sichs wegen des Mondsee im nächsten Jahr. Man würde aber öfter mit dem Dampfbootchen nach dem Ort Mondsee selber fahren, um in jener gemüthlichen Laube Mittag zu essen, wo wir zuletzt gewesen sind. Ein Jagdgewehr könnte ich auch mitbringen u würde versprechen, Euch Andern nicht höher in die Beine zu schießen, als Euere geschmierten Stiefel reichen.

     Mit Gruß u bieder'm Handschlag
                                                Ihr G. Keller.

  


 

14. 10. 1875  Adolf Exner an Keller

<ZB: Ms. GK 79a Nr. 168; GB 2, S. 246 z. T.>

                                                            Gödöllö in Mittel
                                                            Asien 14 Okt. 75.

Lieber Freund,
 
Ihren Brief erhielt ich wie Sie richtig vermutheten, im Schloß Matzen in Tirol, wo ich mit meinen 3 Brüdern (die Schwester war zu dieser Zeit nicht transportabel) 14 Tage lang die freie Luft genoß. Denn vorher u nachher hat mich das Joch des Hofdienstes gedrückt; u auch heute ist es ein Tyrannenhauslehrer, der Ihnen schreibt, ein unterthäniges Anhängsel des Hofes, der sich der Hofjagden halber hier auf der Pußta aufhält u nebenbei der Wissenschaft auch nicht ganz entbehren will.

     Sie können sich denken wie ich erschrack, als ich von Tirol | heim kehrend, hierher berufen wurde, ich muß meine Vorlesungen bis Mitte November aussetzen (zu welcher Zeit mein Hofdienst gänzlich zu Ende geht) u mittlerweile hier den maggarischen Herrgott kennen lernen.

     Ganz uninteressant ist übrigens die Sache nicht, zumal sie nur 4 Wochen dauert; ich kann manches sehen u beobachten, was sonst nicht leicht unterkommt. -

     Sehr gefreut hat mich zu hören daß Sie 1) so fleißig drauflos arbeiten, u 2) künftiges Jahr wieder mit uns irgendwo in die Welt hineinfaullenzen wollen. Bin sehr begierig auf die angedeuteten Zürcher Geschichten; die 7 Aufrechten habe ich kürzlich | (nach langem Suchen in allen Antiquariaten) mir verschafft, u bin immer noch sehr vergnügt wenn ich die krausen Kerls lese, u glaube auch immer noch, daß wenn der junge Held am Ende anfängt zu sprechen wie ein Buch, er es sehr kurz machen sollte. Ich habe schon eine kleine Gesellschaft im Geist zusammengetrommelt, denen ich die (hier ganz unbekannte) Geschichte vorlesen will. Es sind lauter besondere Verehrer von Ihnen u auch sonst rare Leute, - da wollen wir einen vergnügten Abend haben, wie es jedesmal war, wenn was Neues von Ihnen losging. Aber wenn die Sachen einmal im Handel sind, kann man nicht gut mehr | zusammenkommen, um gemeinschaftlich zu lesen, da liest Jeder für sich, u man hat nicht den rechten Spaß davon. Darum eben bitte ich Sie neuerdings recht schön, mir ja gewiß ein Korrekturexemplar zuvor zu schicken - so schmierig als es will - zum Vorlesen. Sie werden nicht denken, daß es ist um mich damit patzig zu machen, daß ich die Sachen früher habe; es ist wirklich nur für ein paar Freunde, u um den Spaß des Lesens u Kritisirens zu haben.

     Auch ich war den Sommer recht fleißig, habe namentlich in Ischl den ganzen August wie ein Ochs gedroschen u kann nun im Winter ein neues Opus | von Stapel lassen, dessen Inhalt leider zu einer gemüthlichen Lektüre minder geeignet sein dürfte.

     Geringere Mühe hat es mir gemacht doppelter Onkel zu werden, und verhältnißmäßig viel Vergnügen. Der Marie ihr Bub (Hans genannt) gedeiht besonders u wird in der Nachbarschaft u Freundschaft für ein Meerwunder von Schönheit, Talent u guten Sitten gehalten. Sie müssen nothwendig nächsten Sommer in dieses Lob einstimmen, sonst werden Sie unhaltbar.

     Zur Vermehrung Ihrer Wiener Frauengallerie schließe ich das Portrait einer ungarischen Gräfin bei, die ich in ihrer vormaligen Eigenschaft als | simple Wiener Bürgerstochter gut gekannt habe; ihr Vater ist ein Hauptkunstkenner u Besitzer unzähliger Schätze (ungerechnet die 2 Töchter), um die man ihn nicht genug beneiden kann. Vielleicht fällt Ihnen bei dem Gesicht für Ihre 6 Züricherinnen (fürwahr ein starkes Unternehmen!) was Gutes ein.

      x x x

     Diese Sterne bedeuten, daß ich inzwischen 2 Stunden Karten gespielt u dabei unbändig viel Wassser gesoffen habe. Ersteres geschah mit einem Pfaffen, der k. k. Domherr u Beichtvater des Kaisers, der Kaiserin u. s. w. ist, zudem auch ein höchst fideles Haus voll guter Späße. Er wohnt | neben mir, und macht mich täglich mehrere Male krumm vor Lachen. Der andere ist Generalstabs Oberst u lehrt dem Kronprinzen die Kniffe, die man braucht, um die Schweiz zu annexiren. Wir drei wohnen zusammen in einem besonderen Haus gegenüber dem Kaiserschloß, welches zwar nur ebenerdig ist, aber sich von den übrigen Strohdächern des Orts durch ein Ziegeldach auszeichnet u im Volksmund "die Universität<"> heißt.

     Jetzt aber gute Nacht, - Sie haben wohl morgen wieder Kneiptag, - trinken Sie auch ein Gläschen, aber guten, auf mich armen geplagten Kultur nach Osten-Träger. Schreiben Sie auch einmal wieder.

     Mit bestem Gruß
                                                Ihr AExner

 


 

9. 1. 1876  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz>

                                                            Zurich 9 Januar 76.

Lieber Freund!
 
Ich sitze da Sonntags Nachts um 10 Uhr in meinem Schreibstübchen u blicke zufällig auf neue Errungenschaften in Photographie: Ihre Frau Schwester mit dem Jesusknäblein, wie sie es nennt, die ungarische Gräfin, die Sie mir geschickt, Emil Kuh, den ich aus Meran erhalten u s w., u da befällt mich ein menschlich oesterreichisches Rühren. Ich mache mir ein Glas Wasser mit ganz wenig Rhum zurecht, stecke eine neue Zigarre an (à la Hackländer oder Gustav Freitag) u schreibe noch ein bischen.

     Vor Allem aus wünsche ich alles Glück zu der Genesung des herrlichen Hänschens, während dessen gefährlicher Krankheit ich einen so miserablen Bummelbrief geschrieben habe. Der mag auf das bekümmerte Mütterchen einen schönen Effekt gemacht haben. Das Einfachste wird freilich sein, daß sie nicht Zeit hatte, ihn zu lesen in den kritischen Stunden. | Gott sei Dank, daß dieses Erstlingsfabrikat so glimpflich davon gekommen ist. Hoffentlich hats seither nichts Rückfälliges gegeben.

     Ihren Kronprinzen haben Sie also juristisch fertig gezogen mit großem Ruhme u sind, wie ich höre, noch sein philosophischer Gewissensrath geblieben. Bereiten sie ihn würdig stoisch auf jene Zeit vor, wo sich die Weissagung erfüllen wird, daß Steiermark schweizerisch sein werde, wenn auf einem gewissen Hause daselbst ein rothes Dach erblickt würde. Es ist eine Parallele zu der Uhland'schen Sage:

            "Das sind wohl alte Sagen,
            die lange, lange gehn,
            Daß in dereinsten Tagen
            Der Brocken mitten in der Schweiz wird steh'n!<">

Dies zur Antwort auf Ihre Drohung mit dem militärischen Collegen bei der Erziehung des Prinzen. Ueberhaupt werde ich mich bestreben müssen, meine Briefe ad usum delphini ein zu richten, da meine Connexionen so an Bedeutung wachsen!

     Was hat Herr Schwager Frisch für eine Partei genommen in den Billroth'schen Händeln? War sein Herz getheilt oder | einseitig? Hat er mit geholzt oder saß er kluger Weise zuhause Josefstädter Straße 17 an der Krippe des bewußten Knäbleins,

            wo das Oechslein brüllte, das Kindlein schrie,
            die heilgen drei Könige sangen?

     Von dieser Idealwelt fällt mir so eben eine Geschäftsabschweifung ein. Mein Verleger hat nämlich mit dem Vieweg wegen des "grünen Heinrich" traktirt, welchen ich jetzt nachträglich präsentabel machen möchte. Viewegs wollten jenem weiß machen, daß sie ein dauerndes Verlagsrecht besäßen, welches man ihnen abkaufen müßte um 800 Mark. Dabei citirten sie einen § 4 eines fingirten Contrakts, der nicht existirt u wurden mit Blamage wegen dieser mesquinen Lüge heimgeschickt. Außerdem aber hatten sie noch 15 complete Exemplare des Buches. Wenn diese nun seither erwiesener Maßen verkauft sind, so bin ich ganz frei u brauche die Herren gar nicht mehr zu begrüßen. In Zürich u Solothurn haben schon vor Monaten Bekannte von mir das Buch bestellt, aber zur Antwort erhalten, es sei zur Zeit (von Braunschweig aus) nicht mehr zu haben. Wenn es Ihnen nun nicht zu unbequem ist, so möchte ich Sie bitten, | den Versuch einer solchen Bestellung auch in einer Wiener Buchhandlung zu machen in der Art, daß Sie etwa einen schriftlichen Zeddel erhielten, wenn die betreffende Handlung das Buch wirklich nicht liefern kann, welchen Zeddel Sie mir dann abtreten würden. Sollten Sie wider Erwarten den Grünspecht erhalten u bezahlen müssen, so würde ich Ihnen denselben sofort abkaufen u der hiesigen Stadtbibliothek schenken zum Gebrauche für die Zürcherischen Ettmüller's der Zukunft; denn das denkwürdige Werk wird bei der Wäsche um einen Band eingehen wie eine gestrickte Unterjacke.

     Dilthey ist jetzt in Sicilien oder Neapel. Er hat in Athen für den Staat Zürich für 3000 Fr Terracotten Figürchen aus Tangara gekauft u eben so auch für die antiquarische Gesellschaft, zum Verdrusse Kinkels, der ganz wüthend eifersüchtig auf ihn ist. Uebrigens sind jetzt ganz merkwürdige Ausgrabungszeiten an allen Ecken. Das Heimweh nach der germanischen Vorzeit, das durch den glorreichen Krieg eine Art Genugthuung gefunden hat, wird wieder demjenigen nach der hellenischen Welt Platz machen u s. w. womit ich mich für einstweilen empfehle. Ich will sehen, daß ich von den neuen Correkturbogen doppelte Abzüge erhalte

                                                Ihr G. Keller.

 


 

6. 8. 1876  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz>

                                                            Enge-Zürich
                                                            6 VIII. 76.

Lieber Freund!
 
Ich werde auf den 1 September nach München gehen in der Hoffnung, Sie dort zu treffen. Ich werde im Hôtel Detzer einkehren, wo ich schon mehrmals war. Wenn wir vielleicht ein Zimmer mit 2 Betten nehmen können, so werden wir es größer u besser bekommen; die 1bettigen sind enge Studentenlöcher hinten hinaus oder 7 Treppen hoch.

     Sollten wir uns nicht treffen, so suchen Sie mich etwa nach Tisch in dem großen Caféhaus gleich neben dem Carlsthor rechts von innen d. h. in der Neuhausergasse. Im Nothfall | können Sie mir auch bei einem Freunde nachfragen, Maler Bernhard Fries, Gabelsbergerstraße 20 oder 21, beinah vis à vis dem Polytechnikum.

     Ich hoffe auch halbwegs, Paul Heyse sei dann zuhause, der sich ein zierliches Haus gebaut hat.

     Ich gratulire zu Ihren Erfolgen auf der Flöhjagd. Aergerlich ist es, wenn, während man mit gespannter Aufmerksamkeit in das Innere eines Strumpfes guckt, der Floh durch eine lockere Masche hindurch gekrochen ist u längst am Aeußern des Strumpfes herumspaziert, wo ihn natürlich ein Mannsbild nie bekommt.

     Von München werde ich wahrscheinlich wieder heimwärts steuern zur Arbeit, die jetzt nicht mehr mit sich spassen läßt u ein förmliches Pflichtgesicht | schneidet, bis ich einige 100 Tausend u eine Villa erschrieben habe, was bis zum 1 October 1879 effektuirt sein soll. Außerdem muß ich im October nochmals fort. Correkturbogen werden von Mitte September an erhältlich sein.

     Was Ihre Titel betrifft, so hat mir s. Z. Frau Marie geschrieben, Sie seien nach Abwicklung des Kronprinzengeschäfts zum Ritter geschlagen worden. Sie werden also einen Zusatz führen, etwa Exner von Matzen, oder von Mehlspeis etc. Wenn Marie mich aber angelogen hat, so werde ich ihren Hansl kritisiren aus Rache u ihn jämmerlich herunterreißen, ohne ihn gesehen zu | haben, wie der beste Wiener Rezensent oder Kriegscorrespondent. Ich werde ein Feuilleton schreiben in die N. Fr. Presse mit dem Titel:

                        Der famose Hansl
                        oder
                        auch ein sauberes Früchtchen.
                        Eine zeitgenössische Studie
                        von
                        Gottfried Keller.


 

30. 7. 1877  Adolf Exner an Keller

<ZB: Ms. GK 79a Nr. 176; GB 2, S. 264 z. T.>

Wien 30/7 77.

Lieber Freund,
 
Marie sagte heute, der Keller wird doch nicht etwa gar was gegen uns haben, weil er gar nichts hören läßt. Es ist auch wirklich arg von Ihnen u von uns; von uns daß wir nach den schönen Züricher Novellen Ihnen kein Wort gesagt haben, - u von Ihnen daß Sie dazumal die Korrekturbogen nicht haben schicken wollen, die einem so besonders gut schmecken, wie avant la lettre Kupferstiche. Wo mögen Sie sich jetzo herumtreiben? | Wir sind in Brixlegg u am Aachensee in Tirol vertheilt; Marie kommt gegen Ende August dahin (nach Brixlegg). Gehen Sie gar nicht nach München heuer? (Voriges Jahr haben Sie mich dort schön "gefrotzelt" wie man in Wien sagt, d. h. an der Nase herumführen). Sollten Sie wirklich hinkommen, so wäre es nicht übel, mir eine Karte nach Brixlegg zu schreiben - kann ich dann, so komme ich u wir kneipen etwas Kunst zusammen. Diesen Frühling war ich mit Benndorf in  Paris; da haben | wir Brüderschaft gemacht u uns flott unterhalten. Es ist sehr wahrscheinlich daß er jetzt nach Wien berufen wird, nachdem der hiesige Archeologe nach Berlin an das Museum kommt.

            Zu den Züricher Novellen muß man Ihnen wirklich laut bravissimo schreien - obwohl sie nicht alle gleich sind, sondern hin u wieder ein bischen trocken. Aber dafür haben Sie mit der Figura (das ist meine Lieblingsfigura, dagegen Fides der Marie ihre) wieder köstlich ins Schwarze | getroffen, u der ganze Kerl, der Landvogt, ist eine Haupterfindung.

            Wann kommt denn der Grüne mit den gestutzten Ohren?

            Gott grüß Sie lieber Freund, erhalte Sie munter u bei Laune für 1000000 lustige u gute Geschichten.

                                                Ihr alter Freund
                                                AExner

  


 

12. 8. 1877  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz>

Zürich-Enge 12 VIII 77.

Lieber Freund!
 
Da das geheimnißvolle Ereigniß, das Ihre Frau Schwester dem Freund Dilthey angekündigt hat, zu lang ausbleibt, so muß man wohl endlich Ihnen vorher noch einen Gruß senden. Eine Ministerkrisis schwebt nicht in der Luft, so wirds wohl eine Verlobung sein; vielleicht daß Sie so eben an der Mäusefalle zu Matzen herumschnopern und dort einspazieren, wo meines Wissens noch zwei geröstete Speckschnittchen hängen.

            Dilthey wurde letzte Woche weg gefressen wie üblich; er löst sich jetzt ganz in Elegieen auf und macht der Apothekerin des Nazareners Eccehomo-Gesichts Otto Fleischl den Hof, | nämlich jener Schwägerin der Frau Heim. Diese selbst spielt die Verrückte u spricht Jedermann von Selbstmord, ohne daß sie jedoch für einen weiblichen Hamlet gehalten wird. Auch hat sie die Gicht u das Haar hinten abgeschnitten das sie dafür vorn tief in die Stirn hängen läßt.

            Von den Novellen habe ich Ihnen keine Bürstenabzüge schicken können, weil ich trotz der Bestellung selbst keine erhielt und für die Buchausgabe soeben meine Rundschau-Hefte auseinander schneiden mußte.

            Gegen Euere edle Compagnie habe ich nichts auf der Leber und bin nur über das Wienerische überhaupt etwas erbost, weil von dort aus wiederholt | Dummheiten und Lügen über meine miserable Person in Umlauf gesetzt werden. Das Neuste ist, daß der verstorbene Emil Kuh mich entdeckt habe, nachdem ich ihn in Tirol (wahrscheinlich von Brixlegg aus) aufgesucht und um Rath gebeten habe u s w.

            Den Grünen Heinrich werde ich dies Jahr noch zurecht stutzen.

            Es ist wahrscheinlich, daß ich im September nach München gehe und werde Ihnen in diesem Falle Nachricht geben.

            Gegenwärtig ist meine gute Schwester sehr kränklich, daher die Sache noch unsicher ist. Sie hat nie an die Eingewöhnung resp. Erwerbung einer | zuverlässigen Hausmagd denken wollen; nun muß ich Morgens den Café machen, den Katzen (zwei eigene und eine Hospitantin) das Fressen reichen, auch zuweilen die Milch sieden, daß sie nicht verdirbt u. dergleichen Schweinereien mehr und dabei noch den Novellenband fertig schreiben.

            Ich wünsche Euch allerseits vergnügte Ferien mit 1000,999 Grüßen

                                                Gottfr. Keller.

Dies soll eine Decimalziffer sein; ich kenne aber die Größe nicht, obschon ich das Maul voll zu nehmen gedachte.

 


 

26. 10. 1877  Adolf Exner an Keller

<ZB: Ms. GK 79a Nr. 177; GB 2, S. 266>

Wien 26/10 77.

Lieber Staatsschreiber u Freund,
 
Sie haben es akurat errathen mit der Mausefalle in dem alten Schloss Matzen, und beiliegend folgt ein Abklatsch des Speckes.

     Ich weiß nicht, ob Sie sich von den wenigen Tiroler Tagen her des hochaufgeschossenen Mädchens erinnern. Als Frau Prof. Exner hoffe ich Ihnen dasselbe im nächsten Herbst zeigen zu können, denn wir wollen alsdann in die Schweiz reisen. Geheirathet soll im Frühjahr | werden.

     Diesen ganzen Herbst habe ich in der Mausefalle zugebracht; anfangs Oktober machten wir noch eine Spritzfahrt nach Trient u Botzen.

     Jetzt bin ich wieder in das Wintersemester eingesponnen u bemühe mich den Herrn Studiosi gegenüber gravitätisch zu thun.

     Es ist mir leid, daß man, wie Sie sagen, von hier aus dummes Gewäsch über Sie in die Zeitungen streut; Sie sollte es aber nicht ärgern, denn am Ende ist es ein Beweis von Interesse, in der Art, wie eben diese | Bande von Zeitungsschreibern ihr Interesse kundgibt. Wir wußten davon gar nichts; es war gut, daß Sie damals nicht zu Em. Kuh gingen, sonst wären Sie völlig an die große Glocke gekommen.

     Was machen Ihre Lustspiele. Ich muß öfter daran denken, wie wir am Mondsee davon sprachen. Die Legenden habe ich diesen Sommer mit meiner Braut gelesen (mit weislicher Ausnahme des Herrn Vitalis) u die Freude, die sie daran hatte, ist mir ein werthvoller Beweis für echten Geschmack. |

     Leben Sie recht wohl u seien Sie herzlich gegrüßt, auch von Marie, die Ihnen gern ihre 2 Mordsbuben vorführen möchte, die prächtig ins Kraut schießen.

                                                Ihr
                                                A Exner

  


 

14. 1. 1878  Adolf Exner an Keller

<ZB: Ms. GK 79a Nr. 178; Exner 1981, S. 130>

Wien 14 / 1 78.

Lieber Freund,
 
Ihre "Züricher Novellen" sind dieser Tage gekommen u da ich gerade einen tüchtigen Schnupfen - u in ihm eine treffliche Ausrede habe, um Allotria zu lesen, so machte ich mich gleich daran. Das sind nun zwei stattliche Bändchen geworden, man glaubt gar nicht, wie die Dinger dick werden alle miteinander. Mein Liebling bleibt nach wie vor der Landvogt u sein reizender | Hanswurstel; so prächtig ist Ihnen lange nicht etwas gerathen. In der Ursula finde ich schöne Naturtöne aus dem dreckigen Leben der verehrlichen Vorfahren, u gute Zeitstimmung, - Einiges aber doch ein wenig zu kraß für unseren verzärtelten Geschmack, z. B. das Nachlaufen der Heldin hinter den Soldaten bis aufs Schlachtfeld, oder die Kinderspielerei der alten Fanatikerfamilie; dergleichen mag wahr gewesen sein, aber es kommt uns doch | nicht wahrscheinlich vor. Reizend ist das Bildchen wie die als Frau angezogene Ursula ihrem Soldaten entgegenkommt, am Anfang gleich.

     Da ich keine eigenen Werke anmuthiger Art aufweisen kann, als würdige Gegengabe, so schicke ich hier das Bildniß meiner (sehr viel) schöneren Hälfte. Es ist zwar nicht viel Ausdruck darin, aber in dem hübschen Gewand, das sie bei einem kleinen Kostümball voriges Jahr trug, sieht man doch | die feine Gestalt.

     Alles Übrige sollen Sie gewiß im August in Zürich selber sehen u dabei wollen wir uns dann einige lustige Tage machen.

     Geheirathet wird Ende März im Schloß Matzen, dann für die Osterferien ein wenig nach Italien gebummelt. Sodann soll die solide Haushaltung mit Gott angefangen werden, und im August kann man sich danach wiederum in der Schweiz erholen; besonders in der Enge.

     Mit herzlichem Gruß
                                                Ihr
                                                AExner

  


 

13. 8. 1881  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz; GB 2, S. 277>

Zürich 13 Aug. 1881.

Verehrter Freund, hochgeachteter Herr und Inhaber eines genealogischen Instituts!
 
Ich gratulire Ihnen und der Frau Gemahlin herzlich zu dem Stammhalter, zu welchem ich jetzt schon mit scheuer Ehrfurcht emporblicke. Hoffentlich sind seine jugendl. Gnaden nicht mit krummen Beinen, aber mit einem krummen Säbel und balkanischem Schnurrbart zur Welt gekommen, als Austriake der Zukunft, wenn er nicht vorzieht, ein blonder vollbärtiger Germane zu werden. |

     Ich habe alle Hände voll zu thun mit alten Briefschulden, Correkturen und Anfängen neuer Arbeiten, da ich schmieren muß wie ein jüdischer Ziegelstreicher in Egypten. Auch Wohnungsnöthen habe ich gehabt. Schon zweimal hab ich wegen beschwerlicher Entfernung auf dem Bürgli gekündigt, fand aber, durch die schöne Lage verwöhnt, nichts, was mir nicht erstickend vorkam, und nun bleib' ich doch wieder.

     Nach verrichteter That werden Sie jetzt wol in's Tirol oder sonstwohin gehen, wozu ich viel Vergnügen und gute Erholung wünsche. Grüßen Sie von mir die Leute in der Josephstadt | und das Shiga'sche Ehepaar, das mir einen freundlichen Lekturbrief geschrieben hat, ohne seine Adresse anzugeben.

     Freund Dilthey scheint sich noch nicht vermählen zu wollen: er halte sich jetzt ein Reitpferd. Folglich ist er noch nicht gewillt, sich selbst reiten zu lassen. Uebrigens versteh' ich mich nicht darauf. Zwischen einem Pferderücken und dem Teufel hat noch immer ein Philologe Platz.

     Gott sei mit Ihnen und Ihrem
                                                alten G. Keller

  


 

16. 12. 1881  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz, zit. nach Kopie; GB 2, S. 279>

Zürich (Bürgli) 16. XII. 81.

Lieber Freund! Mit heutiger Post lasse ich unter Kreuzband mein letztes Geschreibsel an Sie abreisen, damit Sie sehen, daß ich noch an Sie denke. Die ersten 70 Seiten sind im Jahr 1855 in Berlin geschrieben. Genau an der abgebrochenen Stelle fuhr ich hier auf dem Bürgli im December 1880 fort, als ob inzwischen nichts geschehen wäre. Vorher hab' ich aber den Franz Dunker, den ursprünglich bestimmten Verleger, der inzwischen um Vermögen und Verlagsgeschäft gekommen, mit ziemlichen Zinsen entschädigt, was er mit warmen Danksagungen aufnahm und behauptete, ich sei der einzige Freund, der ihn im Unglück nicht verlasse. So habe ich | von meiner Faulheit und Liederlichkeit unerwartete Ehre aufgelesen und bewunderte meinen edlen Charakter, den ich gar nicht gekannt hatte.

     Neulich war Johannes Brahms in Zürich und führte uns seine schöne Meistermusik auf. Ich war mehrmals mit ihm zusammen und er erzählte mir von Ihnen, z. B. daß Sie alle Ferien nach Italien gingen u. s. w. Ich schwindelte auf sein Anrathen ihm vor, daß ich einmal zu geeigneter Zeit nach Wien kommen und mit Ihnen über den Brenner gehen wolle. Gescheidter wird es aber sein, wenn ich meinerseits über den Gotthard gehe und Sie irgendwo jenseits | treffe, wenn es so weit kommt.

     Ich sollte freilich nicht von solchen Dingen schreiben, ohne zu wissen, ob Sie nicht etwa in irgendeiner Weise von dem Feuerelend berührt oder wenigstens davon in trüber Laune sind. Sie erinnern sich vielleicht der kleinen Wirthin Stucki auf dem Café Safran dahier? Diese häßliche aber lebenslustige 50jährige Person ging als Wittwe, um sich des erworbenen Geldes zu freuen, vor einigen Jahren nach Wien und liegt jetzt auch in dem Schutte des Ringtheaters; denn sie ist unter den Vermißten verzeichnet. Als die Bourbaky's in Zürich waren, hatte sie immer eine Corona französ. Officiere um ihr Büffet herumstehen und machte tausend Späße. |

     Wie raucht sich denn Ihr Herr Stammhalter? Gedeiht er? Versteht er schon was vom Pfandrecht oder steckt er noch im barbarischen Naturrecht der Windelvölker? Empfehlen Sie mich der schlanken Mama recht schön, so weit es mit einem sölchen Shokinger möglich ist, wie ich bin.

     Leben Sie wohl und essen Sie demnach nicht zuviel Zucker über den Jahreswechsel, zu welchem ich Ihnen im Voraus alles Gute wünsche sammt Ihrem ganzen Civilstandswesen.

                                                Ihr alter
                                                Gottfr Keller

  


 

28. 12. 1881  Adolf Exner an Keller

<ZB: Ms. GK 79a Nr. 185; Exner, S. 148>

Wien 28 Dez. 81.

Verehrter Freund,
 
ich komme spät dazu Ihnen für das schöne Christkindl zu danken, da ich immer auf Marie wartete, und die Arme durch zwei kranke Buben in Athem gehalten ist. Übrigens geht es seit heute leidlich, u auch der Theaterbrand hat uns in keiner Weise mitbetroffen.

     Ihre Dunker-Novellen hatte ich in der Rundschau schon gelesen, auch errathen, daß es die sein mußten, von denen wir einmal auf | dem Zürichberg sprachen, als ich von Berlin kam u Ihnen eine bissige Bemerkung darüber von Dunker erzählte, worauf Sie wüthend wurden u ihm das Geld heimschickten.

     Die Sachen haben mir u Vielen hier sehr gefallen (besonders Regine u der Bär Correa sind meine Lieblinge); übrigens aber liegen sie nicht im herrschenden Geschmack, der leider noch immer zu stark von den Franzosen beeinflußt ist u das "Geistreiche" verlangt. Lesen Sie einmal (aber NB. ohne sich zu ärgern!), | was der Halbfranzose Villers in den "Briefen eines Unbekannten" (Wien 1881.) über "Romeo u Julie auf dem Dorf" sagt; übrigens ein Buch in dem sonst manches gute steht. -

     Marie schickt Ihnen eine schöne Mappe für die Stunden der Ruhe, - ich ein kleines Abtrittlicht für einsame Gänge. Es ist nur von Eisen, aber gut gemeint u nicht übel geschmiedet.

     Wegen Italien reden wir noch, wenn die Zeit wiederkommt. Wissen Sie, daß ich in | Begriff war Ihnen Ende März vorigen Jahres zu telegraphiren, ob Sie nicht aufpacken u mitkommen möchten? Ich sprach mit Marie darüber, aber wir meinten beide, so schnell würden Sie sich nicht losraffen können, u zum Warten hatte ich nicht Zeit; wohl aber hätte ich Sie in Zürich abgeholt, wenn ich sich gewesen wäre, daß Sie mitgehen

     Also un altra volta. Einstweilen besten Gruß u gutes Neujahr

                                                Ihr
                                                AExner

  


 

15. 1. 1882  Keller an Adolf Exner

<Privatbesitz, zit. nach Kopie; GB 2, S. 284>

Zürich 15 Januar 82.

Verehrter Freund! Der Kartonkasten, den Sie mir gesendet, ist so praktisch, daß ich gleich die Briefhaufen der letzten par Jahre, die meine Tische belästigten, aufgeräumt und hineingepackt habe, so daß ich die Bescheerung zu den andern alten Schachteln u Cartons rangiren konnte. Hieraus können Sie entnehmen, wie dankbar ich erst für den Inhalt war und bin; denn wenn Sie glaubten, daß ich die Schachtel zurückgebe, so waren Sie im Irrthum. Um so fröhlicher danke ich Ihnen für das Licht, das Sie mir aufgesteckt haben; es steht artig | genug auf dem Rauchtischchen und ist wirklich hübsch gemacht. Die luxuriöse Mappe wandle ich in einem Briefe an die Frau Schwester gleichzeitig ab und lasse die Begeisterung auch noch über diesem Briefe abträufeln. Das dicke schöne Papier darin werde ich mit irgend etwas mir noch Unbekanntem beschreiben, anstatt es als Löschpapier zu benutzen, und zwar mit Bleistift.

     Mit dem italienischen Schwindel ist es dies Jahr für mich noch nichts; es würde mich zu stark von der Arbeit abziehen und das Ende unsicher machen. Ich mache nämlich vorher einen einbändigen kleinen Roman fertig und bin am Redigiren der Sammlung | dessen, was ich in Versen gehudelt habe, was unter allen Umständen dies Jahr gethan sein muß.

     Eher könnte ich wahrscheinlich im Spätsommer auf den alten steinigen Wegen Oberoestreichs etc. wieder einmal herumstolpern.

     Die Stelle des Hrn. Villers über meine Romeogeschichte habe ich in einem Wienerblatte angeführt gesehen; sie ist mir aber selbst für den Aerger unzugänglich geblieben.

     Mit dem "Sinngedicht" geht es gar nicht übel, es wird so eben die dritte Auflage gedruckt; am Ende geht mir noch die Sonne des Geldprotzenthums auf und ich werde fromm und scheinheilig.

     Daß von der löblichen Exnerei | Niemand durch den sel. Ofenbach in die Hölle des brennenden Ringtheaters gelockt worden sei, hab' ich mir eigentlich vorhergedacht, und so mögt Ihr ferner gesund und fröhlich auf dem rechten Pfade dahin wandeln!

     Mit allen Grüßen
                                                Ihr
                                                G. Keller

Editorial       Keller Seite       HKKA