GHA 1.00

Erster Band.

I Vorwort.

Von diesem Buche liegt der erste Band schon seit zwei Jahren, der zweite seit einem Jahre fertig gedruckt, während die Beendigung des dritten und vierten Bandes durch verschiedenes Ungeschick bis vor Kurzem verzögert wurde. Absicht und Motive blieben dabei unverändert dieselben, wie am ersten Tage der Conception, während in der Ausführung während mehrerer Jahre der Geschmack des Verfassers sich nothwendig ändern mußte, oder ehrlich herausgesagt: ich lernte über der Arbeit besser schreiben. Die ersten Bogen dieses Romanes datiren noch aus dem Jahr 1847, die letzten entstanden in diesen Tagen, und die II Entstehungsweise des Ganzen gleicht derjenigen eines ausführlichen und langen Briefes, welchen man über eine vertrauliche Angelegenheit schreibt, oft unterbrochen durch den Wechsel und Drang des Lebens. Man läßt den Brief ganze Zeiträume hindurch liegen, man wird vielfältig ein Anderer; aber wenn man das Geschriebene wieder zur Hand nimmt, fährt man genau da fort, wo man aufgehört hatte, und wenn sich auch in dem, was man betont oder verschweigt, der Wechsel des Lebens kund thut, findet sich doch, daß man gegen den, an welchen der Brief gerichtet, und in dieser Sache der Alte geblieben ist. Man hat den Brief mit einer gewissen, redseligen Breite begonnen, welche eher von Bescheidenheit zeugt, indem man sich kaum Stoffes genug zutraute, um den ganzen schönen Bogen zu füllen. Bald aber wird die Sache ernster; das Mitzutheilende macht sich geltend und verdrängt die gemüthlich ausgeschmückte Gesprächigkeit, und endlich zwingt sich von selbst, und noch gedrängt durch die äußeren Ereignisse und Schicksale, nicht eine theoretische, sondern im Augenblick praktische Oekonomie III in die in der Eile besonnene Feder, so daß nur das Wesentliche sich lösen darf aus dem Fluge der Gedanken, um sich gegen den Schluß des Briefes hin wenigstens so viel Raum zu erkämpfen, als nöthig ist, mit der warmen Liebe des Anfanges zu endigen. So entsteht freilich nicht ein streng gegliedertes Kunstwerk, aber vielleicht ein um so treuerer Ausdruck dessen, was man war und wollte mit dem Briefe. Eine andere Frage aber ist es nun, ob das Gleichniß hinreiche, eine gewisse Unförmlichkeit vorliegenden Romanes zu entschuldigen oder zu beschönigen. Ich bin weit entfernt, dies versuchen zu wollen; einzig und allein möchte ich durch das Gleichniß die Hoffnung andeuten, der geneigte Leser werde wenigstens, wenn auch nicht den Genuß eines reinen und meisterhaften Kunstwerkes, so doch den Eindruck einer wahr empfundenen und mannigfach bewegten Mittheilung davon tragen. – Besagte Unförmlichkeit hat ihren Grund hauptsächlich in der Art, wie der Roman in zwei verschiedene Bestandtheile auseinander fällt, nämlich in eine Selbstbiographie des Helden, nachdem er eingeführt IV ist, und in den eigentlichen Roman, worin sein weiteres Schicksal erzählt und die in der Selbstbiographie gestellte Frage gewissermaßen gelöst wird. Der eine dieser Theile ist viel zu breit, um als Episode des anderen zu gelten, und so bleibt nur zu wünschen, daß die Einheit des Inhaltes Beide genugsam möge verbinden und die getrennte Form vergessen lassen. – Ueber den eigentlichen Inhalt weiß ich hier Nichts zu sagen, als daß man das Buch leider als ein Tendenzbuch wird ansehen können, während es in der That nur insofern ein solches ist, als es mit Absicht Nichts verschweigt, was in den nothwendigen Kreis seines Stoffes gehört. Stoff und Form aber will ich hiermit bescheidenst dem ungewissen Stern jedes ersten Versuches anheim stellen.

Berlin 1853.

Der Verfasser.


Fassungen       Keller Seite       HILFE