Nr. 201*
Trät' ein fremder Wandergeselle
Schimpfend über unsre Schwelle,
Früg' ich ihn voll Zorngebrauses,
Wie er solchen Frevel wage? –
aber Ich, als Kind des Hauses
Hab' das Recht zu Spott und Klage.
Nr. 202*
Und fern mir, wie die Meeresfluth,
Geht deines Herzens Schlag
den innerlich in stiller Nacht
Ich lauschend hören mag!
Es ist dein Herz ein Spiegel,
Von Erdluft überhaucht
darein Gott oft beschaulich
doch leicht sein Auge taucht!
Nr. 203*
Februar 45.
Ballade vom dürren König.
Es war ein dürrer König, der hatt' ein Land am Meer;
Er fuhr an seinen Küsten brandschatzend hin u her.
So oft im Maienscheine erglüht sein Felsenhaus,
Zog er mit Schiff u Knechten und leeren Seckeln aus.
Wo helle Fenster blinkten entlang dem Meeresstrand,
Da klopft er an die Thüren mit seiner Knochenhand;
Und wo ein Speicher lachte, da that er einen Griff
Und füllte unersättlich sein weitgebauchtes Schiff!
Er konnte Alles brauchen und Allem war er hold,
der Linne wie der Wolle, dem Silber wie dem Gold
Im Topf nahm er den Honig, die Gerste, wie das Korn,
Den Weizen mit der Spreuer, den Ochsen sammt dem Horn!
Die Sau mit ihren Ferkeln, das Huhn mit seinem Ei –
Bis jedesmal das Fahrzeug glich einer Meierei:
Daheim hatt' er zwölf Junge und eine Königin
Und eine Königin Mutter, die harrten all' auf ihn!
Die fraßen, was er brachte, und klagten sich noch sehr
Und jagten stets aufs Neue den Dürren auf das Meer!
Und gaben ihm dann schmählich auf seinen Wellenritt,
Und allen seinen Mannen, ein Fäßlein Zwiebak mit!
So fuhr er einst bedächtig am klaren Morgen aus,
doch noch an selbem Tage, da kam ein Saus und Braus!
Ein Saus und Braus am Himmel und auf den Wassern her,
Bald hinter Schaum und Regen sah man kein Ufer mehr!
Es trieb das Schiff in's Weite und auf die hohe See;
Und als der Sturm verflogen, ward es den Schiffern weh'.
Sie kannten keine Gegend, s' war nur ein blaues Rund,
Wo sie den Anker warfen, da faßt er keinen Grund!
Und weiter, immer weiter verirrte sich die Fahrt
Und länger, immer länger der Zwieback ward gespart
O weh da half kein Sparen, am Ende ging er aus
Und grinsend saß der Hunger im engen Bretterhaus!
Drei Tage lang zu fasten ein jeder Mann vermag
Doch wird das Ding verdrießlich schon mit dem vierten Tag
Was sagt ihr zu sechs Tagen? Vermaledeiter Brauch!
Das fand der dürre König mit seinen Knechten auch.
Drum nehmen sie drei Würfel u würfeln um den Tod:
Sein Blut muß Einer lassen, sein Fleisch u Blut so roth!
Kaum hat ein armer Teufel den kleinsten Wurf gethan,
Hebt man ihn gleich zu braten u zu verspeisen an!
Und als man solchen Braten mit Grauen hat verdaut
Und wieder ein par Tage die Finger sich zerkaut
Da ging es an den Zweiten, den Dritten und so fort
bis endlich nur der König u noch ein Mann an Bord.
Man hatte ihm das Knöcheln erlassen aus Respekt,
Doch hatt' ihm drum die Mahlzeit nicht minder wohl geschmekt
Ja er fand ganz in Ordnung u trefflich diesen Schmaus
Und gafft', ein Liedlein pfeifend, dumm auf das Meer hinaus!
Und windstill ruhte weitum des Meeres klare Brust
Und öffnet ihre Tiefen dem Sonnenschein mit Lust
Der König pfiff noch immer, indeß der andre Mann,
Verdächtig nach ihm schielend, kühn auf Verschwörung sann.
Dann fing er an: Herr König! Wollt gnädigst Ihr geruh'n,
Mit Eurem letzten Knechte auch einen Wurf zu thun?
Doch Jener maß ihn starrend vom Haupte bis zum Fuß
Denn das war ihm ein fremder u ungewohnter Gruß!
Drauf schwang er zähnefletschend den Kolben auf den Knecht,
Der aber praktizirte ein nagelneues Recht:
Schlug ihm die Kron' vom Kopfe, riß ihm den Purpur ab
Und schrie: Paß' auf mein Magen wird nun ein Königsgrab!
Zog schnell ihm durch die Kehle sein Messer scharf u krumm,
Und wüthender vor Hunger wandt er ihn um u um –
er mußte liegen lassen den Leib mit Haut u Haar,
Weil er auch gar zu zähe und ungenießbar war!
Nr. 204*
Februar 45
Technisches.
1.
Ich bringe viele meiner Lieder
Mit lautem Sing und Sang zur Welt;
Mein Kämmerlein hallt klingend wieder,
Wenn mir ein Verslein wohlgefällt
Dann schaut die Sonne durch die Scheiben
Verwundert meinem Jubel zu
Und manchmal stört mein tolles Treiben
Den Nachbar aus der Mittagsruh!
Nr. 205*
Im Nordland, wo die Augen blau
Und alle Herzen bieder sind! – – – –
Nr. 206*
April 45.
Geibel.
Wohl nur den leichten Schaum vom Dichterleben:
Guitarren-, Becherklingen, Mondscheinthränen,
Hysterisch-krankhaft Kammermädchensehnen
Will uns der Bursch als Kern und Seele geben!
Und keine Spur von einem tiefern Streben,
Als sich auf einem Lotterbett zu dehnen
Und dabei noch ein dumm' u eitel Wähnen,
Als wollt' er mit im Einen Herzschlag beben!
Und dann sein Schmerz! Verscholl'ne Dichterlaunen,
Ein eigensüchtig, weichlich, grundlos Wimmern,
Und über alles noch so frech servil!
Fürwahr, man wird ihn einstens erst bestaunen,
Wenn er an seinem rechten Platz wird schimmern:
Als weinerlicher Hofnarr im Exil!]
Nr. 207*
Körner.
Und wieder rauschen alte, starre Eichen,
Der Morgen graut, u längs dem Rheine schreitet,
Indeß es Sturm von allen Thürmen läutet,
Ein Kriegerzug mit finstern Fahnenzeichen
Voran der Schaar auf luft'gem Pferde reitet
Ein schwarzer Reitersmann mit todesbleichen
doch schönen Zügen. In des Rosses Weichen
Drückt er den Sporn, indem die Schaar er leitet!
Schon hat er die Kokarde abgerissen
Seht, wie er zornig seine Klinge zieht!
Doch schmilzt der Spuck am ersten Strahl der Sonnen.
Fahr wohl nach deines Grabes Finsternissen!
Die Krieger aber han ein altes Lied:
«Das Volk steht auf, der Sturm bricht los!» begonnen.
Brentano, Kerner.
«Was sind das für possirliche Gesellen
In blut'gen Lacken u mit Räucherpfannen?
Als wollten Schätze sie und Geister bannen,
So lassen sie gar sondre Töne gellen!
Sahst Du dem Einen rothes Blut entquellen,
Indeß dem Andren stille Thränen rannen?
Sie huschten leicht u geisterhaft von dannen
Auf dieser Zeiten brausend wilden Wellen!
Auch scheinen sie ein hölzern Schwert zu tragen
Und um die Stirn ein üppiges Geflecht,
Wo zwischen Stroh die schönsten Rosen ragen?»
Sie ziehen gen die Sonne in's Gefecht;
S' sind Dichter, Freund! so laß sie ungeschlagen
Denn Dichter, weißt du, haben immer Recht!
Nr. 209*
Sallet.
Jüngst trat ich in die deutsche Dichterhalle,
Als Lehrling schüchtern dort mich umzuschauen
Und in den Nischen rings mit heilgem Grauen
Sah ich die hohen Marmorbilder alle!
Auch Harfen ruhten da von gutem Schalle,
Wovon die Meister sich beim Thee erbauen
Ein par Lebendige mit finstern Brauen
Erblickte ich, den Mund voll Zorn u Galle!
Und warm noch auf die Harfe hingefallen
Lag eine schöne Sängerleiche da,
Die mit gebrochnem Aug' gen Morgen sah!
Ich hörte noch sein letztes Lied verhallen;
So habe ich das größte Herz im Land
Mit seinem letzten Schlage noch erkannt!
Nr. 210*
Nov. 44.
Die Eine und untheilbare Freiheit.
«Fortschritt, der nie stille stehet, doch gemäßigt, doch bescheiden,
Dieses ist, wozu wir uns ja auch bekennen voller Freuden;
Doch von jener tollen Freiheit ohne Ziel und ohne Schranken,
Die die Exaltirten singen, halten fern wir die Gedanken!»
Also sprechen alle Falschen, alle Halben, alle Schwachen;
Das gerade sind die Schlangen, die man da muß überwachen!
Ja – vielleicht vor wenig Jahren glaubten wir noch an die Mähre,
Aber trefflich sorgen selber sie für eine beßre Lehre!
Freiheit kennt kein Wenn und Aber, ganz will ihren Mann sie haben,
Und der Mann soll auch vollkommen sich an ihrem Urquell laben!
Sie ist eine Himmelskuppel, die sich selber wölbt und bauet
Und nach eigenen Gesetzen in sich ihren Schlußstein schauet!
O ihr habt es überwartet und verpaßt, ihr schnöden Thoren!
Und der Unterhandlung Faden habet ihr nun schon verloren;
Keine Conzessionen wollen wir mehr nehmen oder geben,
An die untheilbare Freiheit geht es nun auf Tod und Leben!
• Nr. 211
Dezember
Der Freiheitsbaum.
Ein Tannenbaum im Schwarzwald steht,
Der wächst schon manches Jahr;
Sein Wipfel hoch in's Blaue geht,
Drin fliegt sein grünes Haar.
Die Wurzel hat den Erdengrund
Gar innig angefaßt,
Und darum bleibt der Baum gesund,
Wie auch der Nordwind ras't!
Und Alles, was auf Erden ist
Muß haben seine Zeit;
Der Tannenbaum zu seiner Frist
Zum Fällen ist bereit!
Dann schmückt man ihn, dann führt man ihn,
Den hellen Rhein entlang,
Bis mitten in die Stadt Berlin
Mit lautem Sang und Klang!
O Maienlust! o Freiheitsbaum,
So jugendlich und grün!
Wie wirst du, alter Menschentraum!
Dann ewig, ewig blüh'n!
Nr. 212*
Dezember 44
Lied der Zerrissenen.
Sie nennen uns die Zerrissenen
Von trauriger Gestalt!
Gott tröst' uns! Wir haben der Ahnen viel,
Und unsre Zunft ist alt!
Der Hutten schläft im Zürichsee,
Der Platen am blauen Meer;
Und beiden war das große Herz
zerrissen und gar so schwer!
Auch Herder war ein Zerrissener
Und Schiller ein Lumpenhund,
Sie glauben es, ob sie's auch nicht gestehn,
In ihres Herzens Grund!
Und Chamisso, der Herrliche,
Sang mehr von Schmerz, als Lust!
Und mehr, als Ein zerrissen Lied
Entströmte seiner Brust!
Ha, Byron, Byron, du Bettelmann,
Zerfetztes Dichterherz!
Und du, Torquato von Sorrent
mit deinem lausigen Schmerz!
Und du da drüben am Seinestrand,
Du wunderschönes Weib!
Dir hat ja auch die arge Welt
Zerrissen Seel und Leib!
Es lebe, was zerrissen ist,
In Lumpen hängt und zerfetzt!
Das Vaterland und das Dichtergemüth,
Und jeder Purpur zuletzt!
Der Heimathlose im Aehrenfeld,
Der Lord mit seinem Spleen,
Der blasse, schäbige Communist,
Der heilige Rock zu Trier!
Da humpelt noch der Freiligrath
Mit seinem klaffenden Riß
Willkomm! du rother Schottenbrand,
In unsre Finsterniß!
Nr. 213*
Weihnachten 44.
Basellandschäftler-Lied.
Hellauf und frisch bei Tag und Nacht,
Laß dich es nicht gereuen!
Steh' immer munter auf der Wacht,
Du junger Bund von Freien!
Gott grüße dich vor Allen,
Dich schütze seine Hand!
Du keckes, wohlgemuthes Volk,
Mein kleines Baselland!
Als einst den alten Lellenkopf
Der Teufel hat geritten,
Da hast du ihm den Wickelzopf
Im Sturme abgeschnitten!
Und biff! baff! buff! Juheißa!
Da lag er in dem Sand
Du aber hast dich frei gemacht,
mein kleines Baselland!
Und seitdem hast du immerfort
Im Vorderglied gestritten
Mit frohem Sinn, mit freiem Wort,
Mit unverdrehten Sitten!
Mit derbem Schlag der Rechten,
Verschmähend allen Tand,
Trifft stets den Nagel auf den Kopf
Mein kleines Baselland!
Du bist ein neues Licht im Haus
Und sollst es immer bleiben!
Der Freiheitsbaum schlägt wieder aus,
Wo solche Knospen treiben;
Und sind die alten Perlen
Vergraben all' im Sand,
Glänzt uns ein neuer Edelstein,
Mein kleines Baselland!
Nr. 214*
Die Luzerner u die Walliser Flüchtlinge
Mel. Auf auf! ihr Brüd<e>r u seid stark!
Wenn man ein Schweizerreislein macht
So kann es nun gescheh'n,
Zur Winterszeit, bei Schnee u Eis,
Daß Mann u Weib und Kind und Greis
Zerlumpt am Wege steh'n!
Und fragt man, wer sie Alle sind,
So heißts, daß Gotterbarm:
'Sind Schweizer vom Luzernerland,
'Sind Schweizer von der Rhone Strand,
Geplündert, nackt und arm!
Und während sie nun heimathlos
Durchziehn das Vaterland,
Verprasst die Jesuitenbrut
Zu Hause ihnen Hab u Gut
Zu unser Aller Schand'
Das wäre mir die rechte Art
Wenn's also müßte geh'n!
Potz alle Welt und Erdengrund!
Potzschwerenoth und Schweizerbund
Da wollen wir 'mal seh'n!
Uns, uns gehört das Schweizerland
Mit seinem Kräuterduft!
Mit Berg u Thal und Alphornsklang,
Mit Land u See u Freiheitssang,
Mit seiner Himmelsluft!
Und Wir, die freie Kinder all'
Der freien Mutter sind,
Wir sollten aus dem Lande zieh'n
Und vor des Satans Garde flieh'n,
Vor wälschem Blast und Wind?
Brich auf wie ein Lawinenfall
O Volk mit ganzer Macht!
zu Hülfe dem bedrängten Freund!
Hinaus! Hinaus den bösen Feind,
Der solchen Schimpf gebracht!
Und aber unser Losungswort
Und unser Wahlspruch sei:
«Was römisch pfäffisch gleißt u beißt,
Was jesuitisch ist u heißt,
Ist und bleibt vogelfrei!»
Nr. 215*
Dezember 44.
Lied der Freischaaren. Melod: Frisch auf zum fröhlichen Jagen.
Auf ladet euere Büchsen
Mit Pulver und mit Blei!
Wir wollen jagen und suchen,
Wo unsre Freiheit sei!
Wir wollen ein Mal spazieren
Im schönen Vaterland!
Und wer uns d'ran will hindern
Muß fallen von unsrer Hand
Allauf und über die Berge,
Durch Wälder und über die See'n!
Hei! wie so frisch und schneidig
Die Schweizerlüfte weh'n!
Wie steigen die Silberhörner
Noch immer zum Himmel auf
Es wallen die Silberflüsse
Noch immer den alten Lauf!
Vom Jura bis zum Splügen,
Vom Rhodan bis zum Rhein
Muß doch noch wo zu finden
Die alte Freiheit sein!
Nr. 216
Fahnenlied.
Die Fahne, der ich folgen muß,
Ist purpurroth und weiß,
Wie blutigrother Morgengruß
Auf reinem Gletschereis!
In Fetzen hängt sie hoch und stolz
Und peitscht die Hi?elsluft!
Doch unten um das Fahnenholz
Steigt auf ein Leichenduft!
Es streiten zwei Partheien sich,
Es ringen Tag und Nacht;
Sie steh'n und schlagen bitterlich
Sich um die Fahnenwacht!
O Freiheit mein! O Fahne mein!
Wann Du mußt untergeh'n,
Dann sollst die letzte Stunde sein
Und Niemand aufersteh'n!
Dann treff' uns des Vergessens Fluch
Und unser schlecht' Gebein!
Dann sollst du unser Leichentuch
Und unser Grabhemd sein!
Nr. 217*
``Drei Narren unter einem Hut¨
Es schwebt ein breiter, schwarzer Hut
Dicht ob den Schweizergauen
Darunter man mit Staunen thut
Ein feines Kleeblatt schauen!
Herr Siegwart ist ein Ehrenmann,
Landauf- und ab der Beste!
Und mancher Baum im grünen Tann
Hat schrecklich leere Aeste!
Im Osten sitzt Herr Gartnerbaum
Ganz traurig und verlassen!
Er sieht den gold'nen Bischoffstraum
Schon jämmerlich erblassen.
Herr Bürgermeister ex in spe
Sitzt bei geleerten Flaschen,
Wirft Seife in den Zürchersee,
Die Schlappe abzuwaschen!
Es ist ein Knistern überall
Als thät man Kugeln gießen,
Und überall mit wildem Schall
Blutroth die Brünnlein fließen.
Die Drei dreh'n fast die Augen aus
Und schielen nach den Grenzen,
Ob wohl nicht bald vor Hof u Haus
Östreich's Kanonen glänzen (??????)
«B'hüt Gott uns vor ung'rechtem Gut
Und alle böse Wege!
Gang, Vetter! läng mer jetz de Hut!
I Glaub', es chunt e Rege!»
Nr. 218*
Dr. Brenner.
Es ist uns wahrlich ein lustiger Spaß
Ganz frisch in die Ohren gekommen:
Dem Brenner in Basel haben sie das
Aktiv-Bürgerrecht genommen!
Warum? Weil er neulich zu Felde zog
Als gefährlicher Bundsrevoluzzer,
Weil er den Luzernern zu Hülfe flog
Mit Pulverhorn u Stutzer!
Wir müssen ihn wieder zu Ehren ziehn,
Ansonsten vergeht er vor Schande:
Er soll der aktiveste Bürger syn
Im ganzen Schweizerlande!
Aktiv! Aktiv! ja das ist das Wort!
Das brennt wie glühende Kohlen!
Wer nicht handelt u wandelt nun fort u fort,
Den soll der Guguk holen!
Es zieht ein Komet mit feurigem Schweif
Und will an der Sonne rütteln:
Ich merke, die Herren von Basel sind reif,
Man muß sie nächstens schütteln!
Nr. 219*
Schlosser Münch in Basel.
[...]
Nr. 220*
Die Jesuiten in Luzern eingezogen.
So ist der schöne Traum verflogen
Von freier kühner Männerthat
Und sie sind wirklich eingezogen,
Die Schlangen, in der Bundesstadt?
So haben sie das Gift getrunken,
Die Brüder, das den Tod verbürgt,
Und wieder wär' ein Glied gesunken,
Aus unsern Reihen hingewürgt?
Es ist ein Sterben aller Enden:
Erst Wallis, nun Luzern vorbei!
Der schwarze Tod! im nächsten Mai?
Sei's drum! Es komme das Verderben
Wir wollen Alle untergeh'n
Wir wollen miteinander sterben
Und, wie die Sonne, aufersteh'n!
Wir wollen aus dem Lethe trinken
Vergessend all' das alte Leid!
Wir wollen in die Gräber sinken
Als ein zerrissen Fastnachtskleid
Doch wann dann auf der Muttererde
Des neuen Lenzes Düfte wehn,
Mit Einem Schilde, Einem Schwerte
Und Einem Wappen auferstehn!
Nr. 221*
[Antijesuiten-Verein.
Nun auf! u schlaget Hand in Hand
Von Ost bis West von Nord bis Süd
Und schlingt ein starkes Männerband
Das weit das ganze Land durchzieht!
Und in die Mitte nehmt den Feind,
den schwarzen Jesuitentroß,
Und drauf u dran auf ihn vereint,
Bis wir gesprengt den schweren Kloß!
Wir ruhen nicht und ruhen nicht
Und lassen nicht von dem Gewehr,
Bis daß der Feind im Staube kriecht
Kein Jesuit im Lande mehr!
Kein Stein soll auf dem andern sein,
Wo ihre Drachenhöhlen steh'n!
Laßt Salz uns auf die Stätten streu'n
Die Asche soll der Wind verwehn!
Und froh dabei und wohlgemuth
Mit Jubelsang und Cimbelschlag
Für uns ist ja der Sonne Gluth,
Mit uns der fröhlich heitre Tag!
Dann sagt die Welt: Potz Stern u Kreuz!
Schaut her, die in den Bergen liegt,
Die kleine, doch die freie Schweiz,
Hat uns das große Thier besiegt!]
Nr. 222*
[Kugelgießen.
Wie glimmen doch die Kohlen
so düster und so roth!
Gott, dir sei anbefohlen
All' unsre schwere Sorg und Noth!
Wie gleißet in der Kelle
Das Blei mit blassem Schein!
Du heiße Todesquelle
Sollst unsre letzte Hülfe sein!
Und haben wir getragen den langen Tag,
Gelitten u getragen die alte Plag'
So lassen wir's am Abend uns nicht verdrießen
Und wollen flink u rüstig noch Kugeln gießen!
Du schwerer Kugelsaame, du blanke Saat,
Sollst uns die Frucht gebären, die kühne That!
Das Brachfeld ist lebendig, doch schwarz und schaurig,
'Sind Jesuitenherzen verkohlt und traurig!
Aus jedem Saamenkorne, das wir da säe'n,
Soll eine Lebensrose für uns ersteh'n
Sie haben es erzwungen mit starrem Sinne,
Wolan, so soll erblühen die Todesminne!
Wie glimmen doch d...
Und ist kein Blei mehr da, so reiche dein Zinn,
Die Kannen, Schüsseln, Teller, Frau Hauswirthinn!
Auch schlagt die Fensterlein ein, die alten blinden,
Die Sonne wird nur besser den Eingang finden!
Was soll der Silberpokale eitler Tand?
Im Felde trinkt man besser aus hohler Hand;
Das Silber schmelzen wir ein, den Fluch der Erden,
Es soll ein Nothpfennig uns in Kugeln werden!
Und dann entgegen dem Feind mit sichrem Arm!
Sind Vaterlandssöhn' u Brüder, daß Gotterbarm!
Jedoch für jede Kugel, die wir verjagen,
Woll'n wir die eig'ne Brust entgegentragen!
Verglommen sind die Kohlen
So düster u so roth!
Gott, dir sei anbefohlen
All' unsre schwere Sorg u Noth!
Die schweren Kugeln rollen,
Nun sammelt alle ein!
Die Wohlgerath'nen sollen
Nun uns're blanke Baarschaft sein!
Es funkelt uns ein Becher mit Fall u Sieg,
Ein bittrer Wermuthbecher, der Bürgerkrieg
Und kann's nicht ander's sein, ihr Feinde u Brüder,
Wohlan, faßt an den Becher u trinkt ihn nieder!
Ihr wollet Nacht und Dunkel – Wir Tag und Licht!
Ihr wollet Schmach u Schande – Wir aber nicht!
Das Land jedoch ist klein und es wird nicht reichen:
Entweder muß die Freiheit – die Knechtschaft weichen!
Schwingt Ihr des Pabstes Fahne – Wir schwingen mit Macht
Das weiß u rothe Banner in seiner Pracht
Nun Bruder gegen Bruder – es ströme das Blut
Das Auge darf nicht seh'n, was die Rechte thut!]
Nr. 223*
Januar 45.
Es schleichen fahle Gesellen
Im blühenden Lenze herum,
Vom Tode angefressen
Im Verwesungsdelirium!
Fort mit den Vogelscheuchen,
Fort, wo sie gehn und steh'n:
Das trächtige Vieh im Grünen
Könnt' sich an ihnen versehn!
Thut auf die Katakomben
Voll Moder und Leichenduft!
Hinunter die wandelnden Leichen,
Hinab in die Todtengruft!
Nr. 224*
Februar 45.
An Ronge und Czerski.
Grüß' Euch mit vollem Glanz das Licht der Sonnen,
Das lebt u webt ob allem deutschen Land!
Fließ' Euch mit frischem Quell der heil'ge Bronnen,
Der da seit Luther wieder trocken stand!
Der goldne Tempelbau, der einst begonnen,
Blüh' freudig wieder unter Eurer Hand!
Wollt all die blauen deutschen Augen fragen:
Sie schauen hoffend nur auf Euer Wagen!
Du deutsches Pfäfflein, Ronge! hast zerrissen
Die Vogelscheuche, die im Garten hing,
Im grünen Eichengarten! Hast zerrissen
Den Lappen, d'rin der Aar sich fast verfing!
Den tollen Faschingsrock hast du zerrissen,
Darin der dumme Teufel sich erging!
Das lohnt dir Gott mit seinem Gottessegen
Und Jener auch, der einst am Kreuz gelegen!
Du Deutsches Pfäfflein, Czerski! hast geschnitten,
Ein silbern Blümlein aus des Pabstes Kleid!
Und krampfhaft zuckend nur hat ers gelitten,
Und litt noch lange nicht sein größtes Leid!
Bald steht vielleicht, den Gärtner in der Mitten
Der ganze Himmelsgarten uns bereit.
Mit seinem Rosenglanz, mit seinen Reben:
Die alten Deutschen Pfäfflein sollen leben!
Seht, wie sie jucken, wie sie ängstlich toben,
Die röm'schen Pfäfflein mit gebrochnem Muth!
Und jene, die aus Schwarz u Grau gewoben,
die after-luther'sche Zelotenbrut,
Wie sie mit saurem Lächeln muß beloben,
Was ihr in Wallung jagt das weiße Blut!
Es überläuft sie Alle nur Ein Schrecken,
Weil längst sie unter Einem Mantel stecken!
• Nr. 225
März 1845.
Liebesspiegel.
An die Freiheit.
Die in den Sternen strahlt, auf Meeren ruht,
Im Schmetterling von Blum' zu Blume schwebt
Und heiß aufathmet in des Aetna Glut!
Die wagend mit dem Aar zur Sonne strebt
Die feurig in des Jünglings Adern wallt
Und sehnend in der Jungfrau Busen lebt!
Von meiner Heimath Bergen freudig schallt,
Wenn auch im Thal die wilden Stürme toben,
In Deutschlands Eichen leise wiederhallt
Die unablässig alle Völker loben,
Und schmählich doch verrathen jeden Tag,
Jedoch von Gott getreulich aufgehoben,
Bis Dich einst jedes Herz erfassen mag,
O Schönste Dame, die ich nicht will nennen,
doch der da zittert meines Blutes Schlag:
Ich will vor Dir ein Myrthenreis verbrennen,
Ein Abgedorrtes aus der Jugendzeit
Dir meinen zarten Morgentraum bekennen!
Wem hätt' ich besser auch dieß Lied geweiht,
Als Dir, du Gotteskind, das man mit Recht
dem Lieblichsten, den Frauen, angereiht?
Nicht weiß ich wahrlich, ob der Frau'n Geschlecht
Dich zieret, oder Du Ihm Zierde bist:
Doch bin ich immer euer beider Knecht.
Und Euch vereint mein Lied gesungen ist!
I.
Ich will spiegeln mich in jenen Tagen,
Die wie Lindenwipfelweh'n entfloh'n
Wo die Silbersaite, angeschlagen,
Klar, doch bebend, gab den ersten Ton!
Der mein Leben lang,
Erst heut' noch, wiederklang,
Ob die Saite längst zerrissen schon!
Wo ich ohne Tugend, ohne Sünde,
Weiß wie Schnee, rein vor der Sonne lag,
Wo dem Kinderauge noch die Binde
Lind verbarg den schmerzlich hellen Tag!
Du entschwundne Welt,
Klingst über Wald und Feld,
Hinter mir, wie ferner Wachtelschlag!
Wie so fabelhaft ist hingegangen
Jene Zeit voll zarter Frühlingspracht,
Wo, von Mutterliebe noch umfangen
Schon die Jugendliebe leis' erwacht'
Wie von Sonnenschein
Durchspielt ein Edelstein,
Den ein Glücklicher an's Licht gebracht!
Und, die weiße Rose in der Mitte,
That sich auf der ganze Blumenflor,
Blühte und erstarkte jede Sitte
Und die Hoffnung stand am Lebensthor
Alles wundert' sich,
Ich aber freute mich,
Bis ich das Geheimniß selbst verlor
Leichter Geist, wenn du auf deinen Fahrten
Sternenhin u wieder wirst durchziehn,
Wird dir nicht im ew'gen Gottesgarten
Ein vertrauter Schein entgegenglüh'n?
O die Welt ist weit,
Kann nicht die Jugendzeit
Irgendwo noch einmal für mich blüh'n?
Träumerei! Was sollten Jene hoffen,
Die nicht sahn der Jugend Herrlichkeit!
Die ein unnatürlich Loos getroffen,
Frucht zu bringen ohne Blüthenzeit!
Ach was man nicht kennt,
Darnach das Herz nicht brennt
Und bleibt kalt dafür in Ewigkeit!
Ja, s' gibt Lücken in den Lebensringen
Die das Menschenherz durchwandern muß!
Blindlings muß der Eine überspringen,
Das den Andern lokt mit heißem Kuß
Und was rückwärts steht,
Das hat der Wind verweht!
Fahre wohl, du Jugendmaiengruß!
In den Waldeskronen meines Lebens,
Säusle fort, du kühles Morgenwehn!
Leuchte mir, o Sonne meines Strebens,
Laß mich treu in deinem Scheine gehn!
Rankend Immergrün
Soll meinen Stab umblüh'n
Doch noch Einmal will ich rückwärts^seh'n!
Von heißer Lebenslust entglüht
Hab' ich das Sommerland durchstreift;
Drob ist der Tag schön abgeblüht
Und zu der schönsten Nacht gereift!
Ich trete auf des Berges Rücken
Einsam in's off'ne Waldesthor
Und beuge mich mit trunknen Blicken
hoch in die stille Landschaft vor!
Am andern Hügel drüben steht
Im Sternenschein das liebe Haus,
Aus seinem off'nen Fenster weht
Ein Vorhang in die Nacht hinaus!
Das ist fürwahr ein luftig Gitter,
das mir mein Fräulein dort verschließt!
Nur Schade, daß mir armem Ritter,
Der Thalstrom noch dazwischen fließt!
Zieh' du für mich, mein leichter Sang,
Hinüber in der Liebsten Brust!
Vielleicht trägt ihr dein ferner Klang
Zu Herzen meine Dichterlust!
Ja ich will ihr ein Ständchen bringen,
Das weithin durch die Lüfte schallt!
So spiele du zu meinem Singen
O Sommernacht, auf Thal und Wald!
Dein Saitenspiel im Thale liegt,
Die feinen Silberbächlein all'!
Den Tann, der auf den Höh'n sich wiegt
Laß rauschen mir, wie Orgelschall!
Das Elfensummen und das Kosen
Das schwellend alle Kelche regt
Vereine mit des Stromes Tosen,
Der seine Wogen thalwärts trägt!
Im Süden zieht ein Wetter auf,
Schnell werb' ich's für mein Ständ'chen an;
Doch nehm' es fernhin seinen Lauf,
Daß ich es übertönen kann!
Die Mühlen sind die Hakbrettschläger
Zuhinterst in des Thales Grund,
Die Sterne meine Fackelträger,
Die leuchten mir im weiten Rund!
Nun will ich singen überlaut
Vor allem Land, das grünt und blüht!
Es ist kein Baum so hoch gebaut,
Darüberhin mein Sang nicht zieht.
Will eine Liederbrücke schlagen,
Aus meiner Brust in ihre Brust!
Herz, wandle drauf, bis es will tagen,
Und wecke Sie zu gleicher Lust!
• Nr. 228
O Leib meiner Dame, du köstlicher Schrein,
Wo Gott seine köstlichste Perl' legt hinein!
Nun ruhst du u schläfst du, doch in dir erstrahlt
Die träumende Perle im sonnigsten Schein!
Den zartesten Liljengeist bergender Kelch,
Des reinsten Gedankens still blühendes Sein
O wär' ich, du Kleinod, dein Schatzmeister nur,
Dürft' ich mich, du Blume, zum Gärtner dir weih'n!
Mit Liebe umschließen dich innig u fest,
Wie treu schützend Gold einen funkelnden Stein!
Dann trüg' ich die Erde, den Himmel, die Welt
Beisammen als Herzschmuck, geläutert u rein!
Dann tränk' ich die klareste Seele aus dir,
Du zierlicher Becher, wie perlenden Wein!
Schlaf sanft und schlaf' selig du köstlicher Leib,
Indessen ist träumend die Seele ja mein!
• Nr. 229
Es bricht aus mir ein bunter Faschingszug
Und zieht dahin mit tönendem Gepränge!
Thalüber wallt im luftigen Gedränge
Ein Bilderreigen mein Gedankenflug!
Wie spielend sie die Luft hinüber trug,
So ranken sich, ein üppig Laubgehänge
Bis auf zum Giebel meine Nachtgesänge
rings um ihr Haus, ein zauberischer Trug!
Es rauscht u schwillt und bricht in's Schlafgemach
Und singt u klingt die reine Seele wach
Betäubt fällt sie in meine Blumenschlingen!
Nun ist es Zeit, mein Herz! mach' dich hinzu!
Nachtwandelnd weiß sie's nicht u lauscht in Ruh:
Kannst Alles, Alles ihr zu Ohren bringen!
• Nr. 230
Hör' an, mein Kind! was ich Dir kosend sage
Wie mich ein Traum betrog so wunderbar:
Es war an einem stillen Feiertage,
Als ich mit Dir bei Gott im Himmel war!
Er schaute eben noch vom Taubenschlage
Aus in die Sonntagswelt, so weit und klar
Und ob dem fernen Glockenklang allmählig
entschlief er auf ein Stündchen sanft u selig.
Man hörte kaum die Menschen unten singen,
Im Himmel aber ward es still und leer
Nur an der Sternenuhr das Pendelschwingen
Klang langsam und gemessen hin und her
Und mäuschenstill, in seligem Umschlingen
Sah ich in deines Aug's urtiefes Meer
Da hatte plötzlich ich den Muth gefunden:
Bath um den ersten Kuß Dich unumwunden!
«"Um dreie von den Sternen, die dort schweben,
Geb ich Dir, Lieber, meinen ersten Kuß!"
So sagtest lächelnd du, mein süßes Leben.
Ich aber eilte, schon im Vorgenuß,
Die Gold'nen aus den Angeln zu erheben
Und brachte sechse dir zum Ueberfluß
Du aber drauf: Wie mich die Dinger laben,
Um noch zwölf andre sollst den Kuß du haben!
So ging es fort; verdoppelt immer wieder
erhöhtest Du den theu'ren Liebespreis
Und zwiefach dürstend holte ich hernieder
Dir Stern um Stern aus ihrer Brüder Kreis
Du schmücktest emsig deine schönen Glieder,
Verlachend heimlich meinen heißen Fleiß!
Und zu erkaufen meine höchste Wonne,
Blieb mir am Ende nur noch Mond und Sonne!
Ich brachte sie; und um die Stirne hingest
Die helle Sonne du mit stolzer Lust
Mit Sternen du den Schwanenhals umfingest,
Der Mond erstrahlte mild an deiner Brust
Dann Himmelauf- und ab du dich ergingest,
All deiner Schönheit siegreich dir bewußt
Von dir allein nun strömte alle Helle
Ich lag vor dir, als vor des Lichtes Quelle
Der Himmel ruhte noch im tiefsten Schweigen
Wie vor dem jüngsten Tag ein stilles Grab!
Und eben wolltest du dich seelig neigen
gerührt, bezwungen, sanft auf mich herab,
Die süße Gunst mir endlich zu erzeigen,
wofür ich Sterne, Sonn' u Mond dir gab:
Da brach ein Angstschrei durch des Himmels Hallen,
Als wollt die Welt aus ihren Fugen fallen.
Indem ich dir den Sternenschmuck errungen
Hatt' ich die Welt um Licht und Zeit gebracht
Deß' hatte sich die Klage aufgeschwungen,
Und schreiend lag die Erde in der Nacht
Der erst so friedlich in den Schlaf gesungen,
Gott Vater ist da zornig aufgewacht
Verweisend mir an meiner Schulter rüttelnd
Du flohst davon, den Schimmer von dir schüttelnd!
Du flohst davon und lachtest mit Behagen,
Indessen ich mit saurem Schweiß begann
Die Sterne wieder alle fort zu tragen,
Und sie zu ordnen mühsam mich besann
So hatte sich der Handel schon zerschlagen
Von welchem ich so bösen Lohn gewann.
Heut ist an dir das Träumen und das Dichten
Willst du mir nun die süße Schuld entrichten?
Ich ging am grünen Berge hin, wo sich der Weih im Aether wiegt
Und reisemüd' der Sonnenstrahl ausruhend auf der Quelle liegt,
Wo wilde Rosen einsam blüh'n, die Föhre hoch den Gipfel kränzt
Und drüberhin noch eine Burg von weißen Sommerwolken glänzt.
Ich dacht' an Dich, mein süßes Kind, an unsrer Herzen stillen Schlag,
An unser heimlich Liebesband und was daraus noch werden mag!
Ich dachte noch gar mancherlei, was sehnend mir die Brust bewegt,
Und was auch jetzt im Traum vielleicht dein spiegelklar Gemüth erregt.
Und wie in solcher Weihezeit mein Gott schon manchmal zu mir trat
Erschien er jetzo in des Berges jugendgrüner Eichensaat.
Der jungen Stämme schlanke Schaar umwankte säuselnd seine Kniee,
So groß und herrlich ging er her vor meiner regen Phantasie.
Sein Haupthaar war wie Morgengold und wallte gar so reich u schwer
In den kristallnen Augen ruht' ein ätherblaues Liebesmeer
Ein Regenbogen zog um ihn als Gurt die edle Farbenlust
Er trug 'nen weißen Blüthenstraus von jungen Linden an der Brust!
Es traf mich seines Auges Strahl wie warmer Sonnenschein im Mai
Und als Er meinen Namen sprach, erhob mein Haupt ich stolz u frei.
Ich wuchs und blühte rasch empor, daß ich mir selbst ein Wunder schien
Und wandelte mit leichtem Schritt an Gottes hoher Seite hin!
Und plaudernd nun erzählte ich Gott all' mein irdisch Thun u Sein;
Doch alles dies besteht ja nur aus dir, aus dir, du feines Kind,allein!
Aus vollem Herzen sprach ich drum von dir, von dir die ganze Zeit,
Er aber spiegelt' lächelnd sich in meiner frohen Seligkeit!
Dann trug ich I<h>m auch klagend vor, wie ich so gar ein armes Blut,
Und bat darauf um Haus und Hof, um Bett und Schrein, um Geld u Gut
Um Garten, Feld u Rebenland, um eine ganze Heimath traut,
Darin ich Dich empfangen könnt als reichgeschmückte werthe Braut!
Es mußte doch einmal geschehn: drum schilt mich nicht u werd' nicht roth,
Hör' an, wie mir der Herr für dich gar eine schöne Mitgift bot!
Er sprach: Zu wenig u zu viel hast du verlangt, mein lieber Sohn
Drum thue ich noch viel dazu u nehm' ein wenig noch davon
Ich gebe Euch nicht Haus und Hof, doch meine ganze, reiche Welt,
Darinnen ihr Euch lieben könnt, wie's Euren Herzen wohlgefällt!
Zwei jungen Seelen ist zu eng das größte Haus, sei's noch so weit,
Doch finden sie noch eben Raum in meiner Schöpfung Herrlichkeit.
Der ganze Lenz soll Euer sein, so weit nur eine Blume blüht,
Doch nicht das allerkleinste Beet, um das sich eine Hecke zieht;
Ich gebe Euch kein Prunkgemach, kein Silberzeug, kein Kerzenlicht,
Weil Euch ob silbernem Bronnenschall sich Stern an Stern zum Kranze flicht.
Und Alles soll besonders blühn und schöner für Euch, wo Ihr geht,
Dieweil Euch für mein Paradies ein eigen Pförtlein offen steht
So führe deine junge Braut getrost in deine Heimath ein
Brautführer soll mein lieblichster und allerschönster Frühling sein!
Die Armuth sei die Ehrendam' bei deines Herzens Königin
Ihr hübscher, zarter Page sei ein immergrüner Jugendsinn
Zum Haushofmeister geb ich Euch ein leicht u fröhlich Gottvertrau'n,
Es ist ein klug erfahrner Mann, dürft auf ihn, wie auf Felsen, bau'n.»
Ist unser Haus nicht gut bestellt und auserlesen das Gesind?
So zaudre nun nicht länger mehr und folge mir, du blödes Kind!
Ich glaub', auf deinen Wangen spielt vom Morgenroth ein Widerschein:
So bald die Sonn' am Himmel steht, will ich als Freier bei dir sein!
Die Sonne fährt durch's Morgenthor,
Goldfunkelnd über den Bergen.
Und wie zwei Veilchen im frühen Mai
Zwei blaue Augen, klar u frei
Die blühen auf ihren Wegen
geöffnet Ihr entgegen!
Glück auf! Mein Liebchen ist erwacht
mit purpurrothen Wangen!
Ihr Fenster glitzert im Morgenstrahl
Und alle Blumen in Garten und Thal
Erwarten Sie mit Sehnen,
Die Aeuglein voller Thränen!
Es ist nichts Schöneres in der Welt,
Als diese grüne Erde:
Wenn man darauf ein Schätzlein hat,
Ein Schätzlein, das da früh u spat
Still für mich lebt und blühet,
Ein heimlich Feuerlein, glühet!
Halloh! du schläfriger Jägersmann,
Wie reibst du deine Augen!
Ich hab' die ganze Nacht durchschwärmt
Und mich am Mondenlicht gewärmt
Und steige frisch und munter
Von meinem Berg herunter!
Mein Mädchen durch den Garten geht
Und singt halblaute Weisen!
Mich dünkt, ich kenne der Lieder Ton,
Was gilts, ich habe sie alle schon
Heut Nacht da droben gesungen?
Sie sind herüber geklungen!
Wie ein Fischlein in dem Netz
Hat der Dom mich eingefangen,
Und da bin ich fest gebannt,
Warum bin ich hingegangen?
Ach, wie unter Sonnenblumen,
Morgenfeucht ein Röslein blitzt
Zwischen breiten Bürgersfrauen
Dort mein feines Liebchen sitzt!
Die Gemeinde schläft u schnarcht,
Wie das Laub im Walde rauschet
Und der Bettler an der Thür
Wie ein Räuber auf sie lauschet.
Doch ein freundlich Wiesenbächlein
Murmelnd durch's Gebüsche flieht
So die lange, dünne Predigt
Schlängelnd durch die Kirche zieht!
Eichenbäume, alt und schlank,
All' die gothischen Pfeiler ragen
Hoch ein zierlich Blätterdach
Ihre breiten Aeste tragen
Drunter durch spielt hin und wieder
In den Dämmer der Sonnenschein
Wachend sind in dieser Stille
Meine Braut und ich allein.
Zwischen uns spinnt sich ein Netz
Buntgefärbter Sonnenstrahlen,
Die den Taufstein mitten drin
Feenhaft ganz übermalen.
Rosenketten, Liebesgötter
flattern um den alten Knauf
Und es wacht in unsren Herzen
Eine heiße Sehnsucht auf!
Weit hinaus, in's Morgenland,
Komm, mein Schatz, u laß uns fliehen
Wo die Palmen schwanken am Meer
Rosen hoch, wie Feuer glühen
Fluthend um die große Sonne
Grundlos tief die Himmel blau'n:
Angesicht's der freien Wogen
Frei u ewig uns zu trau'n!
Schon war die letzte Schwalbe fort
Und längst seit vielen Wochen auch
Die letzte Lilje abgedorrt
Nach altem Erdenbrauch.
Es flimmerte der Buchenhain
Wie Rauschgold roth im Abendlicht.
Herbstsonne gibt gar sondren Schein,
Der manche Hoffnung bricht.
Da traf ich Sie im Walde an,
Nach der allein mein Herz begehrt,
Mit weißen Kleidern angethan
Vom rothen Schein verklärt
Sie war allein; doch grüßt ich Sie
Nur ehrfurchtsvoll im Weitergeh'n,
Weil ich Sie, seit ich liebte, nie
So still u schön gesehn.
Doch schaut aus ihrem Angesicht
Ein fremdes Etwas kalt hervor
Es lag vor ihrer Augen Licht
Wie leichter schwarzer Flor.
Es war, als ob dicht hinter Ihr
Ein Schatten schwebt' im Abendstrahl,
der gaukelnd, lachend gegen mir,
Ihr folgte durch das Thal!
«Mir ist ein Rival aufgewacht!»
Sprach ich u sah in's Abendroth,
Bis es erlosch und bis die Nacht
Die kalte Hand mir both!
Vergangen ist schon manches Jahr
seit jenem glühen Abendroth;
nun weiß ich, wer der Rival war:
Es war der blasse Tod!
• Nr. 235
Ein lustiger Mediziner
War dazumal mein Freund;
Wir saßen bei vollem Glase
Um Mitternacht vereint.
Ich sprach ihm von meiner Liebe,
Indessen er zecht' u sang
Und meine Worte verhallten
Im wilden Gläserklang!
Doch sprach ich immer u stärker
Mit höherer Liebesgluth,
Ich wollte damit dämmen
Mein bange wallendes Blut.
Da wurde Er ungeduldig
Und sagte mit barschem Ton:
Ich kenne deine Geliebte
Und rathe dir ab davon!
Ich rathe dir ab, sonst bist du
Ein Wittwer im nächsten Mai,
denn dann liegt sie im Sarge
'ne Leiche, frank u frei!
Die Rosen sind eitel Hektik
Auf ihrem schmalen Gesicht
Ich hörte Sie heute husten
Und das gefällt mir nicht!
Wohl ist sie ein feines Wesen,
doch eben nur allzufein
Laß fahren den sterblichen Engel,
Sonst trift dich Kummer u Pein!
Die rohen Worte schnitten
mir tief in die Seele ein,
Und darum, weil leicht was Wahres
An ihnen konnte sein!
Jedoch mein armes Liebchen
Gewann einen Zauber mehr
Nein nein, sie kann nicht sterben,
Wir lieben uns gar zu sehr
Am Morgen ward ich ruhig,
Als die Sonne ins Zimmer fiel
Ich sah durch's Fenster fröhlich
Der jagenden Wolken Spiel
Ich rief: Er sprach's im Rausche
u ich war gestern ein Thor
Es lebe das rosige Leben
Und meine Liebe zuvor!
Es schneit und eist schon manchen Tag,
Der Frost umfängt mich scharf und blank
Und wie ich mich gebehrden mag,
Nun liegt sie wirklich ernsthaft krank!
Verödet ist das Paradies,
Das sonst auf ihrem Angesicht!
Nur zitternd blieb und ungewiß
Der Augen mildes Sternenlicht!
Nur wenn ich alle Tag ein Mal
An ihrem Krankenlager bin
so fällt ein sichrer, klarer Strahl
Auf meine feuchten Augen hin.
Und wenn wir so beisammen sind,
dann lieb ich, still sie anzuschau'n
Und träumend um das liebe Kind
den Frühling wieder aufzubau'n!
Noch ziert den Mund ein leichtes Roth
und immer eines Kusses werth
Sie läßt's geschehen, weil die Noth
die Menschenkinder bethen lehrt!
«Ich lieb' nicht deinen Mund,
Nur deine Seele ganz allein,
Im Frühling wollen wir gesund
Und beide wieder fröhlich sein!
Und wenn der Arzt kommt, lügen wir
Ihn trostlich voller Hoffnung an
Doch hab' ich heimlich neben ihr
Zu Gott manch' heiß Gebeth gethan!
Das ist der erste Kummer, so
mir schwer u ernst in's Leben bricht
Wie werd' ich wieder leicht u froh,
Wenn ihm der Lenz das Urtheil spricht!
• Nr. 237
Ich habe Sie gesehen
Auf Blumen in einem Sarg,
das bleiche traute Antlitz
Ein weißes Tüchlein barg
Ich hob es in die Höhe,
Und legte meine Hand
Auf ihre dunklen Augen,
Auf ihre kalte Hand!
Auf ihre verschlossnen Lippen
Fahr wohl du blühendes Roth!
O weh mir! ich mußte sagen:
Nun wahrlich ist sie todt!
Da liegt die Sommerrose,
Die einst so purpur'n gelacht
Es hat ein fremder Künstler
Eine weiße aus ihr gemacht!
Da liegt sie so starr u traurig,
Als hätte sie nie gelebt!
Ach Gott! es nimmt mich wunder,
wo ihre Seele schwebt!
Kein Laut, kein Hauch, kein Ahnen,
kein Flüstern um mich her
Der Leib und ich in der Kammer
Und sonst so still u leer!
Ich habe gespielt mit dem Leben
Und habe den Tod verlacht
Nun ist er über mich kommen
ganz höhnisch über Nacht.
• Nr. 238
Ich fahre mit den Winden
Die fächelnd vor dem Sommer wehn,
Wo Klang u Duft sich finden,
Kann man mich immer sehn!
Des Leben's süßes Schmeicheln
Gewann mich für den neuen Bund.
Nein, nein! ich mag nicht heucheln:
Ich fühle mich gesund!
Durch fremde Städt' und Auen
Trag ich mein Herz voll Sang u Klang
Die Blumen u die Frauen
Blühn mir den Weg entlang.
Die Blumen brech' ich gerne,
so oft mir's Eine angethan,
Doch sicher aus der Ferne,
schau' ich die Frauen an.
Ich lieb' sie in's Gemeine,
Wie einen vollen Rosenkranz
S'wär Schade, wenn ich Eine
entzöge solchem Glanz!
Doch fallen hin und wieder
Im Wind den Rosen Blätter ab,
die sinken in mich nieder
auf ein verborgen Grab.
Da liegt von welkem Schimmer
und Blüthenschutt ein dichter Flor
draus ragt das Grabmal immer
und lieblicher hervor!
• Nr. 239
Durch's Frühroth zog das Wolkenschiff vor einem hellen Frühlingstag
Als ich, ein träumend Schülerkind, im morgenstillen Felde lag
Ein Falter streifte meine Stirn und vor mir eine Lilje stand,
Ich aber schaute drüber hin in's silber duft'ge Morgenland!
Das ganze Erdreich schwoll empor in tausendfacher Blüthenlust,
Doch mächtiger schwoll Traum an Traum u Bild an Bild aus meiner Brust
Das war die duftige Kinderwelt, an deren Scheide ich mich fand,
Die wie die erste Blüthe sich, am Lebensbaume, mir entwand!
Sie baute sich noch Ein Mal auf mit letztem Glanz, im letzten Flor,
Ein lieblich wunderlicher Bau, ein Feentempel stieg empor
von hundert Säulchen zart wie Glas, Altärlein, Nischen Bildchen drin,
Bepriestert war das Gotteshaus nach mystisch heilgem Kindersinn!
Und mitten in dem Tempel stand durchsichtig ein kristallner Sarg
Der eine rosenrothe Frau in blauen Liljen schlafend, barg.
Vier Riesen schliefen um den Sarg mit schlummernden Falken auf der Faust,
Sie nickten oft im Morgenwind, der ihnen um die Schläfe braust'
Da ging die Sonne flammend auf und schmolz den Tempel auf den Grund,
Nur in der wehenden Asche noch der Schrein mit seinen Wächtern stund
Worauf der wärmste Sonnenstrahl den Deckel von Kristall erschloß,
so daß der rosigen Schläferin der Tag sich in die Augen goß!
Und auch die Riesen wachten auf, die sandten ihre Falkenzucht
Aus in den goldenen Morgenschein nach aller Winde fröhlicher Flucht
Sie stiegen auf in's himmlische Blau u brachten in Einem Augenblick
der Dame vom kristalnen Sarg eine scheue weiße Taube zurück!
Mit Einem Wort: Es zog in mich die Jugendliebe strahlend ein
Das war die junge Taube wohl, die Dame mag die Sehnsucht sein
Die Riesen mit den Falken dann: der hohen Wünsche kühne Schaar
Die brachten meiner Sehnsucht bald ein zartes Wild zur Freude dar
Halb Kind, halb Jüngling, träumend noch, fand ich die Liebe im Morgenthau,
Ich trug sie singend in der Brust, heimkehrend von d. funkelnden Au'
Ein neuer Mensch, trat ich in's Haus u fand das lockige Mädchen da,
das schüchtern mir u ungewohnt, wegfliehend in die Augen sah.
O süße Stunde, die das Herz vom Herzen voller Sehnsucht reißt,
O Trennung, die schon im Entsteh'n auf schrankenlos Vereinen weis't!
Zieht ein mit eurem ganzen Hof, o Liebesweh u Seligkeit,
Zieht klingend <ein>, hier ist für Euch ein off'nes Feld u gute Zeit!
• Nr. 240
Wohl ist die Lilje wunderbar,
Wenn stolz sie sich im Garten wiegt
In ihrem Kelche sonnenklar
langsam der Morgenthau versiegt;
Doch mag ich geh'n u wandern,
so weit nur Liljen stehn:
Ist keine vor der andern
Mit höherm Schmuck verseh'n
Von Glanz u Lust u Klarheit voll
Ist alle diese reiche Welt;
Weiß nicht, wo ich mich wenden soll,
Daß Schönheit nicht sich vor mich stellt
Nur du, nur du alleine
In all' der Zier u Pracht
Gleichst noch dem Mondenscheine
in heitrer Sternennacht
O lieblichste Vollkommenheit
Die niemand, als mein Herz, erkennt!
Wer hat dieß stille Licht geweiht,
Das nur für mich im Weltall' brennt?
Ich fühl es stärker immer
Daß dieser reine Strahl,
daß dieser eigne Schimmer
nicht ist zum zweiten Mal!
Das ist nicht Zufall, nicht Natur,
das aus den blauen Augen strahlt,
Das ist der Gottheit Sonnenspur,
Die sich in dieser Seele malt.
Ich ahn' es licht u lichter
Mein Herz, nun gieb es zu!:
Hier ist ein andrer Dichter,
u mächtiger, als Du!
Mai 1845 Stoff vom Mai 44.
Feueridille <ohne Follen-Korrekturen>
1.
Wild hallt der Schrei der Glocken durch die Nacht
Und Schüsse dröhnen von des Berges Wacht;
In allen Gassen tönt: es brennt! es brennt!
Und Jeder angstvoll an sein Fenster rennt.
Der erste Blick: Ist es in unserm Haus?
Der zweite mindert schon den Schreck und Graus,
Wenn weit, o weit die wunderschöne Glut
Behaglich dort am fernen Himmel ruht
Nun strömt der Neugier Bächlein ungehemmt
Und ungewaschen wohl und ungekämmt
Der ohne Strümpfe, Jener ohne Schuh'
Läuft alles nun dem seltnen Schauspiel zu.
Und manchem ehrlichen Philister bangt,
Es könnte enden, eh' er angelangt;
Auch der Poet, er watschelt mit hinaus
Und sendet seinen Kennerblick voraus!
Da wallt vom Berg mit ungebrochnem Lauf
Die Eine Flamme hell zum Himmel auf
Von Feuerliljen ein gewalt'ger Straus,
Wie eine Kerze brennt das alte Haus!
Es ist die allerschönste Maiennacht
Von Gold durchwirkt, tiefblau der Himmel lacht
Eng zwischen Gärten, voll von Frühlingsflor
Klimmt der Poet zum rothen Brand empor.
Da sitzt der helle Geist auf seinem Raub
Und macht den morschen Kram zu Asch' u Staub.
Umsonst belästigt ihn der Menschenschwarm,
Er wehrt ihn ruhig ab mit glühem Arm!
Es brennt der Hof dem reichen Bauersmann,
Der nie genug seh'n u erhalten kann.
Längst hat der Sohn ein neues Haus begehrt,
Wogegen sich der Alte stets gewehrt!
Nun steht er Da und schlottert jämmerlich
Weiß nicht zu rathen noch zu helfen sich
Doch Alle sind in guter Sicherheit
Kein Nachbarhaus gefährdet weit u breit.
Drum laßt uns keck ein wenig näher gehn,
Die heiße Wirthschaft besser zu besehn
Zu lesen in des Feuers Angesicht
Und was es heimlich zu den Sternen spricht!
II
Von Holz und Reisig eine hohe Wand
Seit langen Jahren um die Scheuer stand
Schon vieles ward vom Regen unbrauchbar
Doch jeder Herbst bringt neue Lasten dar.
Der letzte Winter brachte große Noth
Und manche arme Wittwe, frierend, both
Ihr armes Geld dem Mann für wenig Holz
Er aber gab's nicht her in seinem Stolz!
Nun flammt es auf im wilden Feuerflug
Mit Scheun' und Stall, Pferd, Wagen, Vieh u Pflug;
Die armen Weiber steh'n und schau'n es an
Und wärmen lächelnd ihre Hände dran.
Dieß Lächeln mag die bleichste Blume sein,
Die einstens ziert des Mannes Todtenschrein
Weh dem, der solchen Blüthenflor gesäet,
Wenn einst die Saat in reifen Knospen steht!
III
Seit alter Zeit her war des Hauses Wand
Von wuchernd dichtem Epheu überspannt,
Den liebt' der Bauer, sonst so liebeleer,
Weil er so gierig, alt und zäh', wie Er!
Nun brennt das dunkle Unkraut lichterloh
Und flackert in die Luft wie leichtes Stroh
Wer glaubte daß der alte schwere Kranz
So lustig hielte seinen Todtentanz?
Hei! Was fliegt da für Ungeziefer aus!
In ganzen Schwärmen flieht die Fledermaus;
Kreuzspinnen, Würmer, was da kriechen mag,
Kommt sterbend in der hellen Gluth zu Tag!
Was von Gespenstern u von Koboldsbrut,
Von alten Sünden auf dem Hause ruht,
Und was es sonst für Spuck u Sagen gab,
Brennt mit den alten Epheuranken ab!
[Den lange Nächte durch der Epheu trank,
Verscholl'ner Mondenschein schmilzt silberblank,
Ein alter Heidenschatz, von jedem Blatt,
Nun trinkt die wilde Gluth an ihm sich satt!]
Was mag wohl schimmern dort und seh' ich recht?
Was löst sich aus dem brennenden Geflecht
Und poltert da zu meinen Füßen her?
Ein tüchtig Kruzifix, von Golde schwer?
Einst riß der Ahn, vor manchem hundert Jahr,
Das Kreuz als Bilderstürmer vom Altar
Es blieb im grünen Rankenwerk versteckt,
Nun endlich hat's das Feuer aufgedeckt!
Zwar munkelt man, daß in verschlossner Brust
Die Enkel jederzeit davon gewußt
Sie hätten's nächtlich auf den Tisch gesetzt
Und sich an dem Geflunker oft ergetzt!
Nur Ein's reut mich: manch' zierlich Schwalbennest
hing traulich in den wirren Ranken fest
Wenn nun die liebe Schwalbe wiederkehrt
So findet sie ihr kleines Haus verheert!
Doch tröste dich; o Schwalbe zart u traut!
Ist erst der neue Giebel aufgebaut:
G'nug Winkel noch u Ecken findest du,
Daran du bauen kannst in stiller Ruh!
4.
Da ist ein Buch, geschwärzt und halb verbrannt,
Wonach der Mann in Todesangst gesandt;
Ein Jüngling wagte dran sein junges Blut
Und trug's mit keckem Arme aus der Gluth.
Und gierig stürzt der Mann sich auf das Buch
Und – wirft es weg mit einem derben Fluch!
Sein dickes Schuldnerbuch hatt' er gemeint,
Nun – liegt die Bibel vor dem guten Freund!
Wie arg und undankbar ist diese Welt!
Wie schmählich nun der alte Mann sich stellt!
Erinnert ihn die Bibel nicht mehr dran,
Wie gütlich er sich oft an ihr gethan?
Wenn er am Sonntagabend vor ihr saß
Und schmunzelnd dann von dem Kameele las,
Dem Nadelöhre und dem Himmelreich,
Wie ward ihm das Gemüth da froh u weich!
Wie manchen Bettler, hungerig u matt,
Macht' er mit schönen Bibelsprüchen satt
Betheurend hoch und feierlich dabei
Daß dieß sein reichster Trost u Hausschatz sei!
Nun liegt das alte Buch zertreten hier
Geschmolzen ist der Ecken Silberzier!
Zerriss'nen Angesichtes liegt im Koth
Das einst so hoch gepries'ne Lebensbrot!
5
Ich denke d'ran mit wehmuthsvollem Schmerz
Wie rettungslos ein königliches Herz
Indeß das Haus in Rauch und Schutt verfliegt,
Tief unter ihm in schnöden Banden liegt
Goldfarbner Löwe, seufzt' der edle Wein
Seit Jahr u Tag im dunklen Eichenschrein
Und ob ihm trampelte der graue Wicht,
ließ keinen Tropfen an das Tageslicht!
Wenn still der Sonnenschein das Haus umfing
Und singend ein Gesell vorüberging,
ein fröhlich dürstender, mit heißem Blut
Dann wallt' es unten auf mit süßer Wuth!
«O laßt mich an des Tages goldnen Blick
Ich bring' Euch Freiheit Freude Lieb' u Glück!
Laßt schäumend mich entgegensprüh'n dem Lied
das aus der hellen Menschenkehle zieht!»
Umsonst verhieß er reichen Minnelohn,
Gefesselt blieb der goldne Sonnensohn
Nicht wahr, Ihr Alle, die ihr Herrscher heißt:
Es ruht sich süß auf unterdrücktem Geist? –
Nun wankt und stürzt das morsche Sündenhaus
Doch unter seinen Trümmern athmet aus,
Verschollen, was so lang das Licht gesucht –
Heil unsrer jungen Reben süßer Frucht!
6.
Ein Apfelbaum in voller Blüthe steht,
Ein leichter West in seinen Zweigen weht
Er schaut verklärt vom blutig rothen Schein
Verwundert auf den wilden Brand herein!
Es ist, als ob der helle Glanz ihn freut',
Weil Blüthenblätter in die Glut er streut
Er athmet ein des Feuers heißen Hauch
Um seine Krone spielend zieht der Rauch!
Da plötzlich langt herüber aus dem Brand
In seine Aeste tief die Flammenhand
Zu Kohlen brennt der schöne Blüthenbaum –
Hin ist ein dichterlicher Lebenstraum!
7.
Dort gegen Westen traulich unterm Dach
liegt hoch und abgeschieden das Gemach,
Das sich des Hauses Töchter jederzeit
Zum stillen Allerheiligsten geweiht!
Es ist ein eng und niedrig Kämmerlein
Mit runden Scheiben und uraltem Schrein
Drin Bänder, Kettlein, Herzchen aller Art
In manigfachen Kästlein wohlverwahrt.
Am Fenster steht das Spinnrad und davor
Der zartgepflegte bunte Blumenflor
Gelbveiglein Nelken Rosen ohne End'
Und wie man all' das liebe Zeug benennt.
Manch nächtlich Lied hat hier herauf^getönt
Und diese Fensterlein sind dran gewöhnt
Geräuschlos blinkend, heimlich aufzugeh'n
geöffnet ganze Nächte durch zu steh'n.
Und manche Leiter wurde aufgethürmt
Und auf die Liebeswarte kühn gestürmt;
Ob stets das Rosengitter widerstand,
Gehört zu den Geheimnissen im Land!
Auch jetzt ist eine Leiter angelegt
Die einen Schwarm geschwärzter Männer trägt
Im rothen Mantel stürmet in die Thür
Ein Freiersmann mit flammendem Panier!
Und vor ihm fährt ein Knäuel, wirr und kraus
Erschreckter Liebesgötter fliehend aus
Das flattert irrend in der Frühlingsluft,
Verfliegend wie verbrannter Ambraduft!
Das ganze Fenstergärtlein stürzt herab
Und findet in der Glut sein feurig Grab
Ob all' die stille schöne Liebeswelt
wohl rettungslos damit zu Asche fällt?
Mir ist nicht bang; ist neu das Haus erbaut,
Man sicher wieder dran ein Fenster schaut
Mit Rosen Gelbveiglein u Nelkenzier,
Denn solches muß man haben für u für!
8.
Welch' lieblich Wunder nimmt mein Auge wahr?
Da fließt ein Brünnlein gar so frisch und klar,
Ein holzgeschnitzter Meergott gießt den Trank
Auf eine ausgehöhlte Eichenbank.
Der Westwind hat die Glut heran geweht
Der alte Gott in vollen Flammen steht
Und aus der Feuersäule springt der Quell
Des Wassers munter und krystallen hell!
Wie klingend springt der schöne Silberstrang
Gleich jenem Kleeblatt, das im Feuer sang
Du klares Leben, ew'ger Wellenschlag
Wer sendet aus der Tiefe dich zu Tag?
Ich glaubt', ein Brunnenhaus sei feuerfest –
Nun ist ein Häuflein Kohlen hier der Rest;
Die Quelle aber rieselt frisch und rein
Auch über Kohlen in die Welt hinein!
Wer weiß, wie lange schon der Bergquell springt,
Wer weiß wie lang er noch zum Lichte dringt?
Auf! schnitzelt einen neuen Brunnenmann,
Der wieder hundert Jahr' ihn fassen kann!
9
Zu loben ist der Männer kühner Muth
Womit sie ringen mit der heißen Gluth,
Zu retten, was man irgend retten kann
doch ist nicht Redens werth, was man gewann!
Das Beste ist ein alter Todtenkranz
Erinnerung an hohen Jugendglanz
An irgend einen früh gestorbnen Sohn
An einen längst verhallten Harfenton!
Mit welken Blättern liegt er in der Au
Und auf ihn fällt der milde Maienthau
Die blassen Bänder wehn im Morgenwind
Daneben zitternd wacht ein schwaches Kind!
Wie leicht und dürr der alte Kranz mag sein,
Man wird ihm wieder eine Stelle weihn
Im neuen Bau, hoch an der Stubenwand
Als des Vergangnen letzten welken Pfand!
Da wird er still auf's junge Leben seh'n
Und dieses ehrend ihm vorübergehn,
Bis daß sein letztes leichtes Band zerstiebt
Und man den nackten Reif dem Feuer giebt!
10.
Der Flammenkelch ist endlich ausgeglüht
und drob die Himmelsrose aufgeblüht;
Sie glänzt auf Kohlen, wo die Wohnung stand,
Verschwunden ist das morsche Werk der Hand!
Woran der Mensch die Todtenhände legt
Und was er diebisch scheu zusammenträgt,
Hin ist nun Alles, was nach Richt und Maaß,
Gefügt, gebunden auf einander saß!
Doch Ihr erglänzet mir unwandelbar
Ihr Morgenlande, wonniglich und klar,
Ihr Berg' u Thäler voller Knospendrang,
Voll Quellenrauschen u voll Frühlingssang!
O Ueberfülle, die zum Lichte schwillt,
O Blüthenwirbel, der da überquillt
Und überwuchert, wo die Sünderhand
Ihr Maß will legen auf das reiche Land!
Das ist die Nachhuth, die den Rücken deckt,
Drum auf zum Werke, Menschheit, unerschreckt!
Bau auf, reiß' nieder u bau wieder auf,
Das Jahr geht immer seinen milden Lauf!
• Nr. 251
Bei Dr. Steigers Befreiung und Ankunft in
Zürich. Freitags d. 20_t. Juni 1845.
Mit deinem Adelsbriefe wohl versehen,
Dem Todesurtheil mit dem argen Riß,
Sehn wir dich jugendlich und frisch erstehen
Aus deines Grabes kalter Finsterniß.
Des Unglücks Feuertaufe auf dem Haupte
Den letzten Kettenring noch an der Hand:
So schreitest du durch dieses jungbelaubte,
Und doch so tiefgebeugte Vaterland!
Und wo du gehst, da weckst du auf den Bergen
Die hellen Freudenfeuer ohne Zahl
Doch hinter dir, da stehn die röm'schen Schergen,
Geblendet noch von des Gerichtes Strahl,
Der Apostat, deß' Name nun zertreten,
Im Staube an des Volkes Sohlen klebt,
Indeß den Deinen es mit lautem Beten
Und dankbar kindlich zu den Sternen hebt!
Es grüße dich das goldne Licht der Sonne,
Dich grüßt die Freiheit und das Vaterland,
Es grüßen dich mit lautem Schlag der Wonne
Viel tausend Herzen freudig zugewandt
Nimm hin in vollem Maß des Volkes Liebe,
Und seinen Dank, den es den Helden zollt
Der Männer Lärm und jubelndes Getriebe –
Des Weibes Thräne, die im Stillen rollt.
Nimm hin die Lieder und die Festgesänge,
Es lauscht ein heilger starker Zorn darin
Die bittre Klage in dem Lustgedränge,
den Dorn, den diese Rose birgt, nimm hin
Denn was dem müden Volk das Herz durchzittert,
legts heimlich in die Grüße mit hinein;
Ob's nun in Freude oder Leid gewittert,
Es wird nicht minder ein Gewitter sein!
Nr. 252*
d. 18_t. Juli 45.
An Frau Caroline Schulz, als sie in den
Jahrbüchern d. Gegenwart eine etwas übertrieben lobende
Recension über meine ersten Gedichte ergoß.
Wenn aus dunkeln Tannenbüschen
kritisch lungerndes Gesindel
schäbig feige Wegelagrer,
Die in ihres Bettelsack's
bodenlosen schwarzen Gründen
nichts als schlechte Kupfermünze,
Krummen, dürre Käserinde
und dergleichen mit sich führen –
Auf den wandernden Poeten,
der da harmlos, geht und singt,
Ihre schlechten Witze senden,
Ihres Neides stumpfe Pfeile:
O dann nimmt er von der Straße
Nur den ersten besten Stein,
Werfend ihn nach dem Gesträuche,
Und das feige Pack verkriecht sich,
Schneutzt und reibt die wunde Nase,
Froh, daß man es nicht erkannt!
Aber wenn der gute Dichter
Nächtlich durch die Straßen wandelt
Träumerisch im Mondenlicht
Und von blumigem Balkone
Hinter Ros'- u Myrthenstöcken
Oder gar aus kleinem Fenster
Mit romant'schen Epheuranken
Lauschende verborgne Frauen
Ueberschwenglich ihres Lobes
Eine ganze Sündfluth gießen
Auf den Dichterling herab:
Rosenöhl und köll'nisch Wasser,
Mandelmilch und Limonade
Und dergleichen süßes Zeug:
Ach dann bleibt ihm gar nichts übrig,
Als den nassen Kopf zu schütteln,
Dumm verblüfft empor zu schauen,
Rufend: O ich bitte sehr!
Glattfelden d. 27_sten Juli 1845.
Ein Winkel am Rheine
Da wallt das grüne Wogenband
des Rheines Wald und Au' entlang:
Jenseits mein lieb Badenserland
Und hier schon Schweizer Felsenhang!
Da zieht er hin aus tiefer Brust
Mit langsam stolzem Odemzug;
Und über ihm spielt Sonnenlust
Und Eichenrauschen, Falkenflug!
Kein Schloß kein Dom ist in der Näh'
Nur Wälder schauen in die Fluth
Von Deutschland schwimmt ein zitternd Reh
herüber, wo es auch nicht ruht!
Und in der Stromeseinsamkeit
Vergess' ich all den alten Span,
Begrabe den verjährten Streit
Und hebe hell zu singen an:
«Wohl mir, daß ich dich endlich fand,
Du stiller Ort am alten Rhein,
Wo ungestört und ungekannt
Ich Schweizer kann und Deutscher sein!
«Wo ich hinüber rufen mag,
Was freudig mir das Herz bewegt
Und wo der klare Wellenschlag
Den Widerhall zurück mir trägt!
«O steigt zum Himmel, Lied und Wort!
Schwebt jubelnd ob dem tiefen Rhein!
Hier ist ein stiller Freiheitsport
Hier sind wir mit dem Rhein allein!
Da raschelt's drüben und der Scherg
lauscht zweigefärbt durch's dunkle Grün –
Ich fliehe schnell hinan den Berg –
du stiller Ort am Rhein – fahr hin!
Den 30_st. Juli Auf der Landstraße
Zieht eine arme Pilgerin,
Gebückt und schwach am Bettelstab
Zur gnadenreichen Jungfrau hin;
der Rosenkranz rollt auf und ab.
Obwohl er sie nicht hindern kann,
Auch ihres Leibes zu gedenken
Und auf den rüst'gen Wandersmann
Demüthig ihren Blick zu lenken.
«Mein junger Herr! erbarmet euch,
Wie Gott euch mög barmherzig sein
Er geb' euch einst sein Himmelreich
Un<d> seinen Segen obendrein»
«"Ich glaube nicht an deinen Gott
Für den dort deine Kugeln rollen
Drum schien es selbst mir arger Spott
Würd' ich dir eine Gabe zollen!"»
O Herr! geht immer euren Lauf
Auf eurer Straße, weltbestaubt!
Gott hebt euch seinen Segen auf,
Bis ihr allendlich an ihn glaubt.
Und dankend nimmt sie meinen Sold
Und bethet fort auf ihren Wegen!
Ich habe mich davon getrollt
Mit ihrem christkathol'schen Segen.
Bei allen Göttern dieser Welt
Leg' ich ein kleines Sümmlein an
Sagt, wenn dereinst der Würfel fällt,
Ob es mir wohl noch fehlen kann?
Und läug'nen Alle einst die Schuld,
Ich weiß gewiß, es hat mein Lieben
Der wahre Gott in seiner Huld
Mir zahlbar dann und gut geschrieben!
Ein schrankenloser Leichtsinn soll
In diesem Streit m<ein> Schildknapp sein!
So leb' ich muth u freudenvoll
So lang nur Herz u Sinne rein.
Ich lieb' es, so mir halb bewußt
Am offnen Abgrund hinzustreifen
Und über mir laß ich mit Lust
Das Aug' in's grundlos Blaue greifen!
• Nr. 255
August 1845
O Kirchhof, du erstarrtes Meer
Von blühenden Grabeswogen!
Manch Schifflein, freuden- und leidenschwer,
hast du hinabgezogen
Auf den Grund deiner wallenden, grünenden Fluth,
Wo der Tod, ein riesiger Kraken, ruht!
Ich sah ein Schifflein von Tannenholz
Mit Kränzen und Bändern gezieret
Drin lag eine Schifferin, bleich und stolz
Von schwarzen Delphinen geführet!
Wo ist nun die Well', wo das Schiff versank,
Der Sarg, wie die Leiche, so fein und schlank?
Ich kenn' sie am glühenden Rosenflor,
am rothen Korallenhaine,
Draus funkeln viel hundert Perlen hervor
Thautropfen <im> Morgenscheine
Sonst ruhten Korallen und Perl auf dem Grund –
Hier thun sie sich oben dem Lichte kund!
Ich senke mein Herz wie ein schweres Blei,
Ein Lootse, hinab in die Tiefen
Ich wandle, wie Christ, auf den Wogen frei,
Als die zagenden Schüler ihn riefen;
Doch lieber möcht' ich versinken drin,
Wie Petrus der Schwache mit zweifelndem Sinn!
Nr. 256*
M<ein> Liebchen liegt im Rasengrün
das arme schöne Kind
doch ist es nur b. Tage wohl,
daß wir geschied<en> sind
Bei Nacht schürzt es sein Leichentuch
Und steigt aus seinem Schrein
Dann können wir drei Stunden lang
Vergnügt be`i¿sammen sein
Dann schmink ich ihr die Wangen roth
Und flechte ihr gold'nes Haar
Dann mach' ich ihr die Augen auf,
So himmelblau und klar!
Wir spielen mit dem Lilienstraus
der ihr am Busen stekt,
Und mit dem weißen Rosenkranz,
Der seine Stirn bedeckt.
Und wenn bei Sang u Trinkgelag
Ich mich verspätet hab'
Läßt es zum Gruß die Augen mir
Zurück auf seinem Grab!
Es denkt: Ich brauche sie ja nicht
In meiner Grabesruh!
Daß drunten es der Tod nicht merkt,
Drückt es die Lider zu!
Siehst du die blauen Sterne dort,
die zwei, im grünen Kraut?
Das ist des Liebchens Augenpaar,
Das sehnend nach mir schaut!
Du lachst und sagst, es seien ja
Johanniswürmer zwei?
Du bist ein Narr, was man sich wünscht,
Das dichtet man herbei!
An der Glatt.
Hell im Silberschaume flimmernd
Zieht und singt des Baches Welle
Goldengrün und tiefblau schimmernd
Küßt sie flüchtig die Libelle;
Und ein Drittes kommt dazu,
Eine Blüthe hergeschwommen;
Doch sie haben drauf im Nu
Heitern Abschied schon genommen!
Und die Esche beugt sich drüber,
Schaut in Ruh das holde Treiben,
Denkt: Ihr Lieben, zieht vorüber,
Ich will grünen hier und bleiben!
Und ich unterm Eschenbaum:
Was soll denn mit mir geschehen
In dem reizend leichten Traum,
Soll ich bleiben, soll ich gehen?
Nr. 258*
Um die Schönste der Wasserrosen
Schleicht der buhlende Sonnenstrahl,
Klagt ihr unter schmeichelndem Kosen
Sehnend seine brennende Qual
Endlich vermag er sie zu besiegen
Wiegt sich an ihrer weißen Brust,
Ist in sie hinab gestiegen
Und sie schließt sich mit stiller Lust.
Auf geheimen, grünen, feuchten
Wendeltreppen steigt der Strahl
Mit durchdringendem Liebesleuchten
In den tiefen smaragdenen Saal.
Liegen dort die gestorbnen bleichen
Sternenstrahlen sonder Zahl
Und auf den zarten Silberleichen
Schläft ein träumender Mondenstrahl.
Aber geweckt vom blendenden Scheine
Stirbt auch er in der höheren Gluth,
siegend der Sonnenstrahl alleine
Tief im Herzen der Blume ruht!
Und die Schönste der Wasserrosen
Um den nächtlichen Liebling weint,
Während des Siegers heißem Kosen
Sie sich ganz zu ergeben scheint!
Waldesrauschen.
Ast in Ast und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen,
Heut' hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen.
Fern am Rand fing eine junge Eiche an sich sacht zu wiegen
Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen!
Kam es her in mächt'gem Zuge, schwoll es an zu breiten Wogen,
Wälzend her sich auf den Wipfeln kam die Sturmesfluth gezogen.
Und nun sang und pfiff es graulich in den Kronen, in den Lüften
Und dazwischen knarrt und dröhnt es unten in den Wurzelgrüften
Manchmal schwang die höchste Eiche gellend ihren Schaft alleine,
Donnernder erscholl nur immer drauf der Chor vom ganzen Haine!
Einer wilden Meeresbrandung hat das schöne Spiel geglichen
Alles Laub war weißlich schimmernd starr nach Süden hin gestrichen!
Und im tiefen feuchten Moose saß ich stumm in mich gekauert
Von den wunderlichen Weisen, mich umwogend, froh durchschauert.
Kein Gesang ist so erbaulich, wie des Waldes heilig Rauschen
Tage lang und dunkle Nächte könnt' ich seinem Tosen lauschen
Föhrenwald.
Aber auch den Föhrenwald
Laß ich mir nicht schelten
Wenn mein Jauchzen widerhallt
In dem sonnerhellten!
Heiter ist's und aufgeräumt,
Und der hohen Föhren,
Wenn die Luft in ihnen träumt,
Wanken schön zu hören!
Schlanken Königskindern gleich
Steh'n sie licht im Bunde
Jedes erbt sein Königreich
In dem grünen Grunde!
Aber oben eng verwebt,
Eine Bürgerkrone
Die Genossenschaft erhebt
Stolz zum Sonnenthrone!
Schmach u Gram umfängt sie nie,
Nimmer Lebensreue
Schnell und feurig wachsen sie
In des Himmels Bläue!
Oftmahls kreist ein junger Weih
Ob dem Wipfelwehen;
Hören kann man sein Geschrei,
Aber ihn nicht sehen!
Wenn ein Stamm im Sturme bricht,
Halten ihn die Brüder,
Und er sinkt zur Erde nicht,
Schwebend hängt er nieder
Weihrauchwolken ein und aus
Durch die Räume wallen;
Wie in einem Gotteshaus
Duftet's in den Hallen!
Wenn die Abendsonne ruht
Oben in den Aesten
Macht sich in der Purpurgluth
Föhrenwald am Besten!
• Nr. 261
Der Rhein. – Rheingruß. <1. Fassung>
Etwas graue Nagelfluh,
Ein par Dutzend Eichen:
Kann das Thal in seiner Ruh
Manchem andern gleichen.
Kommt der Rhein mit seinem Ruhm
Und den grünen Wogen
Durch das stille Heiligthum
Ernst und tief gezogen!
Und auf einmal ist es nun
Klassisch Land am Rheine,
Mag die Sonne auf ihm ruhn
Hell mit ihrem Scheine!
Abendlied an die Natur.
Hüll' mich in deine grünen Decken
Und lulle mich mit Liedern ein!
Bei guter Zeit magst du mich wecken
Mit eines jungen Tages Schein!
Ich hab' mich müd in dir ergangen
Mein Aug' ist matt von deiner Pracht
Nun ist mein einziges Verlangen
Im Traum zu ruh'n in deiner Nacht!
Der Kinderaugen freudig Leuchten
Schon fingest du mit Blumen auf
Und wollte junger Gram sie feuchten:
Du legtest weiche Lindrung drauf!
Ob wildes Hassen, maßlos Lieben
Mich seither auch gefangen nahm,
Bin ich doch immer Kind geblieben,
Wenn ich zu dir in's Freie kam!
Geliebte, die mit ew'ger Treue
Und ew'ger Jugend mich erquickt
Du einz'ge Lust die ohne Reue
Und ohne Nachweh mich entzückt.
Sollt ich dir jemahls untreu werden,
Dich kalt vergessen ohne Dank:
Dann ist mein Fall wohl nah auf Erden,
Mein Herz verdorben oder krank!
O steh' mir immerdar im Rücken
Bin ich im Feld mit meiner Zeit
Mit deinen hellen Mutterblicken
Verfolge mich im wärmst`en Streit
Und sollte mich mein Stündlein finden,
Schnell decke mich mit Rasen zu!
O selig Sterben und Verschwinden
In deines Urgrunds tiefste Ruh!
Ich liege beschaulich
An klingender Quelle
Und senke vertraulich
Den Blick in die Welle.
Ich such' in dem Schäumen
Weiß selbst nicht, wonach?
Verschollenes Träumen
Wird in mir wach!
Da kommt es gefahren
Mit lächelndem Munde
Vorüber am klaren
und sonnigen Grunde!
Sein Aug' auf mich schaute
Mit tiefblauem Licht
Das alte vertraute
Weltangesicht!
Wohin ist's geschwommen
Im Wellengewimmel?
Woher ist's gekommen?
Vom blauenden Himmel:
Denn als ich in's Weben
Der Luft hab' geseh'n
Da sah' ich noch eben
es dort vergeh'n!
Ich seh' es fast immer,
Wenn's windstill u heiter,
Und stets macht sein Schimmer
Die Brust mir dann weiter!
Doch wenn sein Begegnen
Die Seele bedarf
Wird selbst es im Regnen
mir deutlich und scharf!
Ein Fischlein steht im kühlen Grund,
Durchsichtig fließen die Wogen;
Und senkrecht ob ihm hat sein Rund
Ein schwebender Falk gezogen.
Der ist so klein u fern zu sehn
Ein Punkt im blauen Dome;
Er sieht das Fischlein ruhig stehn
Glänzend im tiefen Strome!
Hinwieder auch das Fischlein sieht
In's Blaue durch seine Welle –
Ich glaube gar, die Sehnsucht zieht
Ein's an des Anderen Stelle!
Wenn man so frei, so kühl, so hoch,
Wie ein Fisch oder Falk kann schweben,
Dann ist am End dies Sehnen noch
Der beste Theil vom Leben!
Doch wer mit lahm gebognem Knie
Wie ein Wurm im Staub muß liegen,
Der zähme seine Phantasie,
Lern' schwimmen erst oder fliegen!
Sieh! kaum glimmt des Stromes Spiegel
Silbern noch im Dämmerlicht!
Und schon schlägt die Sammetflügel
Mir ein Falter in's Gesicht!
Sieh den Abendstern dort blinken,
Ungewöhnlich schön und hell!
Lieblich ist und klar zu trinken
Dieser Nachtluft kühler Quell.
Komm heraus, du junges Leben!
Komm, so leis dein Fuß dich trägt!
Hoch in Lieb' und Traum zu schweben,
Wär' ich jetzo aufgelegt.
Und ich habe Dir zu Ehren
Einen guten Freund gebracht
Er will uns die Minne lehren
Durch die kurze Sommernacht!
Liebeslieder sollen schallen,
Die vor siebzig Jahren schon
Unsern Mütterlein gefallen;
Rein klingt ihrer Weise Ton.
Laß uns einmal rückwärts fliegen
In die Zeit, die still und fern!
Dieser Laune dich zu schmiegen,
Weiß ich, thust du zwiefach gern! –
– «Sie kommt nicht?» – fragt mein Begleiter,
«Und schon wird es morgenroth!»
«Ach s'ist wahr!» so sag' ich weiter,
Denn sie ist, wie du, schon todt!
«Armer Hölty, du kannst gehen,
Traurig such' dein kühles Haus!
Sieh, das graue Morgenwehen
Lacht uns alte Kinder aus!»
Sommer. 30_t. December 45
Mir ist, ich trag' ein grünes Kleid
Von Sammet und die weiche Hand
Von einer schweigsam stillen Maid
streicht es mit ordnendem Verstand
Wie sie so freundlich sich bemüht,
trag' ich die leichte Unruh gern
Indeß sie mir in's Auge sieht
mit ihres Auges blaue`n¿ Stern.
So deckt der weiche Buchenschlag
Gleich einem grünen Sammtgewand,
so weit mein Auge reichen mag,
das hügelübergoss'ne Land
Und sachte streicht darüber hin
mit weicher Hand ein leiser West,
der Himmel hoch mit stillem Glühn
sein blaues Aug drauf ruhen läßt
Uns beiden ist, dem Land u mir
so innerlich, von Grund aus, wohl –
Doch schau, was schleicht im Feldweg hier
Den Blick so scheu, die Wange hohl
Ein Heimathloser sputet sich
Waldeinwärts durch den grünen Plan –
Das Menschenelend krabbelt mich
wie eine schwarze Erdspinn' an!
• Nr. 267
Sonntag d. 31 August 1845.
Ça ira!
«Es wird schon gehn!» ruft in den Lüften
die Lerche in den frühen Tag
«Es wird schon gehn!» rollt in den Grüften
ein lang nachhallender Donnerschlag
«Es geht!» rauscht es in allen Bäumen;
Und wie ein milder Flötenton:
«Es geht schon!» lispelt's in den Träumen
Der fieberkranken Nation!
Die Städte werden wach und munter,
«Es geht» erschallt von Haus zu Haus!
Schon steigt der Ruhm in sie herunter
Und wählt sich seine Kinder aus!
Die Morgensonne ruft: Erwache,
O Volk, und eile auf den Markt
Richt' auf ein Forum deiner Sache,
Im Freien nur ein Volk erstarkt!
«Trag' all' dein Lieben und dein Hassen
Dein Freud und Leid im Sturmesschritt,
Dein blutend Herz frei durch die Gassen,
Ja bring' den ganzen Menschen mit!
Laß strömen all' dein Sein und Denken
Und kehr' dein Innerstes zu Tag!
Die Kindheit braucht dich nicht zu kränken,
Wenn du ein Kind von gutem Schlag!»
Die Morgensonne ruft: Erwache!
klopft unterm Dach am Fenster an,
Steh' auf und schau' zu unsrer Sache,
Sie geht, sie geht auf guter Bahn!
Ich lege Gold auf deine Zunge!
Ich lege Feuer in dein Wort
So mach' dich auf, mein lieber Junge
Und schlag' dich zu dem Volke dort!»
«Es wird schon gehn» empfängt die Menge
Ihn donnernd auf dem weiten Plan,
Stolz trägt sein Kind das Volksgedränge
Zur Rednerbühne hoch hinan
Nun geht ein Leuchten und Gewittern
Aus seinem Mund durch jeglich Herz;
Durch goldne Sääle weht ein Zittern!
Es wird schon geh'n – schon schmilzt das Erz!
Die Bauern wollten Korn verkaufen,
Als sie die schmucke Wirthschaft sè¿h'n
Hei wie sie aus den Thoren laufen
Dorfzu: Heut' aber muß es geh'n!
Die Thürme fangen an zu schwingen
Und tönen; wie ein eh'rner Schild
Die Glocken fangen an zu klingen
Durch's Mittagstille Lenzgefild!
Und überall wird es lebendig
Das Land eröffnet seinen Schooß
Nun eher wär' ein Lied nothwendig:
«Das Volk steht auf, der Sturm bricht los!»
Und durch das Singen und das Lachen
Zieht kummervoll die «Truppenmacht»
Mit Gott, ihr Brüder! s' wird sich machen,
Es hat sich vieles schon gemacht!
Wie eine Braut am Hochzeittage,
So ist ein Volk, das sich erkennt!
Wie morgenroth vom heißen Schlage,
Vom Liebespuls, ihr Antlitz brennt!
Zum ersten Mal wird sie es inne,
Wie schön sie sei und fühlt es ganz
<So stehet in der Freiheitsminne
Das Volk mit seinem Siegeskranz.>
Ich hab' ein grünes Reis geschnitten
Von einem abgestorbnen Baum
Ich sah ein Volk, das heiß gelitten
Durch tausendjähr'gen schlimmen Traum
Ich hab' das selbe Volk erwachend
Im Morgenglanze drauf geseh'n
Und gründlich fest sein Tagwerk machend
Sang es dazu: Es wird schon gehn!
Nr. 268*
September 1845.
Rhein.
Jetzt noch zwei Schritte oder drei
Und fröhlich sind wir schon dabei;
Da lenkt er her die stolze Bahn,
Ein altes Städtlein klebt daran!
Es muß ein eigen Wandern sein
Am alten sagenreichen Rhein!
So oft er mir vorüber zieht,
läßt er erklingen mir ein Lied.
So mach ich ein Gelübde draus,
das halt ich ihm Jahr ein und aus:
So oft ich über ihn geh' oder fahr'
Will ich ihm bringen ein Verslein dar!
Nr. 269*
Auf hoher Bergeshaide jüngst ich ging;
Vor meinen Augen tanzt' ein Schmetterling;
In gleicher Richtung, ferne, schwebt' ein Aar,
Stellt' sich als Punkt am Horizonte dar!
Nr. 270*
2_t. Sept. Auf den Hügeln von Eglisau.
Es ist ein wenig unbequem
doch nichts so schön und angenehm
Als Abendsonnenwärts zu gehen;
Wie blendend sie in's Aug' mir bricht,
Ich lieb', mit vollem Angesicht,
Rasch wandelnd, fest in sie zu sehen!
Sie überschüttet mich mit Gold,
Das mir von Haupt zu Füßen rollt
Und vor mir her auf allen Pfaden!
Wie herrlich ist's, mit Berg und Thal
Im Einen Meer, im Einen Strahl,
Im Einen Glanz mich satt zu baden!
O wenn einst Alles fehlen und
Mißlingen sollt' bis auf den Grund,
Ich wüßt' kein schöner End' zu finden
Nach so viel Täuschung, so viel Pein,
Als, sinkend in dem falschen Schein,
So an der Sonne zu erblinden!
September 45.
Jüngst stand Ich mit dem ersten Frühlicht auf
Und nahm hinaus in's Freie meinen Lauf,
Wo silbergrau die Morgendämmrung lag,
Umflorend noch den rosenrothen Tag!
Mich einmal satt zu gehen auf den Feldern
Vom Morgen^früh bis in die Späte Nacht,
Ein bleibend Lied zu holen in d. Wäldern,
hatt' ich zum festen Vorsatz mir gemacht!
Rein war der Morgen, bald zum Tag erhellt,
Der volle Liebespuls schlug durch die Welt
Die Lüfte wehten und der Vogel sang
Die Eichen wuchsen und die Quelle sprang,
Die Blumen blühten und die Früchte reiften
Ein jeglich Gras that seinen Odemzug
Die Berge standen und die Wolken schweiften
Und fächelnd mich des Lebens Schwinge trug.
Ich schlenderte den lieben Tag entlang
Im Herzen schlummerte der Hochgesang
Es brach sich Bahn der Wachtel leichter Schlag
Jedoch mein Lied es rang umsonst zu Tag.
Es ward Mittag, ich lag an Silberflüssen
Und sucht' die Sonne in der klaren Fluth
Ich durfte nicht von Angesicht sie grüßen,
Der ich allein in all' dem Drang geruht!
Die Sonne sank und ließ die Welt der Ruh
Die Abendnebel gingen ab und zu
Ich lag auf Bergeshöhen matt und müd
Tief in der Brust das ungesung'ne Lied
Da nickten, spottend mein, die schlanken Tannen,
Und höhnisch sah der Steine Moos empor
Mit seinen Würmern, die darüber spannen,
Und lachend brach das Firmament hervor!
Von Osten wehte rein und scharf der Wind:
Was suchst du hier, armselig Menschenkind!
Du stumme Pfeife in dem Orgelchor,
Du Schlemihl, der da Raum und Zeit verlor!
Dir ward das Leichteste, das Lied gegeben,
Das, selbst sich bauend, aus der Kehle bricht,
Du aber legst dein unbeholfen Leben,
Wie einen Stein, ihm auf den Weg zum Licht.
So sprach der Wind? O nein so sprach der Schmerz,
Der mir wie Ketten hing um's dunkle Herz
Ein fremder Körper ohne Form und Schall
So, däucht' mir, lag ich im lebend'gen All!
Und Wind und Tannen, Gletscher, Moos u Sterne
Sie schlangen lächelnd ihren weiten Kranz
Wie an der Insel in der Meeresferne
Brach sich an mir der friedlich milde Glanz.
2. <1. Fassung>
Aber kommen wird noch die Zeit,
Wo ich den Tag muß wieder finden
Wenn ich die strahlende Ewigkeit
Werde durchsuchen in tiefsten Gründen!
Mach' o Seele, dir keine Pein,
denn es steht in den Sternen geschrieben,
daß kein Tag soll im Leben sein,
der verloren und unnütz geblieben!
Findest du nicht oft einen Klang
Wie zu früh herüber geklungen?
Also hat dein heutiger Sang
Heimlich sich hinüber geschwungen!
Nicht in weinender Seligkeit,
Werd' ich vor Gottes Throne liegen –
Nein! am starken Bande der Zeit
Leidend, schaffend, die Welt durchfliegen!
Werde suchen zu jeder Frist
Bis vom Auge die letzte Binde,
Und dann alles gefunden ist
Und ich den Anfang ruhig ergründe!
• Nr. 273
October 45.
Wie sie sich da dreh'n im Tanze,
Puppen aus geschnitztem Holz
Eitles Volk im Kerzenglanze,
lebenheuchelnd, steif und stolz!
Schlüsselbeine, Schulterblätter
Stoßen schamlos hart mich an
Alte Tanten, grau vom Wetter
Klatschen längs der tollen Bahn
Die dem Tode längst verfallen,
Treibt der Wahnsinn hier im Kreis
Und ich schleiche durch die Hallen,
Einsam schlägt mein Herz und leis!
Dein gedenkt es, zarte Blüthe
O mein rosiger Morgentraum
Daß dich Gott mir treu behüthe
fern am grünen Wogensaum!
Fern am Wogensaum im Grabe
Schläft, was Lust und Leben war
Dieses Bechers Feuergabe
Bring' der Schläferin ich dar.
Wie ein Schild von frischen Rosen,
Wie ein Schwert von Sonnenstrahl
Schützt dein Bild mich freundeslosen
Hier vor dieser öden Qual!
Jung geblieben ist mein Lieben
Und noch heute rosenroth;
Auch mein Liebchen jung geblieben,
Dank dafür, du milder Tod!
• Nr. 274
Sieben Jahre sind dahin,
Sind dahin geschwunden,
Und noch immer glüh'n und blühn
meine alten Wunden!
Wie ich fahr' in stiller Nacht
Auf den Silberwellen
Fängt mein Weh mit aller Macht
Wieder an zu schwellen.
Fast klingt es wie bittrer Hohn
Ich sei jung von Jahren,
Da so lang die Liebste schon
Mir dahin gefahren
Wohl ergeh' es, Engel, dir,
Werde licht und lichter
Ach, dein Knabe wurde hier
Unterdeß ein Dichter!
Muß nun reimen früh und spat
Um sein täglich Leben,
Willst du einen guten Rath
Dann und wann ihm geben?
Nr. 275*
1 Novebemer
Auch Leipzig's Todten!
Nicht der Scheiben höhnisches Klirren,
Nicht der Kugeln tödtliches Schwirren
Noch das Blut, das im Sand verglüht,
Nicht das Schrein und lärmende Treiben,
Das sich verdünnte in eckliges Schreiben,
Konnten mir stören Ruh und Gemüth!
Aber in all' dem tollen Gebahren
Ist dem Michel ein Zug entfahren,
Der, wie ein fröhlicher Hoffnungsstrahl
Ueber die deutsche Haide, die falbe,
Eine prophetische Erstlingsschwalbe
Sich in's gerührte Herz mir stahl!
Nr. 276*
2 Nov. 45
Nachträgliches Polenlied.
Ich schloß schon lang das arge Buch;
Die Wände hörten meinen Fluch!
Längst ist die Kerze abgebrannt –
Du unglückselig Polenland!
Ich steh' im Finstern, stumm und wach
Mein Herz schleicht jenem Scheusal nach.
Mein Herz bebt, wie die hohle See,
Von wannen kommst du, graues Weh?
Ich mach' das Fenster auf, der Tag
Bricht ein mit goldnem Wellenschlag.
Er überfließt von Sonnenschein
Und Freude soll auf Erden sein!
Und Rache soll auf Erden sein
Gerechtigkeit auf Erden sein!
Steckt vor die Brust ohn' Unterlaß
Ein Sträußlein blut'gen Russenhaß!
Das blüh'n soll, bis der letzte Zar
kalt, unbeweint, liegt auf der Bahr'!
Das soll verwelken erst zur Frist
Da lange frei schon Polen ist!
4 Novemb 1845.
Antwort auf Just. Kerners Klaglied:
Unter dem Himmel.
Dein Lied ist rührend, stiller Sänger!
Doch zürne dem Genossen nicht,
Wird ihm darob das Herz nicht bänger,
Das, dir erwiedernd, also spricht:
Die Poesie ist angeboren
Und sie erkennt kein Dort und Hier,
Ja, ging' die Seele mir verloren,
Sie führ' zur Hölle selbst mit mir!
Inzwischen sieht's auf dieser Erde
Noch lange nicht so graulich aus;
Fast will mir scheinen, Gottes: Werde!
Ertön' erst recht dem «Dichterhaus».
Schon schafft der Geist sich Sturmesschwingen
Und spannt Eliaswagen an –
Willst träumend du im Grase singen,
Wer hindert dich, Poet, daran?
Ich grüße dich im Schäferkleide
Und lächle – doch mein Feuerdrach
Trägt mich vorbei, die dunkle Haide
und deine Geister schau'n uns nach!
Was deine alten Pergamente
Von tollem Zauber kund dir thun,
das seh' ich durch die Elemente
Im Geistes Dienst, verwirklicht nun!
Ich seh' sie keuchend sprüh'n und glühen,
stahlschimmernd bauen Land und Stadt,
Indeß das Menschenkind zu blühen
und singen wieder Muße hat!
Wenn einst vielleicht, nach fünfzig Jahren,
Ein Luftschiff voller Griechenwein
Im Morgenrothe kommt gefahren,
Wer möchte da nicht Fährmann sein?
Dann bög' ich, ein sel'ger Zecher,
Wohl über Bord, von Kränzen schwer
Und gösse langsam meinen Becher
hinab in's still verlassne Meer!
Ein Bischen Hunger wohl nähret
Vorher die schöne Phantasie,
Doch hat man uns nicht längst gelehret
der Hunger auch sei Poesie?
Unter dem Himmel.
Laßt mich in Gras und Blumen liegen
Und schau'n dem blauen Himmel zu,
Wie goldne Wolken ihn durchfliegen,
In ihm ein Falke kreist in Ruh.
Die blaue Stille stört dort oben
Kein Dampfer und kein Segelschiff,
Nicht Menschentritt, nicht Pferdetoben,
Nicht des Dampfwagens wilder Pfiff.
Laßt satt mich schaun in dieser Klarheit,
In diesem stillen sel'gen Raum:
Denn bald könnt' werden ja zur Wahrheit
Das Fliegen, der unsel'ge Traum.
Dann flieht der Vogel aus den Lüften,
Wie aus dem Rhein der Salmen schon,
Und wo einst singend Lerchen schifften,
Schifft grämlich stumm Britannia's Sohn.
Schau' ich zum Himmel, zu gewahren,
Warum's so plötzlich dunkel sei,
Erblick' ich einen Zug von Waaren,
Der an der Sonne schifft vorbei.
Fühl' Regen ich beim Sonnenscheine,
Such' nach dem Regenbogen keck,
Ist es nicht Wasser, wie ich meine,
Wurd' in der Luft ein Oelfaß leck.
Satt laßt mich schau'n vom Erdgetümmel
zum Himmel, eh' es ist zu spät,
Wann, wie vom Erdball, so vom Himmel
Die Poesie still trauernd geht.
Verzeiht dies Lied des Dichters Grolle,
Träumt er von solchem Himmelsgraus,
Er, den die Zeit, die dampfestolle,
Schließt von der Erde lieblos aus.
Justinus Kerner.
d. 6_t. Nov. 1845
Herbstlied.
Wo ist der schöne Blumenflor,
Den wir so treu gehegt?
Von Hoffen und vom Grünen sind
Herz, Garten rein gefegt!
Und wie in Einer Nacht ergraut
Ein unglückselig Haupt,
Hat sich heut Nacht mein Vaterland
Geschüttelt und entlaubt.
Der Rhein entführt in's Niederland
Die welke Sommerlust
läßt kahl und fahl die Felder uns,
den Frost in unsrer Brust!
Die Silberfirnen hüllen sich
In dunkle Nebel ein
Doch bald wird jeder Kehricht nun
ein blanker Schneeberg sein!
Und Alles wird so klein, so nah,
so dumpf und eingezwängt
Wie drückend dicht ob unserm Haupt
Der graue Himmel hängt!
Auf jedem Feldweg sitzt ein Feind –
Es ist ein harter Stand:
Mit Schurken athmen gleiche Luft
im engen Vaterland!
Nov.
Liebeslieder.
Nun in dieser Frühlingszeit
Ist mein Herz ein klarer See
Drin versank das schwere Leid
Draus verdampft das leichtre Weh
Spiegelnd mein Gemüthe ruht
Von der Sonne überhaucht
Und mit Lieb' umgießt die Fluth
Was sich in dieselbe taucht.
Aber aus dem Grunde sprüht
Ueberdieß ein Quell hervor,
welcher heiß lebendig glüht
durch die stille Fluth empor
Und im Quelle badest Du,
Eine Nix' mit goldnem Haar
Oben deckt den Zauber zu
Das Gewässer glatt und klar.
Nr. 281*
d. 7_t. Nov 1845.
Prinz Schuster.
Auf seinem Dreibein sitzt und näht
Herr Fritze, der Geselle;
er hat den Pechdraht selbst gedreht,
mit kunstgerechter Schnelle.
Das ist gar zierlich anzuseh'n,
Wie er dann springt und hüpfet,
Im flinken Auf- und Niedergeh'n
den langen Zwirn verknüpfet!
Herr Fritze hat ein weich Gemüth
Und eine noble Seele
Von altem Sang und Sagen blüht
stets seine Schusterkehle
Und auch im äußern hat er sich
Von jeher distinguiret,
Sein Handwerkszeug ist wunderlich
Mit Wappen ausgezieret!
Und wenn am Abend auf sein Knie
Die Wasserkugel schimmert,
O wie's in seiner Phantasie
dann leuchtet, blitzt u flimmert!
Dann steigt gekrönte Herrlichkeit
Auf aus dem Strahlenmeere
Dann fällt in bittrer Seligkeit
Auf's Leder seine Zähre!
Im Lenz, da ist die Wanderzeit,
Da wird's den Schustern schwüle
Da wird auch ihm die Brust so weit
Von Sehnsucht und Gefühle
Dann zahlt er seine Waschfrau aus
Und bricht mit seiner Liebe,
Dann folgt sein Herz mit Saus u Braus
Dem ahnungsvollen Triebe!
So zieht er hin, mit leichter Zier,
Den Hut wachstuchumwunden,
Und eine Kron' von Goldpapier
Am Ränzel aufgebunden
So hebt er an, mit hellem Ton
Sein Wanderlied zu singen:
«Ich bin ein armer Königssohn!»
Daß Fels und Wald erklingen!
«O grüne Welt, du Freudensaal,
Ihr Hirschlein in den Wäldern,
Du Jagdschloß dort im stillen Thal,
Ihr Bauern auf den Feldern!
O weh', die Väter haben mir,
Von allem nichts gelassen,
Als meine Kron' von Goldpapier
Ein Spott auf allen Gassen!
O Mutter, Mutter Königin,
Du edle Würmerspeise!
So zieht dein jüngstes Kind dahin,
ein Schuster auf der Reise!
Wie triebet ihr das Ding so schlecht,
Drum blieb mir nichts zu erben,
Nun soll ich armer Erdenknecht
Das Himmelreich erwerben!
Doch weiß ich, was den König ziert,
Der Kummer und die Sorgen,
Sie lehrten mich, wie man regiert,
Und nichts blieb mir verborgen!
Ich fühle mich so klug, so gut,
Würd' meine Kron' zu Golde,
Vor allem wär' mein edles Blut
Den Schuhgesellen holde!»
Er pflückt ein gelb' Ranunkulein
Und steckt's vor seine Weste;
Er spricht: Du sollst mein Orden sein
Bei meinem Krönungsfeste!
Er setzt aufs Haupt bei Krone sich,
Beschaut im Teich ihr Blinken;
Im Mondlicht glänzen wunderlich
Die goldpapiernen Zinken!
Dieß Liedlein ist mir Knall und Fall
Beim Wein zur Welt gekommen;
Das haben mir die Schuster all'
Empfindlich aufgenommen!
Sie schämen sich, daß ihre Zunft
Den armen Schelm soll ehren.
Doch das ist eitel Unvernunft,
er muß sich doch ernähren!
7_t. Nov 45.
Meergedanken.
O wär' mein Herz das tiefe Meer
und meine Feinde die Schiffe,
Wie schleudert' es sie hin und her
An meines Hasses Riffe!
Und endlich schläng' es unter sie,
hinunter in die Tiefe,
Daß drüber glänzend spät u früh
Der Meeresfrieden schliefe!
So aber ist's 'ne Welle kaum,
Von tausenden nur Eine,
Doch nagt u wäscht ihr leichter Schaum
am morschen Schiffsgebeine!
Wir Wellen brausen treu vereint
Und Eine folgt der andern!
Wir haben all' den gleichen Feind,
nach dem wir spähn und wandern
Das Unglück ist der Wirbelwind,
der peitscht uns, bis wir schäumen,
Und bis wir wach geschlagen sind
von unsern WasserTräumen.
Und endlich sinkt im Trümmerfall,
Was wir so lang getragen
Heil uns! wenn wir mit sattem Schwall
dann oben zusammen schlagen!
Nr. 283*
d. 8_t. Nov.
Unsterblich bist du o Michel, dein Wesen wird immer bestehen!
Bis in die ferneste Zeit seltsam die Völker erbau'n!
Aber es scheinet mir fast, schon tauschen sich lustig die Rollen:
Michel, das Volk, nimmt den Stuhl, Michel, der Fürst, übt den Schwank;
Und, ich versprech' es, auch hierin wird er sich selbst übertreffen,
Launig, der alte Poet, spielen, was Gott ihm geruht!
D. 11_t. Nov.
Sonntagsjäger.
Es lässet sich mit aller Kraft
Ein Horn im Walde hören;
Ich krieg' ein altes Rohr beim Schaft
Und schlendre in die Föhren!
Der Wald, der macht mir vielen Spaß,
Er flunkert in der Sonnen.
Der Reif, der hat wie Jungfernglas
die Nadeln übersponnen!
Da hüpft ein junger Haas daher
Und spielt vor mir im Grase
Ich brenn' ihm wie von Ungefähr
mein Schrot ihm auf die Nase!
Es ist, als schrie er: Gott vergelt's!
mit klägliger Gebärde
Sein rothes Blütlein färbt den Pelz
Und macht sich in die Erde!
Was stierst du so, du Haidekind
Im Sterben immer Dümmer
Ich bin halt, wie die Andern sind
Nicht besser u nicht schlimmer!
Und als das Häslein überschnappt
hab' ich es heim getragen
doch hab ich schon genug gehabt
Von Weidmanns Heil u Jagen!
• Nr. 285
d. 11_t. Nov.
An Lenau.
Welk lag meines Herzens Garten
Und sein Springquell war versiegt.
Und das Liedervolk in Zweigen
Saß in dumpfen Schlaf gewiegt.
Starr und klanglos schien mir Alles
Und der frische Duft entfloh'n!
Selbst die fremden Lieblingsweisen
Hatten für mich keinen Ton!
Wie es oftmals geht im Leben,
Das so seltsam webt und flicht:
Längst schon kannt ich deinen Namen,
Aber deine Lieder nicht.
Und nun las ich sie; auf einmal
in so öder Winterzeit
ging mir auf ein neuer, reicher
Lenz in seiner Herrlichkeit!
Und in deinen Geistesblüthen
Warst du mir ein Nekromant,
Der für meinen eignen Zauber
Wieder mir das Schlagwort fand!
Rasch entfesselt sprang der Bronnen!
Alle Lauben voller Sang!
Und in den geheimsten Gängen
War es wieder Duft und Klang!
Damahls wünscht' ich, daß ich möchte
ein begabter Sänger sein,
Um dir recht ein weich und lindernd,
ein vergeltend Lied zu weih'n!
d. 11_t.
Im Herbst.
Im Herbst, wenn sich der Wald entlaubt
Nachdenklich wird und schweigend
Mit Reif bestreut sein dunkles Haubt
Fromm sich dem Sturme neigend:
Da geht das Dichterjahr zu End',
Da wird mir Ernst zu Muthe
Im Herbst nehm' ich das Sakrament
In jungem Traubenblute!
Da bin ich stets beim Abendroth
Allein im Feld zu finden,
Da denk ich fleißig an den Tod
Und auch an meine Sünden.
Ich richte mir den Beichtstuhl ein
auf ödem Haidenplatze
Der Mond, der muß mein Pfaffe sein
mit seiner Silberglatze.
Und wenn er grämlich zögern will
Der Last mich zu entheben,
dann ruf' ich: Alter, schweige still
Ich hab' mir schon vergeben!
Ich habe heimlich mit dem Tod
ein Wörtlein schon gesprochen!
Dann wird mein Pfaff vor Aerger roth
Und hat sich bald verkrochen.
D. 12_t. Nov.
Ghasel.
Seht den Poet, der immerdar erzählt von Lerchensang,
Wie er nun bald drei Dutzend schon gebratener Lerchen schlang!
Bei Sonnenaufgang, als der Tag in Blau und Gold erglüht,
Da war es, daß sein Morgenlied vom Lob der Lerchen klang
Und nun bei Sonnenuntergang mit seinem Gabelspieß
Er sehnend in die Liederbrust gebratner Lerchen drang!
Das heiß ich die Natur verstehn, allseitig, tief und kühn,
Wenn also auf und nieder sich sein Tag mit Lerchen schwang!
Nr. 288*
d. 12_t. Nov.
Sonntag.
Der Rundgesang der Glocken ist verklungen;
Hinzitternd tief in's reine Aetherblau
hat sich der letzte Ton hinauf geschwungen.
Fernab steh' ich auf grüner Sonntag'sau
Zur Seite ruht ein Pflug im stillen Feld,
Die Sonne trinkt vergnügt den Morgenthau.
Nun wird gepredigt rings in weiter Welt,
Von allen Kanzeln und vor den Altären
In stillen Klöstern und vor'm Lagerzelt;
Gepredigt wird in Schiffen auf den Meeren
Und wo das Elend sitzt auf hohem Thron
In Krankensäälen und auf den Galeeren!
Das Christenthum ist aus der Welt geflohn,
In alten Schutt, und wimmert dort im Staube,
Ich bin allein und höre nichts davon!
Ich bin im Freien. Süßer Sonntagsglaube!
Was mag denn wohl dein zart Geheimniß sein,
Das mich umrauscht, wie eine Blüthenlaube,
[...]
Nr. 290*
d. 12._t.
An Follen.
Wie du es liebst, mit hellem Reim und Klang
Laß mich ein üblich Klinggedicht dir zollen!
Nimm den Poetengruß, den achtungsvollen,
Folg' ich doch freudig meines Herzens Drang!
Stark, wie ein Quell, der Silberfirn entquollen,
Hast du gesungen meines Landes Sang
Ob der Verjährte heut auch wieder sprang,
Mir sind drum jene Lieder nicht «verschollen»!
Wie geht dein Lebensstrom so voll und breit,
Der nur das Eine Schiff der Freiheit trägt,
Die grünen Flaggen poesiegeweiht,
der klar melodisch seine Wellen schlägt
Heil dir! der frei Gott und Unsterblichkeit
Im ewig jugendlichen Herzen hegt!
Nr. 291*
d. 13_t. Nov.
Herbst.
Wie nun alles stirbt und endet
Und das letzte Rosenblatt
Müd' sich an die Erde wendet,
In die kühle Ruhestatt:
Senk' auch ich nach ihren Gründen
Mein Gedächtniß, tief bewegt,
Ob ich nichts mög' wieder finden,
Was für mich dort eingelegt?
Unter all' den Traumgestalten,
Die bald licht, bald schattenhaft
Mir des Schicksals düster Walten
Vorgeführt und weggerafft
Sind nur zwei mir klar geblieben,
Scharf getrennt und doch vereint:
Hier der Jugend Eines Lieben –
Einsam dort der Jugendfeind!
Beide aus den frühsten Jahren,
Zeit der Morgendämmerung,
Mußte sie das Herz bewahren
Gleich lebendig klar und jung
Ob die Pfeiler meines Lebens
Auf den beiden Gräbern stehn?
Ob als Sterne meines Strebens
Haß und Liebe vor mir geh'n?
Oft, wenn ich auf meinem Bette
Zwischen Schlaf und Wachen rang,
Schlummerschwer der Mond die Kette
Seiner Strahlen um mich schlang:
War's, als ob zu meinen Häupten
Liebchens Seele, warm und nah,
Und, daß sich die Haare sträubten,
Er zu Füßen auf mich sah!
War es dann, als ob sie stritten
Eifersüchtig um mein Herz
Und mein Leichnam in der Mitten
Zuckte ob des Kampfes Schmerz,
Und entweder dann am Morgen
Stand ich mild, versöhnlich auf,
Oder ließ ich ohne Sorgen
Schwarzem bittrem Haß den Lauf!
Ob mein Lieben auch beständig
Zu der rechten Zeit geblüht?
Ob mein Hassen unabwendig
Auch dem rechten Feind geglüht?
Dieses nur will ich erflehen,
Gott in Liebe und in Zorn!
laß mich klar und deutlich sehen
In der Wahrheit tiefen Born!
Reiner, weißer Schnee! o schneie,
schneie beide Hügel zu
Daß die Seele mir gedeihe
still und kühl in Winters Ruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Daß der Haß umsonst die Hände
träumend aus dem Grabe streckt!
d. 18_t. Nov.
Poetentod.
Der Herbstwind zieht, der Dichter liegt am Sterben,
Die Wolkenschatten jagen an der Wand
An seinem Lager knie'n die zarten Erben,
Des Weibes Stirn ruht heiß auf seiner Hand.
Darin ein flücht'ger Abendstrahl ertrunken,
mit dunklem Purpurwein netzt er den Mund
Und wieder rückwärts auf den Pfühl gesunken
Thut er den letzten Willen also kund:
Die ich aus Wunderklängen aufgerichtet,
Vorbei ist dieses Hauses Herrlichkeit!
Ich habe ausgelebt und ausgedichtet
Mein blühend Lied, dich, meine Erdenzeit!
Das stolz und mächtig diese Welt regierte:
Es bricht mein Herz, mit ihm das Königshaus!
Der Gastfreund, der die edlen Hallen zierte,
Der Ruhm zieht mit dem Leichenzug hinaus!
Dann löschet meines Heerdes helle Flamme
Und zündet wieder stille Kohlen an
Wie's Sitte war bei meiner Väter Stamme
Eh' ich den Schritt auf dieses Rund gethan!
Und was den Heerd in schönen Formen zierte,
Was sich an alter Weisheit um ihn fand,
Die heil'gen Schriften, die ich bei mir führte,
Streut in den Wind, gebt in der Juden Hand
Daß meines Geistes namenloser Erbe
Mit, klarem Aug', im leichten Schülerkleid
Auf off'nem Markt sich ahnungsvoll erwerbe,
Was ich in Sternennächten eingeweiht!
Nur meine Rosengärten lasset stehen,
Bis auch mein herrliches Poetenweib
Im nächsten Lenze wird zur Ruhe gehen
Den Blumen schenkend ihren schönen Leib!
Dann aber mäht die Rosenbüsche nieder
Und brechet meine grünen Lauben ab!
Der Boden trage Kohl und Rüben wieder,
Nur Eine Rose laßt auf meinem Grab!
Mein Lied wird siegreich durch die Lande klingen,
Ein Banner, von den Höh'n der Erde weh'n,
Doch ungekannt, mit mühsalschwerem Ringen
Wird meine Sippe dran vorübergeh'n!
Drum sollt ihr meinem Sohn das Leben gründen,
Gebt ihm ein Handwerk oder auch ein Schwert
Und meine Tochter laßt den Freier finden,
Der sie in Lieb und Treuen redlich nährt!
Gebt jenen Band verblichner Schrift den Flammen,
s'ist meiner Jugend greller Widerschein;
Die Asche und mein Lorbeerreis zusammen
Legt mir zu Häupten dann im Todtenschrein!
Arm, wie ich kam, soll man hinaus mich tragen!
Den Lorbeer nur will ich mit Zaubermacht
Als Wünschelruthe an die Sterne schlagen
Nach neuen Klängen aus der Strahlenpracht!
Noch überläuft sein Angesicht, das reine,
Mit einem Strahl das sinkende Gestirn –
So glühte eben noch im Rosenscheine
Nun starret kalt und weiß, des Berges Firn.
Und wie das Schneegebirg, erlischt, verblichen
Zum Himmel raget zwischen Tag und Nacht,
Der letzte Nachhall über's Thal gestrichen,
Dann tiefe Stille auf den Landen wacht:
Die ganze Größe dieses schönen Spieles
liegt in der engen Todtenkammer nun,
Wo Weib und Kinder, stumm, voll Wehgefühles,
Verlassen um die Dichterleiche ruh'n!
Und wie durch Alpendämmerung das Rauschen
Von eines späten Adlers Flügeln weht:
Ist in der Todtenstille zu erlauschen,
Wie eine Geisterschaar von hinnen geht.
Sie ziehen aus, des Seligen Penaten,
In reiche Prachtgewänder tief verhüllt
Sie geh'n, die an der Wiege schon berathen,
Was er in Liedern dann so schön erfüllt.
Voran, gesenkten Blick's, das Leid der Erde,
Verschlungen mit der Freude Traumgestalt,
Die Phantasie und endlich ihr Gefährte,
Der Witz, mit leerem Becher, stolz u kalt.
Nov. 1845.
An einer Kindesleiche.
Er hat geweht, der Wind, den Niemand sieht
und niemand hört; er hat den Baum geschwungen,
Deß' Wurzelwerk die Erde überzieht,
In dessen Krone ich dies Lied gesungen.
Das jüngste Blatt, das gestern dran geblüht,
hat über Nacht sich leise losgerungen
Und fiel; und niemand gab wohl weiter acht,
Als ich, der da zunächst dabei gewacht.
So bist erlöscht du, lieblich junges Licht,
Das mir erquickend in das Herz gezündet?
Noch sprach drei Worte deine Zunge nicht,
Doch hat dein Lallen mir so viel verkündet!
Das Sehnen, das die feinsten Bande flicht
Es hat <mich> innig auch mit dir verbündet
Ja, vor viel Großem unter dieser Sonnen,
hab ich dich, Kleinen, werth und lieb gewonnen!
Ob ich gen Himmel sah in's blaue Meer,
Ob in dein Aug', es war das gleiche Schauen
Es leuchtete aus diesen Sternen her
Ursprünglich reines Licht von schönern Auen.
Wie oft senkt' ich den Blick, von Mühsal schwer,
erfrischend tief in dies verklärte Blauen
Wie war das Lachen deines Mund's so fein!
Wie heimlich unsre Freundschaft, still und rein!
Nie hab' an deine Zukunft ich gedacht,
Die Gegenwart war ja so schön und heiter!
Du hast wie eine Blume mir gelacht
Und an die Sommerfrucht dacht' ich nicht weiter;
Ob einst vielleicht ein Held in dir erwacht',
Wie hoch du steigest auf der großen Leiter:
Du lieblich Kind warst in dir selbst vollkommen –
Was sollte dir und mir die Sorge frommen?
Zu der du wiederkehrst, grüß mir die Quelle,
des Lebens Born, doch besser: Grüß das Meer
das Eine Meer des Lebens, dessen Welle
hoch fluthet um die dunkle Klippe her,
darauf er sitzt, der traurige Geselle,
der Tod – verlassen, einsam, thränenschwer
Wenn ihm die frohen Seelen, kaum gefangen,
mit lautem Jubel wieder auf die See gegangen!
Nov. 45.
Die Tellenschüsse.
Ob sie gescheh'n? das ist hier nicht zu fragen;
Die Zierde jeder Fabel ist der Sinn
Das Mark der Wahrheit ruht hier frisch darin,
Der reife Kern von allen Völkersagen.
Es war der erste Schuß ein Alleswagen,
Kind, Leib und Gut an köstlichen Gewinn:
Blick her, Tyrann! Was ich nur hab' und bin,
Will ich zum Kampf mit dir entgegen tragen.
Und du kommst leer und heillos, wie du bist,
Und lässest fühllos dir am Herzen rütteln,
Und spiegelst höhnisch dich in meinem Blut?
Und immer: Nein!? – Verlaufen ist die Frist
Verflucht sei deines Hauptes ewig Schütteln,
O zweiter, heil'ger Schuß, nun triff mir gut!
Nr. 295*
November
Meerwunder.
Ich lag im schwanken Bretterhaus
Auf meinem Bauch und schaute
Beim Bugspriet in das Meer hinaus
Wie's in der Tiefe graute.
Da ist mir drunten alsogleich
Ein Wunder aufgegangen:
Ich sah ein schwimmend Königreich
Von Fischen, Krebs' und Schlangen.
Die Seeschlang' saß als Königin
Auf dem Korallenthrone.
Sie trug, von Moos und Meerschlamm grün,
Triefend die goldne Krone.
7 Dezember 1845.
Wo sich drei Gassen kreuzen, krumm und enge,
Drei Züge wallen plötzlich sich entgegen
Und schlingen sich, gehemmt auf ihren Wegen,
Zu einem Knäul und lärmenden Gedränge:
Die Wachtparad' mit gellen Trommelschlägen,
Ein Hochzeitzug mit Geigen und Gepränge,
Ein Leichenzug klagt seine Grabgesänge
Das Alles stockt, kein Glied kann sich mehr regen.
Verstummt sind Geiger, Pfaff und Trommelschläger
Der Dicke Hauptmann flucht, daß niemand weiche,
Gelächter schallet aus dem Hochzeitzug.
Doch oben auf den Schultern schwarzer Träger
Starrt in der Mitte kalt und still die Leiche
mit blinden Augen in den Wolkenflug.
7 Dez.
Was ist das für ein Schrei'n und Peitschenknallen?
Die Fenster zittern von der Hufen Klang
Zwölf Rosse keuchen an dem straffen Strang
Und Fuhrmannsflüche durch die Gasse schallen.
Der auf den freien Bergen ist gefallen,
Dem todten Waldeskönig gilt der Drang
Da schleppen sie, wohl dreißig Ellen lang,
Die Rieseneiche durch die dumpfen Hallen.
Der Zug hält unter meinem Fenster an,
Denn es gebricht zum Wenden ihm an Raum
Verwundert macht der Pöbel sich heran
Und weidet sich an der gebrochnen Kraft
da liegt entkrönt der stille, todte Baum
Aus seinen Wunden fließt der frische Saft.
7 Dez.
Reformation.
Im Bauch der Pyramide tief begraben,
In einer Mumie schwarzer Todtenhand
war's, daß man alte Weizenkörner fand,
Die dort Jahrtausende geschlummert haben
Und prüfend nahm man diese seltnen Gaben
Und säet' sie in lebendig Ackerland
Und sieh da, eine goldne Saat erstand,
An der sich Herz und Auge konnten laben!
So blüht die Frucht dem späten Enkelkinde,
Die mit den Ahnen schlief in Grabesschoß –
Das sterben ist ein endlos Aufersteh'n!
Wer hindert nun, daß wieder man entwinde
Der Kirche Mumienhand, was sie verschloß:
Das Wort des Lebens! wieder es zu sä'n?
9_t. Dez.
Morgenlied.
Fahre herauf, du kristallener Wagen,
Klingender Morgen, so frisch und so klar!
Seidene Wimpel, vom Ostwind getragen,
Flattre, du rosige Wölkleinschaar!
Siehe die Meere, sie schaukeln und branden,
Fröhlich die Brise von Morgenland weht
Sühnend erfunkelt der Thau auf den Landen,
Weihbrunn zum heiligen Sonnengebet.
Tausendfach wollen die Blumen entriegeln
Aus ihrer Brust den gefangenen Gott
Doch die vergoldeten Kreuze bespiegeln
sich auf den Domen mit gleißendem Spott!
Singen nicht Lerchen dort hoch in den Lüften
Schwenkend und ziehend im freudigen Zug?
Nein, aber aufwärts^geschwungen aus Grüften
Sonnt sich ein kreischender Rabenflug!
Springt nicht ein Fischlein aus silberner Welle,
Das sich am lieblichen Lichte erfreut?
Ja, 's ist ein Hecht, der mit tückischer Schnelle,
Seinen täglichen Raub nur erneut!
Fahre hinüber auf klingenden Speichen,
Glänzender Morgen! noch ist es nicht Zeit;
Rosige Wimpel, und ihr mögt erbleichen!
Weh mir! schon weht ihr so blaß und so weit!
Fahre! – es träumet ein Riese auf Erden,
Dem es gar ahnend im Ohre erklingt.
Auf springt er einst, in den Zügel den Pferden,
Die zu stehn der Gewaltige zwingt.
Heißt dann die Freiheit dem Wagen entsteigen
Mit ihrer ganzen herrlichen Fracht.
Mag sich die Sonne nur heben und neigen:
Schön ist der Tag dann und glücklich die Nacht!
Nr. 300*
d. 14_t. Dec.
An Freiligrath.
Das nenn' ich ein gesundes Träumen
Und einen unverdorb'nen Schlaf,
Wenn kaum aus rothen Wolkensäumen
Das Sonnengold sein Auge traf:
Der Dichter aus den Rosen springt,
Den guten Fiedelbogen schwingt
Und hell erwacht, in scharfen Reimen
Sein Lied dem Tag entgegen klingt.
16_t. Dec.
Winterlied.
Wie zieht das finster thürmende
Gewölk so kalt und schwer!
Wie jagt der Wind, der stürmende,
das Schneegestöber her!
Wo sonst die Venus funkelte,
Ist es nun grau und todt;
Ich denk' in das verdunkelte
Westland das Abendroth!
Verschwunden ist die blühende
und grüne Weltgestalt
Es eilt der Fuß, der fliehende
Durch's Schneefeld naß und kalt.
Wohl dem, der nun zufrieden ist
und innerlich sich kennt,
dem warm ein Herz beschieden ist,
das heimlich loht und brennt
Wo, traulich sich dran schmiegend es
die stille Seele schürt,
Ein sprudelnd übersiegendes
Gedankensüpplein rührt!
• Nr. 302
16.
Der Winter ist eine ehrliche Haut
ein alter Poldrian,
Wie zornig er mir in's Auge schaut
Blick ich ihn wiederum an!
Sein Blut ist kühl und starr wie Eis,
doch nie seine Treue wankt
Wie oft hab ich mich nächtlicher Weis
mit ihm herum gezankt.
Da rüttelt er mir am Gartenthor
Und stampft auf den Beeten herum
Er schimpft mich einen sanguinischen Thor,
leichtgläubig und herzlich dumm!
Viel Hoffnungen zieh ich in Scherben auf
am kalten Sternenschein
Da ist er besonders versessen drauf
und stürmt auf sie herein.
Ich balge mich immer, so gut ich kann,
um jedes grüne Reis;
Er aber entrupft sie, der harte Mann,
den Scherben büschelweis.
Doch die mir der Alte stehen läßt,
Die sind erprobt und gefeit!
Die sind gelenzet und frühlingsfest
Und der Erfüllung geweiht!
O Polenhoffnung, du grünes Kraut
Wie lächelst du aus dem Schnee!
Es wächst wie eine Eiche gebaut,
Die deutsche in die Höh!
O Schweizerhoffnung, dünnes Gras,
O sauge dich mächtig an
Gott segne dich ohn' Unterlaß!
Du bist am schlimmsten dran!
Nr. 303*
d. 19 Dec 1845
An George Sand.
Ich denke oft an's große Meer
Und hab' es nie geschaut;
Und hab' ihm doch so lange schon
Mein kleines Leid vertraut!
Das macht: ich kenn es besser,
Als mancher Seemann wohl,
Wie man in seine Tiefe
mit Andacht schauen soll.
Und fern mir, wie die Meeresfluth,
Geht deines Herzens Schlag,
Den innerlich in stiller Nacht
Ich lauschend hören mag!
Es ist dein Herz ein Spiegel
Von Erdduft überhaucht,
Darein Gott oft beschaulich
Und tief sein Auge taucht!
Nr. 304*
d. 20_t. Dec.
Offizielles Christenthum
O nennt mir eine einzige Tugend nur,
Die nicht ein guter Heide einst besessen!
Zeigt mir nur Einer Todessünde Spur,
Der sich nicht tausend Christen schon vermessen
Beweiset mir, daß grüner stehn die Auen,
Daß ehrlicher, die Staat und Acker bauen,
Daß schöner sind und treuer unsre Frauen,
So will ich meinen Zweifel gern vergessen,
Und gläubig mit euch auf zum Kreuze schauen!
Weh' uns, daß wieder es im Herrn entschlief,
Das zarte Weihnachtkindlein, kaum geboren!
Doch weg mit Scherzen! – denn ich fühl' es tief,
Welch' ungenossen Heil wir dran verloren!
Es war ein Leuchten ferner Herrlichkeiten,
Es war ein Lenzblick ew'ger Frühlingszeiten!
Da kamet Ihr, das Bahrtuch auszubreiten,
Das ihr zum Löschen zeitig schon erkoren
Nacht ward es wieder in der Erde Weiten
Glaubt Ihr ein letzt' Gericht? Weh über Euch!
Denn Gott wird euch an jenem Tage fragen,
Wie Kain einst: Wo ist mein Himmelreich? –
Was habt Ihr meinen Segen unterschlagen?
Ich hieß euch schenken an des Lebens Bronnen:
Kein Tropfen ist der durst'gen Welt geronnen
Das Wort war euer: Ihr habt nichts begonnen!
Weg, weg mit Euch, den schwersten Fluch zu tragen,
Den ihr im wüsten Herzen selbst ersonnen!
Ein grünes Reis noch schlägt der dürre Baum
In diesen Tagen und im deutschen Lande;
Noch ist's nur wie ein zarter Maientraum,
Der luftig schwebt auf gold'nem Wolkenrande!
Doch sollt' auch dieser letzte Sprosse sterben,
Soll' dieses letzte Blühen noch verderben –
Es wird, wenn eure Hände darum werben –
Dann wird der Baum gefällt, im todten Sande
Wird ihn der Wurm: Vergessenheit! ererben!
• Nr. 305
d. 21_t. Dezember.
An Freiligrath, bei seinem Eintritt in die Schweiz.
Sobald ein Dichterkind mit holdem Siege
die Augen aufschlägt hier im Erdenthale
Steh'n schon zwei Genien an seiner Wiege.
Hell von Kristall hält dieser eine Schale
Voll bis zum Rand von feuergoldnem Wein,
belebt, durchwebt vom reinsten Sonnenstrahle.
Des Andern Schaal' ist dunkler Edelstein,
Rubin, und faßt des Mohnes dunkeln Saft
durchwoben von des Mondes Zitterschein.
In beiden Schaalen ruht die Lebenskraft,
Die ihm die treuen Genien rastlos schenken,
die ihn durchwallt und seine Lieder schafft.
Aus beiden Schaalen strömt sein Sein und Denken,
Sein Blühn u Sehnen, fließen Tag und Nacht!
Ein sonnig Schau'n, ein träumerisch Versenken
In seine Seele, wie sie träumt u wacht.
Und Preis dem Dichter, wenn die Lebensbecher
Ihm reich erfunkeln und in gleicher Pracht!
Doch Halbpoet nur ist der trunkne Zecher,
Der aus dem Einen überwiegend trinkt
Sein Herz wird krank, sein Lied wird täglich schwächer.
O wenn die Nacht mit ihren Sternen winkt,
Dann leer' die dunkle Schaale bis zum Grunde,
daß der uralte Zauber in dich sinkt!
Doch naht mit heil'gem Weh'n die Morgenstunde,
Laß dem Kristall den klaren Trank entquellen
Dann führ', wie sie, der Wahrheit Gold im Munde!
Thu' auf dein Aug des Lichtes goldnen Wellen
Laß liegen, die im tödtlichen Rausch versunken
Die ewig auch den Tag zur Nacht gesellen! –
So hast auch Du die Zauberfluth getrunken,
O Freiligrath, daß Berg und Thal erklungen,
Und sich die Elfen fröhlich zugewunken!
Vom Morgenland hast ahnend du gesungen
Denn als der Morgen leuchtend vor dir stand
da hast du aus den Rosen dich geschwungen,
frisch u gesund und sieh! das Morgenland
Lag ausgebreitet da zu deinen Füßen
Kameele, Tiger, Sclaverei u Sand!
doch mitten in der Wüste Finsternissen
erblüht' der «Morgen, und vom Rhein» erklangs
entgegen dir von hellen Freiheitsgrüßen,
Und jeder Mund im deutschen Lande sang's:
Der Freiligrath hat sich zu uns geschlagen!
Und jedes Ohr in fernen Gau'n verschlang's,
So weit die deutsche Kunde ward getragen!
Doch Manchem wohl erklang dein Taglied schrill
denn bald sah man die Schergen nach dir jagen.
Die sonst so nächtlich sanft und muckerstill,
Es brach die preußische Romantik los,
Die Mohn und Mohn und wieder Mohnsaft will. –
So grüß ich dich in dieses Landes Schooß!
Zwar eben ist's in unsern Bergen düster
bei heiterm Frühlingshimmel; heut noch floß
Ein blutig Rieseln, und ein Klaggeflüster
Durchzieht den Bergwald; es erdröhnt das Land
Vom wüsten Schrei der Pfaffen und Philister
Wir reichen dir die pulvergeschwärzte Hand
Der Trommelschlag verschlingt die Freundesgrüße
Und ringsum loht des Hasses rother Brand!
Auf starre Leichen stoßen deine Füße
Hier liegen sie mit ausgestochnen Augen,
Dort schiffen sie hinab die blauen Flüsse.
Sieh, wo dir mag ein stilles Plätzlein taugen,
Du trittst hier in der Freiheit Werkstatt ein,
Wo zornig ihre Essen sprühn und rauchen!
Doch mag hier noch der beste Boden sein,
<Wo> harrend du dir deine Warte baust,
Wallt doch nach deinem vielgeliebten Rhein
Ein jedes Wässerlein, in das du schaust
Da lasse deine Lieder abwärts schwimmen,
Da wirf hinein die Späne, die du haust!
Und hier, wie dort, die Hoffnungssterne glimmen;
bis du wirst drin den Tag der Heimkehr schauen
kannst du derweil zum Sieg die Saiten stimmen.
Mich dünkt, du wirst darüber nicht ergrauen!
• Nr. 306
Christtag 45.
Auf der Straße (Vom Ofen bis zum Fenster)
[…]
Ich bin ein ganzer Held! den Mantel umgeschlagen –
romantisch schwarzer Sammt erglänzt an Kleid u Kragen -
Stürm ich dahin in eitelm Wahn;
Ob Sammt? ob nur Katun? es war ein langes Zanken
Mit meinem Mütterlein; doch fest und ohne Wanken
erstritt ich Sammt und Niemand sieht mir's an!
Leichtsinnig, hohen Muth's mach ich die Morgenrunde
die Wintersonne scheint, Cigarro brennt im Munde,
den ich dem Kaufmann schuldig bin
Die Wintersonne scheint, kalt ist ihr Silberflimmer,
und kalt ist mir das Herz kalt meiner Augen Schimmer
und trüb, befangen immerhin.
Da treff' ich einen Freund auf meiner irren Bahn,
Wir halten mit Geklatsch ein halbes Stündchen an;
Wie wenn zwei alte Hexen schelten
So bricht von Bosheit nun und Neid ein ganzer Chor
Von Zoten, schlechtem Witz und Haß aus uns hervor
Daß mir verschämt die eignen Ohren gellten.
Da kommt ein Handwerksbursch, bleich, mit zerrissnen Sohlen,
Mütz' in der Hand, geduckt, ein Gäblein sich zu holen,
Mit einem Kreuzer wär' ihm wohlgethan.
Doch weil ich diesen nicht in leerer Tasche trage,
und doch nicht freundlich ihm es zu gestehen wage,
fahr' ich ihn rauh abweisend an!
Ob mir das kühle Herz in rascher Scham erglüht,
Ob auch ein blut'ger Schnitt mir durch die Seele zieht,
Man sieht es nicht in meinen Blicken
Ich habe ja gelernt, mit höhnisch leichtem Spiel
Den halberfrornen Lenz, das innere Gefühl,
wenn es erblühen will, zu unterdrücken!
O ich war treu, wie Gold, begeistert, klar und offen;
Ein Blatt um's andre fiel von meinem grünen Hoffen
Und taube Nüsse tauscht' ich ein!
Schmach über dich o Welt! du hast mich ganz beladen
Mit deinem Schlamm und Staub! o könnt' ich rein mich baden
im wilden Meer, sollt's auch ein Sterben sein!
Coquett ist dies Gedicht, Naivetät erlogen
Und nur das Schnöde wahr! ich hab' euch arg betrogen
Denn Zwei geworden sind mir Herz u Mund!
Ich bin ganz euer Bild, selbstsüchtig, falsch u eitel
Und unklar in mir selbst vom Fuße bis zur Scheitel
Ein europäisch schlechter Hund!
d. 28_t. Dec.
Rauh geht der Nord, es dunkelt aller Enden,
Jetzt eben hinter jenen Wolkenwänden
Dort muß die Sonne untergeh'n!
Dort ist's nun abendklar und goldenhelle
Dort sind nun Lilje, Rosenhag und Quelle
Im Einen seligrothen Glanz zu seh'n!
Hier aber ist ein kaltes Wehn und Brausen,
in dunkler Luft die scheuen Wälder sausen
Die Bäche toben durch's Gestein
Dicht auf der Haide kühle Winde streichen
Asketisch beugen sich die ernsten Eichen
Die Nacht wankt finster in das Land herein
Ich kenne kaum den Grund zu meinen Füßen,
Doch hör' ich schon die Regenströme gießen,
Es weint das tief^verhüllte Land
In meinem Herzen tönt die Klage wieder
Und es ergreift mich, wirft zum Staub mich nieder
und meine Thränen rinnen in den Sand.
O reiner Schmerz, der in den Höh'n gewittert,
du heil'ges Weh, das durch die Tiefen zittert
ihr schloßt auch mir die Augen auf!
Ihr habt zu mir das Zauberwort gesprochen
und meinen Hochmuth, wie ein Rohr gebrochen
Und ungestillt strömt meiner Thränen Lauf.
Du süßes Leid hast ganz mich überwunden!
Welch' dunkle Lust, die ich noch nie empfunden
Ist glühend in mir angefacht!
Wie reich bist, Muttererde, du zu nennen!
Ich glaubte deine Herrlichkeit zu kennen,
Nun erst schau ich in deinen tiefsten Schacht!
Da leuchtet es in düsterm Strahlenkranze
da funkelt es von mildem Thränenglanze
Und tief der Wehmuth Gold erglüht!
Wie flimmern da der Sehnsucht blaue Kerzen
Und die Entsagung glänzt in harten Erzen
Ergebung sanft in feinen Adern blüht
Gebrochner Stolz klagt wie in Grabesklängen,
Doch Demuth wacht in den geheimsten Gängen
als mildes Grubenlicht entbrannt,
Die oben nicht zum Leben Raum gefunden,
O was für Liebe schläft und träumt da unten,
friert endlich ein zu hartem Diamant!
Und leise schallen hör' ich ferne Tritte
Es naht sich mir mit leichtbeschwingtem Schritte
durch die geheim erhellte Nacht
Weiß, wie entstiegen einem frischen Grabe,
so wandelt her ein schöner schlanker Knabe,
Einsamer Bergmann in dem stillen Schacht.
Willkommen, Tod! dir will ich mich vertrauen,
Laß mich in deine treuen Augen schauen
Zum ersten Male fest und klar!
Wie wenn man einen neuen Freund gefunden,
Kaum noch von der Verlassenheit umwunden,
so wird mein Herz der Qual u Sorge bar.
Tief schau ich dir in's Aug', das sternenklare,
Wie steh'n dir gut die feuchten, schwarzen Haare
Wie weiß ist deine kühle Hand
O lege sie in meine warmen Hände,
Dein heil'ges Antlitz zu mir niederwende!
Wohl mir! ich habe endlich dich erkannt!
Ob mir auch noch beglückte Stunden schlagen,
Ich will dich heimlich tief im Herzen tragen
Und wo mich einst dein Gruß ereilt:
Im Blüthenfeld, im schimmervollen Saale,
Auf stillem Bett, im schlachterfüllten Thale,
Ich folge dir getrost und unverweilt!
So wachet auf, ihr hellen Morgenlieder!
Ich aber leg' mir um die Stirne wieder
des Stolzes unfruchtbaren Kranz
Der Welt mit Weltsinn nun entgegen^gehen
will ich; doch innen blüht mir ungesehen
der Todesdemuth still verborgner Glanz!
Den 28_t. Dec
An .....
Wie einst die Tochter Pharao's
Im grünen Schilf des Niles ging,
Deß' Auge hell, verwundrungsgroß,
Verliebt an ihren Augen hing
Wie sie ihr Haupt, das goldumreifte
Sehnsüchtig leicht fluthüberbog
Um ihren Fuß das Wasser schweifte
Und silberne Ringe zog!
So seh ich dich, du träumrisch Kind,
Am abendlichen Rheine stehn
Wo seine schönsten Borde sind
u seine grünsten Wellen geh'n
Schwarz ist dein Aug', schwarz deine Haare
Und deine Magd, die Sonne, flicht
darüber eine goldenklare
Krone von Abendlicht!
Reich ist der alte tiefe Rhein
An Wundern und Sagenlust
Der Nibelungenhort ist sein,
drum wandelt er so stolz bewußt
Doch deiner Augen reichem Glühen
Und innerlicher Herrlichkeit
Muß er verarmt vorüber ziehen
in stiller Bescheidenheit.
d. 20_st. Januar
An einen Schulgenossen.
«Wohin hat dich dein guter Stern gezogen,
O Schulgenoß aus ersten Knabenjahren?
Wie weit sind auseinander wir gefahren
In unsern Schifflein auf den weiten Wogen!
«Wenn wir die Untersten der Schule waren,
Wie schwärmten wir, daß sich die Bänke bogen,
Wie haben wir erfindrisch uns belogen
Von Aventüren, Liebschaft und Gefahren!»
Da seh' ich just, beim Schimmer der Laterne,
Wie mir gebückt, zerlumpt, ein Vagabund
Mit einem Häscher scheu vorüber geht. –
So also wendeten sich unsre Sterne?
Und so hat es gewuchert, unser Pfund?
Du bist ein Spitzbub worden – ich Poet!
Nr. 310*
d. 19_t. Januar
Frühlingsahnung.
Welch' lieblich Lüftlein hat sich aufgemacht
Und will so listig mir das Herz bewegen?
Es weh't so lau durch's Fenster mir entgegen
Ich glaub', es regnete vergangne Nacht.
Und wie erstorb'ne Asche oft entfacht
Ein Hauch, daß bald sich helle Flammen regen:
Wird aus dem Schnee, der heute noch gelegen,
Dies Lüftlein wecken hohe Lenzespracht
Schon glüht die Kammer mir von Rosenlicht,
Schon spielt an weißer Wand der Sonnenschein
um's alte Fenster rankt es blüthenvoll. –
Ich freu' mich aber auf den Frühling nicht,
er wird für mich ein leer' Theater sein,
auf dem ich niemals, niemals spielen soll!
Nr. 311*
d. 18 Jan.
An mein Herz.
Du schauckelnde Welle, du glühendes Erz
Du weiches, empfängliches, flackerndes Herz
Willst du nicht erkalten? Du siehst, wie die Welt
Sich kalt und verschlossen entgegen dir stellt
O werde ein hartes gegossenes Erz
Nun endlich mein armes bewegliches Herz
Doch wenn sie dir tödtlich, die eiserne Ruh,
so fließe und woge ein Weilchen noch zu
so flackre, vom leisesten Hauche entfacht
die Welt wird am Ende noch gut über Nacht.
Wie wirst du dich freuen, wenn warm du noch schlägst,
dich Welle zum spiegelnden Meere dann trägst!
Willst du nicht dich schließen
Herz, du offnes Haus,
Worin Freund' u Feinde
Stürmen ein und aus?
Schau' wie sie verletzen
dir das Hausrecht stets
fühllos auf u nieder
polternd lärmend geht's
Keiner putzt die Schuhe,
Keiner sieht sich um,
Staubig brechen Alle
dir in's Heiligthum
Trinken aus den gold'nen
Kelchen des Altar's
Stehlen Müh' u Segen
dir des ganzen Jahr's
Werfen die Penaten
Wild vom Herde dir
Pflanzen drauf mit Toben
Ihr zerfetzt Panier
Und wenn zu verwüsten
sie nichts finden mehr,
lassen sie im Scheiden
dich mein Herz, so leer!
Nein! und wenn nun Alles
Still u todt in dir
O noch halt dich offen,
offen für u für!
Laß die Sonne scheinen
heiß in dich herein,
Stürme dich durchfahren
und den Wetterschein.
Wenn durch deine Hallen
so die Windsbraut zieht,
laß aus deinen Glocken
schallen Lied um Lied.
Denn noch kann's geschehen,
daß auf irrer Flucht
eine treue Seele
bei dir Obdach sucht.
Dann ist's Zeit, zu schließen,
endlich Thür u Thor
Dann blüh' dir im Innern
neu der Lenz hervor!
d. 18_t. Januar 1846
An Lem
Ich sehe dich mit lässig sichrer Hand
den feinen Nacken einer Göttin schreiben,
dazu den Hohn um deine Lippen treiben:
«s'ist ist nichts dahinter» oder «eitler Tand!»
Seh' dich zuhinterst an der Schenke Wand
Bis Mitternacht bei den Gesellen bleiben
Dein Schwarzaug sucht dem Witz die breiten Scheiben
Jedoch dein schöner Mund des Bechers Rand.
Du schlenderst heim, ein leichtes Liedlein pfeifend,
drückst in die Kissen deine dunkeln Locken,
indeß der Traum dir einen Schwank erzählt.
Zeigt er dir mich, in wachen Träumen schweifend,
enthusiastisch bei den Büchern hocken? –
Hast du am End den bessern Theil erwählt?
d. 17_t. Januar
Es ist nicht Selbstsucht und nicht Eitelkeit,
Was sehnend mir das Herz Grabüber trägt;
Ich glaub', was mir die schöne Brücke schlägt,
ist wohl der Stolz, der mich vom Staub befreit.
Sie ist so kurz, die grüne Erdenzeit,
Unendlich aber, was den Geist bewegt
s'muß wenig sein, was ihr im Busen hegt,
da ihr hier gar so satt vergnüglich seid.
Und wenn auch einst die Freiheit ist errungen,
die Menschheit hoch wie eine Rose blüht,
Auch nicht vom kleinsten Dorne mehr umschlungen:
So ist's ein Funke nur, der ärmlich sprüht,
Vom Feuer der Unsterblichkeit bezwungen,
das in des Kindes kleinem Herzen glüht.
d. 16_t. Jan.
Wer ohne Schmerz, der ist auch ohne Liebe,
Wer ohne Leid, der ist auch ohne Treu'
Und dem nur wird die Sonne wolkenfrei,
der aus dem Dunkel ringt mit heißem Triebe.
Bei Euch ist's nichts, als lärmendes Geschiebe,
In wildem Tummel trollt ihr euch herbei
Und meßt das Erdreich ohne heil'ge Scheu,
Als ob zu hoffen kein Kolumb mehr bliebe!
Euch ist der eigne Leichnam noch nicht klar
Ihr kennet kaum den Wurm zu euren Füßen
Die Blume nicht, die sproßt aus eurem Grab.
Doch hüpfet ihr und krönt mit Stroh das Haar
Gedankenlos als Götter euch zu grüßen
Der Zweifel fehlt und das bricht euch den Stab!
• Nr. 316
d. 16_t. Jan. 46.
«Ich mach' die Seelen selig, Ich allein!»
Spricht Rom; lang hielt ich diesen Jammerspruch
für das Erbärmlichste, was je in's Buch
der Sünde schrieb das Erdenelend ein.
Da kommet Ihr, euch würdig anzureih'n,
und sagt: ein Ende macht das Leichentuch!
der Jenseitsglaube ist ein dürrer Fluch
hier laßt uns Hütten bau'n, hier ist gut sein!
Auch ich glaub' wandellos: Hier ist gut wohnen!
Auf! laßt uns seh'n, wie wir zurecht uns finden:
Die Menschenseele ist zum Glück bestimmt!
Was aber ward aus all' den Millionen,
die bleich und siech von hinnen mußten schwinden? –
Wie unvernünftig euer Lichtlein glimmt!
d. 15_t. Januar 1846.
Winterabend.
Schneebleich lag eine Leiche, und es trank
Daneben ein Geselle unverdrossen,
Bis endlich ihm der Himmel aufgeschlossen
Und er berauscht zu ihr auf's Lager sank.
Von rothem Wein den Becher voll und blank
Bot er dem Todten; bald war übergossen
das Grabgesicht und purpur'n überflossen
das Leichenhemd; so trieb er tollen Schwank.
Die trunkne rothe Sonne übergießt
im Sinken dieses schnee^verhüllte Land,
daß Rosenschein von allen Hügeln fließt
Von Purpur trieft der Erde Grabgewand;
doch die verblasste Leichenlippe schließt
sich kalt u starr des Sonnenbechers Rand.
• Nr. 318
d. 14 Jan. 1846.
Subjektives Dichten.
Erst wollte Ich mit vieler Mühe flechten
'Ne lange Schnur von schläfrigen Terzinen,
Mit breitem Klatsch die Kläffer zu bedienen,
Die mit dem Ich in diesen Liedern rechten
Der Teufel aber möge das verfechten,
Was solchen Langgeöhrten krumm erschienen
Und feige wär's, nach jedes Narren Mienen
zu drehen sich und gar das Lied zu knechten!
Ein wunderlicher Kauz ist der Poet,
Der Das, was alle Andern bloß empfinden,
Mit wunderlichen Worten sagen kann.
Wenn's unter seinem Namen besser geht,
Wie möget Ihr ein Aergerniß da finden,
Ihr nüchternes Geschlecht: Er, Sie, Es, Man?
Nr. 320*
d. 6_t. Januar 1846.
Als jüngst Kaiser Nikolaus in Rom war und
der Papst ihn umarmte zur Aussöhnung
wegen der Katholikenverfolgungen in Polen
Fiebernacht.
Ist's nicht bald Morgen? O wer nennt
Die Stunde mir? das Lager brennt
mich wund, ich habe ganz durchwacht
die lange, stumme, dunkle Nacht
Und immer nur den Stundenschlag
Qualvoll verträumt – ist's noch nicht Tag?
Gott nahm die Blumen aus der Welt
Die Sterne drauf vom Himmelszelt
Und schloß sie höhnisch in einen Schrein
Und sprach: Mein sind sie und nicht dein!
Ich ging auf einem öden Plan
Und steckte meine Pfeife an
Da kam er wieder mir die Quer
Und bot mir seine Pfeiffe her
Ich gab ihm Feuer zu selber Frist
Und bat: Nun sag' mir, wer dur bist!
Da lachte er recht widerlich
Und drehte auf dem Absatz sich
Er drückte den Schwamm auf den Tabak
Und zog und sog mit Wohlgeschmack
Rauchend über die Haide geh'n
Hab' ich ihn verschwinden dan<n> geseh'n!
Ich ward darüber aufgestört
Und hab' noch einen Schlag gehört,
Doch weiß ich nicht, war's Eins, war's Zwei?
O wär' doch diese Nacht vorbei!
Nun streckt der Mond die Zunge heraus,
Die Sonne sticht ihm sein Auge aus
Die Bäume heben die Wurzeln empor
Und kehren das faule Mark hervor
Ich wandle auf gefrornem Gras,
Das schneidet mich, wie zerbrochnes Glas
Ist's nicht genug des Gräßlichen?
Mir träumte, mit einem häßlichen
Grabnachbar süße Buhlschaft trieb
im Grabe mein gestorbnes Lieb!
O unerhörter frecher Trug:
Im Traum ich meine Mutter schlug!
Nun wird es wahrlich mir zu heiß,
Von meiner Stirne strömt der Schweiß!
Ist meine Schuld noch nicht gesühnt?
O Gott, woran hab' ich verdient,
daß du mir solche Träume gabst?
O Wasser! seht, nun hat der Pabst
Den Russenkaiser – wer erbarmt
sich meiner? – grinsend umarmt! –
d. 31_st. Dec. 1845.
Ich sah eine junge Welle,
Die durch Alpenrosen floß
und sich freudig mit der Quelle,
lebensfroh in's Thal ergoß
Schien der Himmel drin versunken
Und war doch so leicht und klar
Und ich hab davon getrunken:
Wie so frisch u rein sie war!
d. 4_t Jan. 1846.
Bin dann auf dem Meer gelegen,
Wo das Kreuz am Himmel steht;
Nicht konnt unser Schiff sich regen
windstill war's, kein Lüftlein weht'!
Ich schaut' in die Wasser nieder
in die Tiefen unverwandt
Und sah meine Welle wieder,
aus den Bergen, wohlbekannt.
Von dem heißen Strahl durchzittert
Ja es war sie, deutlich, nah!
Und versalzen und verbittert,
still und muthlos lag sie da!
Nr. 322*
Du mit dem Kopfe voll Erbsen, o langer und redlicher Heinzen!
Saug' aus dem Rugeschen Buch nicht zu viel Wasser in dich;
Denn, wie du weißt, es zerspringen die Nähte an jeglichem Schädel,
Wenn er mit Erbsen gefüllt, die unter Wasser gesetzt!