Nr.
4*
Dec 1843
1843
Ein Schritt zum Himmel ist ein Schritt zum Grabe,
verlorne Jahre sind ein reicher Fund!
Du nicht! Sink immer auf den dunkeln Grund,
O Jahr, das ich so wild durchsungen habe!
O Jahr, o Jahr, du botest schlechte Labe
und arg verhöhnte mich dein falscher Mund,
noch liegt der Menschheit großes Herz so wund,
und immer kreischt er noch, der alte Rabe!
Wir sehnen uns wie ungeduld'ge Kinder,
zu überflügeln die gelähmte Zeit
und achten nicht ein Jährlein mehr noch minder.
Indessen schafft' der Böse allbereit,
statt sehend wurden Viele nur noch blinder
O macht euch auf! noch liegt das Ziel so weit!
Nr. 5*
Zieh hin o Jahr und klag es dem Allmächt'gen,
daß du uns noch im alten Schlamm verlassen!
frag ihn, ob feste Zuversicht zu fassen
uns Arme er noch wolle nicht berecht'gen?
Nr. 6
12 März 44.
Poesie im Volke
Heute, als es so recht hündisch windete und schneite,
sagte einer: «Jetzt wäre es schön, oben auf der
Manegg zu sitzen, in ein nasses Bettlacken gehüllt,
eine gefrorene Rübe im Hintern, und eine geronnene
Milch essend!»
Nr. 7*
Die Königinn weint, die Königinn weint,
und spricht zum alten König:
Eur Liebden, war es so gemeint,
als Ihr so unterthänig
mich zum Altar geleitet habt,
mir schwörend eure Rechte gabt?
wem soll ich nun vertrauen?
Eu'r Pfaffe auf der Kanzel steht
mit Fluchen und mit Schwören!
Von Morgen früh zum Abend spät
muß ich die Schmach anhören
Und unsre armen Kinderlein,
die sollen nun gebrandmarkt sein
vor euren eignen Augen?
Er sagt ja, wenn ein Katholik
'Ne Protestantin freie,
daß dann sein Same Stück für Stück
Bastardenbrut nur seie
dieß trifft bei uns aufs Häärlein zu,
Herr König, u ihr laßt in Ruh
die Gräuelthat geschehen!
Mein theurer Glaube wird verhöhnt
von euren schlimmen Pfaffen;
Ihr aber noch die Schande krönt,
schleift ihnen noch die Waffen
und mich umringt des Pöbels Spott,
das klag' ich meinem lieben Gott,
dieweil ihr nicht wollt helfen!
Der König spricht: Frau Königin,
das thut mir wahrlich leide,
ich sende gleich zum Pfaffen hin,
daß er den Unfug meide!»
der Pfaffe kommt, mit keckem Schritt
er prahlend vor den Fürsten tritt,
erhebend seine Stimme:
«Nach Ueberzeugung ist's geschehn,
was donnernd ich gepredigt»
««Brav, Brav, mein Sohn, so magst du gehn,
du bist der Straf' erledigt!»»
so spricht der Herr mit sanfter Stimm',
und klopfet auf die Achsel ihm,
entlassend ihn in Gnaden!
Nr. 8*
Pfingstfest d. 15_t. Juli
1843.
In Frühroth's Rosenlicht erglühen schön,
Altäre Gottes, rings die Bergeszinnen,
Aus Wäldern hallt ein feierlich Getön,
wie Flötenstimmen sel'ger Sängerinnen!
Siehst du die Lerche hoch zum Aether steigen?
Im Morgenstrahl erglänzen golden ihre Schwingen
Anbethend sollst du dich, erwartend, neigen,
Sie will vom Himmel dir den hehren Pfingsttag bringen!
Wie heil'ger Andacht voll stehn rings umher,
im grünen Feierkleid die stillen Eichen
unhörbar fast fleußt klar ein Bächlein her
wirkt in den Blumenteppich Silberzeichen
Der Waldgesang verhallt! mit frommem Schweigen
blickt harrend alle Creatur zum hellen Osten
bald wird das Sonnenbild sich strahlend zeigen
und alles wird verklärt vom goldnen Lichte kosten.
Mir aber will ganz wunderbar geschehn,
in ferner Zone glaub' ich zu verweilen!
Ich sehe Marmorhallen ring's entstehn,
ein morgenländisch Dach ruht hoch auf Säulen!
In's dunkle Himmelblau schau'n schlanke Palmen,
Oliven-, Feigenbäume stehn im üpp'gen Kranze
Vom Tempel her verhallen ferne Psalmen
Die heil'ge Landschaft ruht im hohen Festtag'sglanze.
Im Saale aber harret ernst und mild
der ersten Christen heilige Gemeinde,
Ehrfurchtvoll seh ich manch' Apostelbild;
von heißer Lieb' gedrängt sitzt Freund' an Freunde.
Es hat das Wort des Herren sie berufen,
des Geistes Weihe offnen Herzen's zu empfangen
Nun bethen sie an seines Altar's Stufen
bis er zu stillen kommt das innige Verlangen.
Da fahret ein Getöse durch das Haus,
wie Windesstürm durchrauscht's die weiten Hallen
Und Alle überfährt ein heil'ger Graus
im leisen Freudenschreck sie kindlich lallen
es steiget eine Wolke strahlend nieder
ob jedem Haupt schwebt eine gold'ne Feuerzunge
der heil'ge Geist durchschauert alle Glieder
und regt allmächtig jeglich' Herz in hohem Schwunge.
Urplötzlich ist das Wort in ihnen klar
von dem so hehr der reine Schwan gesungen
und herrlich legen sie ihr Zeugniß dar
und reden geisterfüllt in fremden Zungen.
Dann ziehen lehrend sie durch alle Lande
und streu'n den göttlichen Gedanken aus als Samen;
er sprießt empor, zersprengt die alten Bande
und blüht in lichten Sternen um des Herren Namen.
Doch trübt sich jetzt das schöne Traumgebild
verschwindend in der Jahre dunkle Reihen
ich sehe dort des großen Wortes Schild
zum Werkzeug niedern Erdenthun's entweihen.
Schon schlägt der Mensch mit seinem Sündenwahne
die schweren Hände auf des Geistes Aetherblüthen
er zerrt und ordnet sie zum Hochmuth'splane,
um listig seiner Brüder Sclaventhum zu hüthen.
Das Menschenblut, das einst der Heid vergoß
auf seines Opferstein's geringer Fläche
und jenes, das dem harten Römer floß
versickert fast zu unsehbarer Schwäche;
wenn ich die heißen Ströme tosen höre
von gutem Christenblut, durch Christen hingeschlachtet
Gesoffen von des Wahnsinn's wildem Heere,
vom finstern Fanatismus jammervoll umnachtet.
Die Zeit ward milder, doch das Elend blieb
und wechselt' nur die unglücksel'gen Waffen
was früher uns zum Scheiterhaufen trieb
soll jetzt in feiger Heuchelei erschlaffen.
Das nächtliche Gezücht hängt an der Lüge,
weil es darinn allein den Rettungsbalken findet
und weil, wenn sie erliegt des Geistes Siege
für alle Zukunft seine falsche Herrschaft schwindet.
Befreiung sollte einst dem Erdensohn
der heil'ge Geist, von seinen Fesseln bringen,
und sich, er ward zu einem Eisenthron,
auf dem Tyrannen ihre Geißeln schwingen
das Kleid, in welchem er sich zu uns neigte
das ward als Kirchenfahne täuschend aufgehangen;
jedoch der Geist, der drinn sich strahlend zeigte,
er ward erwürgt, umstrickt von tausend gift'gen Schlangen!
Nun ist der Pfingsttag mir ein bitt'rer Hohn
auf Alle, die nach lautrer Wahrheit streben;
da wälzen sich in ihrem Sündenlohn,
die uns getrübt, geraubt das arme Leben
Wenn jene Helden wieder jetzt erschienen
und predigten der Zeit gemäß die reine Lehre:
man würde sie mit schlechtem Dank bedienen,
zum zweiten Mal würd' ihnen die Märtirerehre!
Nun ist das Morgenlicht mir rothes Blut,
die Sonn' scheint mir ein bleiches Bild der Trauer,
die Berge zürnen stumm in falber Gluth
die Eichen schütteln sich im Wehmuthschauer
Die Waldesstimmen scheinen mir zu klagen
daß sie allein vom wahren Licht nur dürfen singen
die Lerche hoch scheint sehnsuchtvoll zu fragen,
Wann uns der Herr den rechten Pfingsttag werde bringen?
O Herr! o Herr! Wann sendest du den Tag,
der alle Völker wird mit Feuer taufen?
den unbewölkten, morgenklaren Tag,
durch den wir uns die Geistesfreiheit kaufen?
Wann wird die dumpfe Glaubensangst sich wenden
In freudigheitres, festes, sicheres Erkennen?
Wann wird die Nacht des schwarzen Abgrund's enden,
die hämisch will das Volk vom LebensLichte trennen?
Nr. 9*
Juli 1843.
Da lieg ich in meinem Fensterlein
Ganz einsam, einsam und beschaulich
im hellen, lieblichen Sonnenschein,
der scheint und flimmert um mich so traulich.
Der heiße, glänzende Nachmittag
mit seinem friedevollen Schweigen,
so stille, als man sich denken mag
ruht er auf Feldern, auf Gras und Zweigen.
Und unten in meinem Garten stehn
und flüstern leis', wie Kinderträume
die Rosen, Nelken und Lilien schön,
die still vertraulichen Apfelbäume.
Der Brunnen plätschert so silberklar
unter der grünen Schattenlinde
Die Rebe reicht ihre Trauben dar
daß erwärmend die Sonne sie finde
Es wogt ein goldenes Aehrenmeer
so weit, so weit mein Aug mag dringen;
draus schimmern die blanken Sicheln her
und fröhliche Lieder hör' ich singen.
Und Bächlein, die durch die Felder zieh'n,
seh' ich im Sonnenstrahle blinken
Und blaue Cyanen die dort blühn
scheinen so freundlich mir hinzuwinken.
Der klare Himmel, wie inniglich
so treu, so rein, und so verschwiegen
senkt tief er in meine Augen sich
und will sich an meine Seele schmiegen.
Und wann ein kühlendes Lüftlein zieht
wie neigt sich alles mir Verlangen –
Die Flamme doch, die mein Herz durchglüht:
sie läßt nicht erkühlen meine Wangen.
Und wie auch alles so friedlich ruht
den Frieden kann ich doch nicht finden
Es wallt so stürmisch mein armes Blut,
wer wird dein heißes Sehnen ergründen?
Es liebt der Himmel die Sonne treu,
und diese Nelken, Liljen, Rosen,
Von Bächleins Wellen will jede neu
mit jenen schönen àCyanen¨ kosen.
Die Quelle liebet den Lindenbaum
ergießt ihm froh ihr Silberleben;
dem Jugendfreunde, dem Apfelbaum
hat liebend sich die Rede ergeben
Schon lange sonnet so minniglich
das Häuslein sich im grünen Garten –
Ich lieb' euch alle! doch wer liebt mich?
Wo wird die Liebste wohl meiner warten? –
Am grünen Ufer, am fernen See,
da liegt ein Grab so stumm verschlossen
Brich auf, brich auf nur, du altes Weh!
Sind deine Tränen nicht all' vergossen?
Du schöner Stern aus der Kinderzeit
Früh in die Gruft hinabgefallen
bist nun ein Sternbild der Ewigkeit,
und hörst mein Lied nicht schaurig verhallen!
Du weiße Ros' aus dem Jugendland!
blüh'st lange schon in Himmelsauen
Es ist zerrissen das Lebensband
Und nimmer kannst du mein Leiden schauen
Du früh verblichenes Morgenroth
hast mir den schwülen Tag gelassen
Wohl ist der Kummer mein Abendbrot
und meine Ruhe kommt mit dem Erblassen.
Du hochaufblühender Maientag
wie bist so bleich du hingeschwunden
die Blüthe, so dir am Busen lag,
liegt nun wie ein Eisfeld auf meinen Wunden
O weh, mein lieblicher Myrthenbaum –
der Sturm hat wild dich ausgerissen
Du, meiner Jugend goldener Saum,
zerstäubest auf nächtlichen Moderkissen
Gestorben! du meiner Kindheit Braut!
gestorben an des Tempels Schwelle! –
Wo steht nun der Altar aufgebaut,
auf welchen ich meine Hoffnung stelle?
Das Grab verschlang mir dein süßes Ja,
nun mag ich gern darüber sinnen
bis endlich die blasse Stunde nah
die leise tröstend mich ruft von hinnen!
Nr. 10
1_t. Mai 43
Fahnenlied.
Die Fahne, der ich folgen muß,
ist weiß und purpurroth!
Ein Augentrost und Himmelsgruß
dem Vaterland in Noth!
O Liljenweiß, o Purpurroth,
du hehres Schlachtgewand!
O Liljenweiß, o Purpurroth,
du leuchtend Liebesband.
O flattre, flattre hoch und frei
in reiner Schweizerhand!
Wink' mahnend mir mein Volk herbei,
weck' auf das Vaterland!
Und ob du auch zerrissen bist:
Hoch flattre, Weiß und Roth!
Dich zieht der Schwarzen schwarze List
Doch nicht in Staub und Koth.
«Hoch Schweizerland!» ist Feldgeschrei,
und «Freiheit!» Loosungswort,
so fallen wir mit alter Treu
all' um des Landes Hort.
O Freiheit mein! o Fahne mein!
wann du mußt untergehn,
dann soll die letzte Stunde sein
und niemand auferstehn!
Dann treff' uns des Vergessens Fluch
und unser schlecht' Gebein,
dann sollst du unser Leichentuch
und unser Grabhemd sein!
Nr. 11*
d. 14_t. August.
die Feier der deutschen Unabhängigkeit seit 843.
Mit Ambrosianischem Lobgesang
und mit Kanonendonner
han jüngst sie das preußische Reich entlang
die deutsche Freiheit verhöhnt.
du liebe Zeit! du liebe Zeit!
was das für tolle Faxen sind!
wann wird einmal der Pupp' entwöhnt
das alte deutsche Kind?
Ihr segelt wohl in Ewigkeit
langsam lavirend nach dem Wind?
was schieret uns ein freies Land,
wenn, die drin wohnen, Knechte sind!
Den ambrosianischen Lobgesang
und den Kanonendonner
spart auf bis den fröhlichen Rhein entlang
das Pulver dem Volke gehört!
Nr. 12*
d. 31_t. Juli 43
Dem Blindgebor'nen müssen wir verzeihen,
wenn nach des Frühlings Blumenpracht er nichts will fragen;
und Mitleid wollen wir dem schwachen Auge weihen,
wenn es das helle Sonnenlicht nicht kann ertragen.
Das zarte Weib ist gerne zu entschuldigen,
das sich vor wildem Thatensturm entsetzet;
und lächelnd müssen wir dem Kinde huldigen,
wenn sich sein schuldlos Herz an Kinderträumen letzet.
das auch den Besten mächtig kann umstricken;
Gewohnheit ist ein süßes, liebes Band,
das graue Alter ist ein schimmernd Festgewand,
mag manchen sonst wohl hellen Geist berücken.
Doch wenn der Sehendwordene das Licht noch läugnet,
verstockten Sinns den Lenz zum Winter macht;
das aufgeklärte Aug', was klar sich eignet,
nicht sehen will in eigensinn'ger Nacht;
Wann frech das Weib der Zeit in's Richtammt greift,
im Trug erzieht des eig'nen Leibes Frucht;
und wann das Kind, zum Mann herangereift,
am Gängelband des Traum's zu fesseln sucht
Das arme Volk, der Wahrheit so empfänglich.
Gewohnheit, Alter, und verjährter Tand,
die hergebrachte Meinung, so vergänglich,
zum Popanz werden in Betrügerhand:
Dann brennt der Zorn uns heiß in allen Adern!
uns scheinet keine Geißel scharf genug!
wir möchten mit den Vätern selbst noch hadern,
daß sie so lange litten solchen Trug.
Man kennt dich wohl, du gleißnerisch' Gezüchte!
du Schlangenbrut und heuchlerisch' Gewürm!
Man kennet deiner Thaten faule Früchte,
Und wie du's meinst mit deinemGnadenschirm!
Doch ha'n wir einen Schirm, vor dem der Deine
zu Schanden gehen wird, in Ewigkeit.
O heule nur! du Nebelvolk, und weine:
uns schirmt allmächtig die erfüllte Zeit!
Die Zeit ist Gott! und wenn ihr seine Zeichen
nicht achten wollet im verstockten Herzen,
wenn ihr der klaren Ueberzeugung nicht wollt weichen
so grabt ihr in der eignen Brust nach bittern Schmerzen!
Wer frevelnd sich dem Rad der Zeit entgegen^stemmt,
der liegt zerquetscht, zermalmet von der Riesenwucht.
Vergeblich, daß ihr sein ehr'nen Speichen hemmt!
es rollet über euch dahin in rascher Flucht.
Ein modervolles Grab ist die Vergangenheit!
Irrlichter seid ihr, die noch darauf kreuchen!
doch ist der lichte Morgen wahrlich nicht mehr weit,
der euch in eure Gruft zurück wird scheuchen!
Nr. 13*
fiat
d. 1_t. Aug.
Wenn ich ein Fläschlein, zwei, Johannisberger hätte,
So könnte ich ein Stündchen mich herrlich erlustiren!
Ich schrieb' dafür zum Dank gern eine Etikette,
womit Fürst Metternich die Flaschen könnte zieren,
Die er im deutschen Land an alle Potentaten
alljährlich zum Präsent liebreich versenden thäte,
Wie müßten da die Herr'n bei ihrem Schnepfenbraten
Sich fürstiglich erbau'n an meiner Etikette.
Nr. 14*
Seht ihr es blitzen in ganzen Reihen?
Sie ziehen die Klingen, sie ziehen die Degen,
entgegen den Reitern! Ihr Reiter verwegen!
Sind ehrliche Männer und sind es werth,
zu kreuzen mit ihnen das ehrliche Schwert!
Voraus schickt die Kugel als biederen Gruß,
als bleiernen Handkuß der Rechten
Doch stemmet jetzt fest in den Bügel den Fuß
es gilt nun ein mannliches Fechten!
Wie bäumen die Rosse, wie zischen die Klingen,
das ist ja ein wildes gewaltiges Schwingen
Schon fallen die Rosen auf's grüne Gras
Und schminken mit Purpur manch' Wange so blaß!
Nr. 15*
d. 2_t. Aug.
Sei mir gegrüßt, du nächtliches Gelichter!
du Leichenschaar voll Moder, Würm' und Staub!
Wie blickt ihr hohl! ihr fahlen Grabgesichter
fühlt ihr so scharf schon der Verwesung Raub?
Wie durch die Wüste hin, giftschwanger und verderbend
der Semoum als Todeswolke zieht:
So keuchet ihr daher, im Sündenpfuhl ersterbend,
Und was lebendig ist, erschrocken vor euch flieht!
Ein Abgrund ist die Kirche, die ihr bautet
und er verschlang der Menschheit bestes Gut.
O weh euch! die ihr schmachvoll überthautet
des Geistes segenvolles Feld mit Blut!
Nun schreit dieß reine Blut, und schwillt in heißen Wogen,
und seine Feuerbrandung klagt euch an!
Der Sturm kommt mächtig gegen euch gezogen!
und kraftlos bricht sich euer Lügendamm daran!
Die Todten lasset ruh'n! sagt man gewöhnlich;
doch auf dieß milde Wort habt ihr kein Recht!
der Nachwelt Fluch verfolgt euch unversöhnlich,
die ihr Jahrtausend lang euch habt erfrecht;
der Mitwelt Seligkeit besudelnd anzutasten;
mit Asch' besäet der Erde Blüthenduft;
und Teufel, Höllengluth und euer Geißeln, Fasten,
und was ihr alles noch zu Andrer Qual erschuft:
Ich wünschte wahrlich, daß es Wahrheit wäre,
Und euch allein bescheert der saubre Trank!
Wie schwämmt' ihr gut im eignen Martermeere,
Und söffet eures Thun's verdienten Dank!
Die Heiligen, o Rom, an die du dich willst schmiegen,
das sind die Puppen deines Altars nicht!
Aus Philipp's Scheiterhaufen sind sie aufgestiegen
und harren deiner ernst am letzten Strafgericht!
Denk an Amerika und an die Seelen,
die schuldlos reinen, die du umgebracht
O denk an Peru! kannst du dir verhehlen,
wie dich der schwere Fluch graunvoll umwacht?
Weil dich der Zorn des Herr'n der Erde hat gesendet,
so glaubst du trotzend an dein falsches Glück?
bau nicht zu sehr darauf! sobald sein Ammt vollendet –
kriecht in sein düstres Nicht's der Henker scheu zurück!
Nr. 16*
d. 9_ten. August.
An die Gelehrten.
Ihr habt bisher die Köpfe euch zerbrochen,
die letzte Wahrheit endlich aufzufinden;
doch ist, den man mit Nutzen könnte schinden,
kein Hund aus eurem Ofen noch gekrochen.
Ihr habt des Wissens Acker umgestochen
Und angesäet in seinen tiefsten Gründen,
um geizig dann die Garben aufzubinden
und ungebrochen wieder zu verlochen!
So schreibt ein Buch in guter deutscher Sprache!
daß sich das durst'ge Volk daran kann letzten
Und endlich einmal sieht, was an der Sache!
Sonst werden sie den ganzen Kram zerfetzen
und, eingetaucht in ihrer trüben Lache,
nach ihrer Art dem Volke übersetzen.
Nr. 17*
München.
Ein liederliches, sittenloses Nest
Voll Fanatismus, Grobheit, Kälbertreiber,
Voll Heil'genbilder, Knödel, Radiweiber
Nr. 18*
d. 2_t. August.
das Neue
«Nur Neues! immer Neues!»
so schreit man sich die Kehle matt,
«denn all des dürren Heues,
sind wir nun gänzlich einmal satt!»
Wie kann man Neues bringen,
wo noch der alte Unrath stinkt?
wie soll man friedlich singen,
wo noch der Geist in Ketten hinkt?
Wer wird nach Sternen schauen
wenn Nebel auf der Erde liegt?
wer wird ein Haus erbauen,
eh' Schutt und Unkraut er besiegt?
Wie kann nach neuem Lande
vergnügt und froh der Schiffer schau'n,
eh' er des Fahrzeug's Bande,
eh' er den alten Strick zerhau'n?
Freßt erst die alten Knochen,
wie weiland Logi sauber auf
Eh' ihr was Neu's wollt kochen,
das war von jeher so der Lauf.
Brechweinstein und Rhabarber,
die thun uns jetzt am meisten Noth;
ein guter Zungenschaber
macht wieder uns den Magen flott.
Nr. 19*
d. 8_t. August
die gute Sache.
Sie haben Blei und Eisen
und gute Polizei;
wenn das nicht hilft, so ist es
mit ihrer Macht vorbei.
Wir ha'n das Wort, das alte,
das stets lebendig war;
wenn das uns nicht will retten,
ist's aus für manches Jahr.
Sie haben Blei und Eisen
und gute Polizei;
wenn das nicht hilft, so ist es
mit ihrer Macht vorbei.
Wir ha'n die alte Wahrheit
die stets lebendig war,
wenn die uns nicht kann helfen,
ists aus für immerdar.
Sie haben wohl auch Kerker
und Wächter g'nug dazu,
drinn mögen viele Blumen
verblühn in guter Ruh!
Wir aber ha'n die Freiheit
und ihren Todesmuth;
manch ehrlich Männerleben,
manch Herz voll gutes Blut!
Man sagt: «Die gute Sache.
trug stäts den Sieg davon!»
Laßt sehn, wer in dem Streite
empfängt den Sieg`es¿Lohn.
Ob oben bleibt das Eisen
und unten todt das Wort
und ob die helle Wahrheit
wird in den Grund gebohrt.
Wie's geh'n will, muß es gehen,
wir geben uns darein;
doch erst, wenn unsern Leichnam
umschließt ein Tannenschrein.
d. 3_t. Aug.
Jesuitenlied.
Hussa! Hussa! die Hatz geht los!
es kommt geritten klein und groß;
das springt und purzelt gar behend,
das kreischt und zetert ohne End',
sie kommen, die Jesuiten.
Da reiten sie auf Schlängelein
und hintennach auf Drach' und Schwein;
was das für muntre Bursche sind
Wohl graut im Mutterleib dem Kind:
sie kommen die Jesuiten.
Huh! wie das krabbelt, kneipt und kriecht
und wie's so infernalisch riecht
Jetzt fahre hin! du gute Ruh!
Geh' Grethe, mach das Fenster zu!
sie kommen, die Jesuiten.
Von Kreuz und Fahne angeführt,
den Giftsack hinten aufgeschnürt,
Fanatismus ist Feldprofoß
und Lug und Trug im Lagertroß
sie kommen die Jesuiten
O Schweizerland, du schöne Braut!
du bist dem Teufel angetraut
ja weine nur, du armes Kind
vom Gotthard weht ein schlimmer Wind
sie kommen, die Jesuiten.
Nr. 21*
d. 8_t. August.
Herwegh
Ein Goldpokal, der brausend überschäumet,
Vom Feuerwein der Freiheit angefüllt:
So tönt dein Lied, verwegen, ungestillt
und wogt mit wilden Kräften, ungezäumet.
Was auch die dunkle Brut zusammenleimet,
und wie sie auch nach deinem Herzen zielt:
O trag es immer offen, unverhüllt!
Sie haben ihren Traum bald ausgeträumet!
Und sollten sie auch noch so giftig zischen,
und roh die ungerechte Macht mißbrauchen,
der helle Tag wird nimmermehr erblinden.
Und müßten wir mit eignem Blut erfrischen
das große Wort, so soll es warm verrauchen;
der Herr mag uns bei voller Arbeit finden!
Nr. 22*
d. 6_t. August.
Morgenlied.
Die Morgenwolken glimmen in düstrer Gluth
die Sonne scheint so zornig und roth wie Blut
ein helles Wetterleuchten zuckt fern heran
es hebt der Tag mit Tosen und Brausen an!
Wie rauschen hohl und klagend die dunkeln Wälder
und schütteln ihre Wipfel im wilden Sturm
wie ragt so stumm und traurig in falbe Felder
und mit zerissnem Epheu der morsche Thurm.
Die Lerche nur läßt klingen ihr schmetternd Lied
wenn alles Nachtgevögel in Höhlen flieht
sie schwingt sich hoch und höher im kühnen Flug
bis sie verschwindet im finstern Wolkenzug
die graue Nebeldecke liegt schwer auf Erden
und murrend ziehn darunter die Ströme hin
doch wann die Himmelsbrunnen sich öffnen werden
dann wogen sie in schwellender Fluth dahin.
Der Blitzstrahl stürzt schon blendend durch's Wolkendach
Erschütternd rollt ihm der dumpfe Donner nach
und alle Elemente im Todeskrampf,
se fechten schwer aufathmend den harten Kampf.
die Erde ächzt und dröhnet grundaus erbebend
die Regenbäche toben vom Berg herab
Manch hülflos Schifflein auf hohem Meere schwebend
verschlingt sammt seinen Menschen das Wellengrab.
Auch durch Gewitterstunden die Zeit entflieht,
mit aller Noth und Klage dahin sie zieht!
erneutes Sein und Leben quillt leuchtend auf
und Freude folgt dem Jammer in stätem Lauf.
Zu Boden liegt der mächtige Thurm in Trümmern,
verschwund'nes Denkmal aller Vergänglichkeit
doch sieh! wie rings die grünenden Haine schimmern
Und her`r¿lich blühen die Auen frei und weit!
Es steht ein Regenbogen gen Abend hin
und silbern wallen drunter die Ströme hin
nun ruht im Sonnenglanze der helle Tag,
der fast des Sturmes Schrecken und Nacht erlag
Nachhallend tönet der Lerchensang hernieder,
vom klaren Himmel weht frische Lebensluft;
kein Mißton schändet die reinen Liebeslieder
und allwärt's athmet Frieden aus Blütenduft.
Nr. 23*
[Ein Frack und weiße Handschuh,
ein fahler Seidenhut
ein hohles Herz von Kautschuk
und kaltes Schlangenblut
ein wenig Frankenhasser,
'ne Tasse matten Thee;
theologisch Zuckerwasser
und Weisheit von der Spree.
[...]
äesthet'schen Operndudel
[...]
Ein farblos, feig Geheuchel
für einen freien Mann;
für allerhöchsten Speichel
ein gutes Leckorgan!]
Nr. 24*
d. 10_t. August.
Herwegh II.
Die Noth ist groß, und schwer sind diese Zeiten,
wo sich das alte Chaos endlich lichtet
und vom Verworrenen das Klare sichtet;
da muß man auch mit scharfen Waffen streiten.
Wild mag dein Lied den wilden Sturm begleiten!
denn wo das Elend berghoch aufgeschichtet,
hat Mildigkeit nie etwas ausgerichtet
Ein kühner Arm nur kann das Steuer leiten.
Doch wann nach Wettergrau's die Sonne lacht
und der Dämonen dunkle Schaar bezwungen,
zurückgescheucht in ihres Ursprungs Nacht:
Dann wird das Lied, das jetzt so rauh geklungen,
erst recht erblüh'n in holder Frühlingspracht
nur durch den Winter wird der Lenz errungen!
Nr. 25*
d. 10_t. August.
Es klingt ein starker Harfenton,
die alten Eichen rauschen,
die Sänger wachen auf davon
und jeder ächte Freiheitsohn
soll ihren Liedern lauschen.
Wer eine helle Stimme hat
und eine gute Kehle,
der werde jetzo nimmer matt
und singe sich nun einMal satt
aus seiner tiefsten Seele.
d. 30_sten Aug.
Von Eisen laßt die Harfen sein,
von gutem Stahl die Saiten!
Vom Morgen- bis zum Abendschein
Laßt kühn in alle Welt hinein
die Lieder für uns streiten.
Die Freiheit unser Grundton ist,
den wollen fest wir halten!
Er leite uns zu jeder Frist
durch Irrthum, Falschheit, Trug und List,
und finstre Wuth der Alten.
Wir werden unsre Harfen nicht
verzagt an Weiden hängen!
Bis unser Aug' im Tode bricht
erzittere das Nachtgezücht
vor unseren Gesängen!
Wann mächtig dann im weiten Land,
was kündend wir gesungen,
von Volk zu Volk wird anerkannt
und klirrend jedes Sklavenband
zu Splittern ist zersprungen;
Und wann der laute Ruf ergeht
und fliegt von Thal zu Thale,
die Freiheit von den Bergen weht:
Dann sehe jeder zu, der steht,
daß er nicht schmählich falle!
Die Sicheln blinken hell und scharf
am großen Aerndtetage!
Weh dem, den das Gericht verwarf,
Wohl dem, der dann sich stellen darf
des Volkes langer Klage!
Nr. 26*
d. 11_t. August.
Auf dem Berge
2.
Laß, o Dichter, solche Träume,
sie vergehen mit dem Wind.
du versteigest dich in Räume,
die dir nie erreichbar sind.
All die herrlichen Gefilde
dort im goldnen Sonnenlicht
sind nur leere Traumgebilde
und verwirklichen sich nicht.
Gramvoll würd' dein Auge schweben
ob dem weiten, schönen Rund,
wüßtest du, welch' qualvoll Leben
siecht und kümmert auf dem Grund.
Steig' hinunter in die Städte,
die so blendend vor dir stehn,
bald wird in dem Jammerbette
alles Träumen dir vergehn.
In die Dörflein steige nieder,
wo die fromme Armuth wohnt,
und wo arbeitsmüde Glieder
harte Schmach und Knechtschaft lohnt.
Jene reichen Fruchtgelände,
ganz vom Segen überthaut
sind durch schwielenvolle Hände
nur für Schlemmer angebaut.
Auf dem blauen Meere schiffen
Christen mit mordsücht'gem Sinn
Würgen kalt mit Geiersgriffen
kindlich reine Heiden hin.
In den Gärten spreizt der Hochmuth
ungestraft den Pfauenschwanz
ach! der Völker bestes Herzblut
duftet aus dem Rosenglanz.
Abwärts, abwärts sollst du streben,
folge treu des Jammers Lauf
wohl löst dann dein Dichterleben
klagend sich in Thränen auf.
Nr. 27*
d. 12_t. August.
So glaubt ihr denn, das Wort sei nur erschaffen
für euch zu einem weichen Ruhepfühle,
auf dem ihr, unberühret von dem Zeitgewühle
euch pflegen sollt in weichlichem Erschlaffen?
Braucht ihr es nur zu einem Wehr und Waffen
und Salben gen aufbrausende Gefühle,
am heißen Tag zu einer Schattenkühle
zum Küchengarten wohlgenährter Pfaffen?
Ihr glaubet schon zu Ende seine Reise,
und haltet es für eine Felsensäule,
an der nichts mehr zu bau'n auf keine Weise?
Ihr seid so ähnlich einem Färbergaule
der träg und müd' sich schleppt im engen Kreise
mit blindem Aug, den Freßsack vor dem Maule!
d. 14_t. August.
Die deutschen Freiheitskämpfe.
Das deutsche Volk mit seinem Löwenzorn,
wie es Vernichtung schwur dem schlimmenFranken,
hoch^schwanger ging mit kühnlichen Gedanken,
Begeistert aus der Freiheit Feuerborn,
und wie es drauf mit scharfem Schrot und Korn
den Feind zurück jug über seine Schranken,
in großer Heldeneintracht, ohne Wanken
im Herzen stecken ließ den alten Dorn
und dann mit Jubel thät den Bund beeidigen:
es mahnet mich an jenen närr'schen Tropf –
das Gleichniß soll mit Nichten euch beleidigen–
der, als die Laus ihn biß in seinem Schopf,
sich gegen solche Plage zu vertheidigen,
Mit Ingrimm kratzte an des Nachbar's Kopf.
Nr. 29*
d. 28_t. Aug.
Todtentanz.
I.
Mein düstrer Blick versinkt ins Meer der Zeiten
und suchet rastlos, bang den dunkeln Grund
doch endlos seh' ich Wog' auf Wog' entgleiten
und ketten sich zum unfaßbaren Rund
Wenn ich die Schlange haschend will umflechten,
enteilt sie meinem schwachen Arm behend.
Und in des Anfang’s unerforschten Nächten
verschwindet fern das nebelgraue End
Doch das Geschaffene seh ich vergehen
die Frucht der Zeit verfällt dem blassen Tod
und was davon verjüngt mag auferstehen
les ich nur ahnungsvoll im Morgenroth.
Jahrtausend um Jahrtausend ist entschwunden
der Erdball rollet still und müd noch fort
manch helles Sternbild wird nicht mehr gefunden,
die dunkle Nacht erfüllt den leeren Ort.
Was einst an Lebenskraft sich mochte laben,
deß ist der Name längst verklungen schon
und seit der letzte Mensch sich selbst begraben,
ist ein Jahrhundert öd und stumm entflohn.
Nr. 30*
d. 28_st. Novembre.
E. Fröhlich.
An eurer Sache ist nichts zu besingen,
an der verlornen, schlechten, unfruchtbaren!
wie ihr auch mögt eu'r totes Meer befahren –
ihr werdet keinen grünen Zweig erringen!
Drum ärgert euch das Singen und das Klingen,
das hell ertönt vor unsren muth'gen Schaaren
drum zielt ihr hämisch nach den jungen Aaren
und möchtet lähmen ihre freien Schwingen!
Jedoch daß du die gute Leier schändest,
dem Bösen sie mit feilem Sinn verpfändest,
Emanuel! das däucht uns jämmerlich!
Zum Glück versagt sie dir die reinen Töne,
die Muse ist gar eine keusche Schöne –
häng deine Fiedel auf und schäme dich!
Nr. 31*
d. 28_t. November.
[Lebenslust.
Fischlein im Rheine,
Röslein im Garten,
Vögel im Haine
vielerlei Arten
Sternlein am Himmel
glänzend Gewimmel
schwimmen und blühen,
singen und glühen
und auf den Bergen der Quellen Schatz
jegliches ist an dem besten Platz!
Mußt du, o Jugendzeit, denn mir verglimmen,
müßt ihr verhallen, ihr rauschenden Stimmen
ohne zu klingen und ohne zu leuchten,
ohne ein glänzendes Auge zu feuchten?
willst du verschwinden, du Liederzeit,
ungenossen und unbereut?]
Nr. 32*
den 3_t. Dezember
Wogen des Meeres
brausen und fluthen,
Männer des Heeres
in Schlachtengluthen
stehen wie Eichen
ohne zu weichen
und der Reiter auf feurigem Roß
tummelt sich munter durch all' den Troß.
Mußt du o Jugendzeit, denn mir verglimmen
müßt ihr verhallen ihr rauschenden Stimmen?
ohne zu schaden, und ohne zu nützen,
ohne zu zünden und ohne zu blitzen,
mußt du verwesen, o Freiheitslust!
in der verschwieg'nen beklomm'nen Brust?
Nr. 33*
Wie doch ein jeglich Leben
sein ganzes Sein erfüllt
und all sein durstig Streben
im vollen Becher stillt!
Die Rosen blühn im Garten,
wie spät der Lenz auch kommt;
drum magst du still erwarten
dein Stündlein, so dir frommt!
In dunkler Nacht die Sterne
glühn erst am Himmelshaus,
und sei sie noch so ferne,
die Nacht bleibt dir nicht aus!
Wenn keine Stürme fahren,
wie ruhig liegt die See!
dir wird sich offenbaren
zum Kämpfen manch ein Weh!
Kein Mann steht in die Reihen,
wo keine Feinde sind –
dein Schwert wird einst befreien
ein frischer Morgenwind.
zu streiten mit den Heiden
und ihrem Lug und Trug
ein Stündlein vor dem Scheiden
ist oft noch früh genug!
Nr. 34*
den 4_t. Dezember.
Eine Nacht.
III.
Es ist ein schöner Trost in banger Zeit,
daß, wenn für eines Traumes Angst und Noth
der graue Tag uns keine Lindrung beut,
im Traume selbst ein lieblich Morgenroth
uns wieder Hoffnung, neuen Muth verleiht.
als frische Blumen mitgibt auf den Weg,
versüßend unsrer Fahrt Mühseligkeit.
so ward auch ich im Traume wieder reg,
und schien es mir, ich hätte bloß geträumt
die bleichen Schrecken schwanden scheu hinweg;
Der blaue Morgenhimmel, goldbesäumt
goß in mein Herz erneute Lebensgluth,
von reinem Silber klingend überschäumt
glänzt' von den Bergen klarer Quellen Fluth
es war ein Herbsttag, heiter, frisch und rein!
Die Winzer sangen hell und wohlgemuth
von allen Hügeln in das Land hinein!
Die Wälder schimmerten von rothem Gold
weit weit umher im jungen Sonnenschein,
und die Natur hing ihren Liebessold
in reichen Fruchtgewinden labend aus.
Sie lächelte so mütterlich und hold
zu ihrer Kindlein lautem Saus und Braus.
Ich aber sprang und eilte wie ein Reh,
vom letzten Schauer noch gejagt, feldaus,
durch all den Glast, und über Thal und Höh,
bis mich ein dämmerndes Gehölz umgab.
Da lag in Waldesnacht ein tiefer See,
doch klar und still, wie ein kristallen' Grab
kein Laut ertönt', nur leise dann und wann
von welker Birken Rauschgold löst' sich ab
ein Tropfen Thau, der silbern niederrann
zum Wasserspiegel, fein, wie Elfensang!
d. 8_t. Dec.
Auch mich die tiefe Ruhe überspann;
ich setzte mich an grünen Ufers Hang
und sah hinunter auf den dunkeln Grund,
der spiegelnd mit des Himmels Bläue rang
Da schaute, wie ein zweifelhafter Fund
aus feuchtem Grab mein eigen Bild empor;
mir bebt' der Mund, dem Bilde bebt der Mund
aus unsern Augen stürzten Thränen vor,
und durch die Thränen sahen wir uns tief,
o tief ins Eine arme Herz, und ich beschwor
mein eigen Bild, laut, laut, und rief:
«Hast du nun wirklich keine Hoffnung mehr?» –
ein Seufzer jetzt das Wasser überlief
und jagt's in Zitterwellen vor sich her
daß ob dem Flimmern bald mein Bild verschwand.
So war nun der Pandora Büchse leer!
Doch schrie ich noch verzweifelnd: «Halte Stand,
du falscher Schatten, und entflieh' mir nicht!»
Und als der See die Ruhe wieder fand,
mein Aug zur Tiefe wieder war gericht',
konnt ich auch meinen Schatten wieder sehn,
und dich daneben, wunderbar Gesicht!
schien mir sein bleiches Doppelbild zu stehn
doch etwas Fremdes in dem Blicke lag,
und mich durchrieselte ein graulich Weh'n.
Ich rief: «Wie kommt mir dieß Gespenst zu Tag?
und sah empor, da ward es mir entdeckt:
an meiner Seite, wie ich selber pflag,
lag ich noch einMal ruhend ausgestreckt;
doch reiche Kleider schmückten die Gestalt.
und, was mich da am meisten noch erschreckt:
Es war ein Jüngling und doch schon so alt,
weit bleicher noch von innerlichem Gram,
als ich bislang in meinen Augen galt;
und seine Rede ich also vernahm:
Wer von uns beiden nun der Rechte sei,
der hier das größre Leid zu klagen kam,
das stell ich dir jetzt zu entscheiden frei.
Ich bin geboren in des Glückes Schoß;
mir wurden der Talente mancherlei
und tiefe Sorgfalt zog sie mit mir groß.
Ich habe jede Blume früh gepflückt.
am Lebensstrom, der heiter vor mir floß;
das Schwerste ist mir leicht und schnell geglückt,
ich grub mit Eifer in des Wissen's Schacht.
kein Tag ward mir je ungenützt entrückt.
zu eigen hab ich alles mir gemacht,
was nur der Mensch begierig lernen kann.
das hat mir frühe Früchte eingebracht,
und so ward ich, ein Knabe noch, zum Mann!
Zum Mann? – O ein verlorner Sohn bin ich,
der all' sein Sein verpraßt, eh' es begann!
in meinem übersatten Aug' verblich
des Lebens wechselvolles Farbenspiel!
d. 12_t.
und kaltes, todtes Grau umhüllet mich,
Ich hab in vollem Lauf verfehlt mein Ziel
so daß ich taumelnd und der Kraft beraubt
weit über seinen Marken niederfiel.
und ich lag da mit tief gebeugtem Haupt,
verschmachtend in des Wissen's üpp'gem Land,
an das ich Thor mit eitlem Sinn geglaubt.
Voll ernsten Spottes ich die Lehre fand:
Nicht aus der Schule strömt der Thaten Kraft
eh' wächst sie aus der Wüste heißem Sand!
und nicht von nervenschwacher Kennerschaft
strahlt aus des Schönen hoher Himmelsglanz!
Was feine, heuchlerische Sitte schafft,
o das ist nicht der Tugend Sternenkranz.
und aus dem Unglück nur entspringt das Glück,
der Irrthum erst macht unser Leben ganz –
d. 12_t. Dezember
Zum zweimal zwölften Mal vor meinem Blick
nun raschelt da das vorwurfsvolle Laub
enttäuscht und schaudernd schaue ich zurück
in meiner Jugend aufgewühlten Staub.
Es martert mich der Langeweile Pein;
Ich bin im Frühling schon des Winters Raub.
Ich bin zu stolz für ein behaglich Sein,
ich bin zu feige für das Ungemach!
Verwöhnt von der Erziehung Lampenschein,
ist für den Hellen Tag mein Aug' zu schwach!
Ich kann nicht handeln und kann doch nicht ruh'n,
ich flieh den Reichthum wie der Armuth Schmach;
ich kann nicht sünd'gen und nicht Gutes thun
Mich dürstet nach des Unglück's Feuerweih'
und möchte sanft in seinen Stürmen ruhn,
doch fühl' ich, daß ich schon verdorben sei
zu reiner Leiden jungfräulicher Qual
So fluch' ich nun dem ew'gen Einerlei!
So fluch' ich nun des Tages mildem Strahl!
So lock' ich fluchend mir den Tod, an's Herz
und bau von Flüchen mir ein Leichenmal!»
So sprach der Trug und schwang sich niederwärts,
und über ihm schloß sich die kalte Fluth!
mir aber war, als ob mein alter Schmerz
nun bei dem Todten auf dem Grunde ruht'.
Indessen war es rauhe Winterszeit
geworden rings umher; der Sonne Gluth
war ausgelöscht, und Dunkel weit und breit.
Doch in mir war ein heller Tag erwacht;
ich sprang empor in frischer Fröhlichkeit;
wie Morgenroth, vom Ostwind angefacht,
wie einen thaubesprengten Blüthenkranz
trug ich mein Unglück singend durch die Nacht
und reiht' mich in des Lebens wilden Tanz!
Nr. 35*
d. 4_t. Dezember.
Cornelius
Ich grüße dich, du König deiner Zeit
der wie ein Fels aus dem Jahrhundert ragt!
ich preise dich, der du die reine Magd,
die deutsche Kunst vom langen Schlaf befreit!
Du hast des Lorbeers volle Herrlichkeit
mit starker Hand errungen unverzagt
du hast das rechte Ideal erjagt
versöhnt der Kraft und Anmuth alten Streit.
Als deine Wunderschilde ich betrachtete
die hell erglänzen aus den Finsternissen,
aus jener Stadt voll Bier und Kirchenbanner:
da überkam mich fast ein neidisch Weh
daß wir auf solch' ein Gut verzichten müssen,
wir armen, hungrigen Republikaner!
Nr. 36*
d. 4_t. Dez.
Overbeck.
Du lieber Nazarener, sei willkommen!
Geweihter Geist in so profanen Tagen,
du hast des Himmels Saiten angeschlagen
und du gehörst zu den Verklärten, Frommen!
Du hast des Mythos Zauberwort vernommen
mit all' den tiefen heil'gen Liebesklagen,
des Glaubens ätherische Wundersagen
sind reinen Lichtes in dir aufgeglommen!
Wir Andern aber freu'n uns deiner Werke,
in denen sich das Christliche vollendet,
mit froher Lust und unverdorbnem Sinn:
Wie uns erfreu'n die Schönheit, Pracht und Stärke,
die sein Olymp dem Griechen einst gespendet,
Wir sehn den Proteus: Menschengeist! darinn.
Nr. 37*
d. 11_t. Dec.
Winter.
Die letzten Rosen sind verblüht,
die Blätter fallen fielen von den Bäumen!
Wie sich die bleiche Sonne müht,
sie kann die Nebel nicht mehr räumen!
und immer näher weht der Graus,
schier gehet mir die Hoffnung aus:
So war erlogen all' mein Träumen?
S'ist Winter worden über Nacht,
vergessen ist des Herbstes Segen!
was ich im Sommer ausgedacht,
muß unerfüllt zu Grab ich legen
verschollen ist die Maienzeit
und eine graue Ewigkeit
verschlang des Lenzes Blüthenregen!
Nun liegt das große Leichentuch
kalt, kalt auf den erstorbnen Fluren!
und zischend hat des Todes Fluch
gelöscht der Freiheit Feuerspuren
gelöscht? O nein! sie schlumern wohl,
die Zeit, die sie einst wecken soll,
schleicht fort auf der Geschichte Uhren!
Wir hoffen mit ergebnem Sinn
von einem Frühling zu dem andern!
und immer muß die Büßerinn
noch heimathlos auf Erden wandern
und doch, und doch muß es noch sein,
sie kehrt doch endlich bleibend ein
und schickt die Tirannei auf's Wandern!
Nur fürcht' ich es könnt' Abend sein
in der Europa alten Gauen,
bis endlich ihren Rosenschein
die müden Völker dürfen schauen
und daß vielleicht zu jener Frist
die Menschheit abgestorben ist,
und wir an einem Kirchhof bauen!
O Freiheit, Freiheit! brich hervor
aus Schnee und Eis, aus Nacht und Schmerzen!
brich' auf mit deinem Blüthenflor
wir warten dein mit offnen Herzen!
O frage nicht, ob's Frühling sei!
Sieh! das Jahrhundert geht vorbei
und wieder mußt du es verscherzen!
Nr. 38*
d. 1_st. September
In der alten braunen Stube
sitzt ein Bursch in guter Rast
hinterm wohlgefüllten Kruge
als der Wirthschaft ältster Gast.
Voll gekritzelt und geschrieben
ist am Krug des Deckels Zinn
darauf schaut mit starren Blicken,
träumend, der Geselle hin.
Dann und wann kommt auch ein Füchslein
mit der Mappe unter'm Arm,
plaudert ihm von dem und jenem,
geht dann wieder sonder Harm.
Dann und wann kommt ein Philister,
mahnend an die alte Schuld,
doch der Bursche trinkt und lächelt
und der Mann geht mit Geduld.
So vom Morgen bis zum Abend
sitzt er da mit seinem Krug
und schon sind es zwölf Semester,
die er so zu Grabe trug.
Unbekümmert, selbstvergessen
und verwahrlost starrt er hin,
bleiche Bilder hohler Freuden
fahren wirr ihm durch den Sinn
Nur wenn er an Heimath denket
und an's gute Vaterhaus
wird es ihm ein wenig bänglich
trinkt dann rasch sein Krüglein aus.
Kommt ein Brieflein aus der Heimath;
doch er rühret es nicht an
«Lieschen, lies mir doch das Brieflein!»
und die Kellnerinn fängt an:
«"Eure Braut ist Wartens müde
hat sich einen Mann erwählt,
dieß sei Euch mit Fleiß berichtet,
daß Ihr nicht mehr auf sie zählt!"»
Kommt ein Brieflein von der Mutter;
doch er rühret es nicht an;
«Lieschen, lies mir doch das Brieflein!»
und die Kellnerin hebt an:
«Euer Vater ist gestorben
und die Pension ist aus
eure Mutter ist geborgen
und versorgt im Armenhaus!»
Kommt ein Brieflein vom Senate;
doch er rühret es nicht an;
«Lieschen, lies mir doch das Brieflein!»
und sie kündiget ihm an:
«Binnen vierundzwanzig Stunden
sollt verlassen ihr die Stadt,
weil ihr seid ein Taugenichtse,
der nichts mehr zu zahlen hat!»
Nr. 39*
Schindangerblumen duften nicht minder,
als alle andern Frühlingskinder:
darum mag auch aus pfäffischem Wesen
manchmal ein wahres Sprüchlein genesen!
Nr. 40*
d. 2_t. Sept.
Eine Nacht.
I.
Aus wilder Fieberträume wirrem Treiben
war ich erschöpft, beklommen aufgewacht;
ausruhend mußt ich auf dem Lager bleiben,
mich zu erholen von so banger Nacht.
Und wie mir leichter ward, sandt ich mein Denken
zurücke in des Schlafes dunklen Schacht,
und suchte sinnend an das Licht zu lenken,
was die entbund'ne Seele so erschreckt,
in Todesangst vermochte zu versenken.
Doch formlos, schattenhaft, was ich entdeckt,
und nur verworren ist es mir geblieben:
Entschlafne Kinderjahre, aufgeweckt
und weinend in des Traumes Sturm getrieben,
sah ich in scheuer Flucht vorüberflieh'n.
Ich sah sie alle, jene guten, lieben,
verschollnen Tage, sah dahin sie ziehn
mit ihren kleinen Freuden, kleinen Sünden –
Ach! warum mußtet ihr so schnell verglühn
ihr bleichen Sternlein, nimmer zu entzünden –
Mir schienen jene Jahre bang und leis
Und kaum venehmbar also zu verkünden:
«O weh dir, wehe! Deines Lebens Kreis,
er hat sein Mittel und sein Maß verloren!
Du bist ein wurzellos', zerknicktes Reis,
dem Wintersturm zum leichten Spiel erkoren!
Der seines Lebens Grundstein nicht gelegt,
dir wäre besser, wenn du nie geboren!
Der seine Jugendzeit nicht zart gepflegt,
wirst nimmermehr die Zeit der That genießen!
Wie kann dem Baum, der keine Blüthen trägt,
dereinst die segensvolle Frucht entsprießen?
Und, dessen Quell verschüttet ist im Sand,
kann frisch der Strom durch die Gefilde fließen?
Die einst dein rauher Lenz zum Opfer fand,
Wir sind die Blüthen, deine Kinderjahre!
Der klare Quell, versiegt am öden Strand,
es ist die Jugend dein, die unfruchtbare!
Was schaust uns nach bethränten Angesicht's?
Stürzt schon von deines Herzens Hochaltare
der Hoffnung Bild? In Staub und Koth zerbricht's!
Drum reiß den vollen Kranz aus deinen Locken
und folg uns nach in's leere graue Nichts!»
d. 4_t. November.
Das Blut in meinen Adern wollte stocken,
als ich die Lieben mir entfliehen sah;
und meine Augen, sonst so starr und trocken,
sie füllten sich mit heißen Thränen da,
wie ich so hoffnungslos zum zweiten Male
verlieren sollt', die mir so deutlich nah!
Sie schienen in des Traumes Zauberstrahle
wie eine führerlose, wilde Kinderschaar,
die, kaum entronnen aus des Lehrers Saale,
ins Feld sich warf, der Zucht und Ordnung bar.
Auf weiter Heide nun sie sich zerstreuten,
und ich sah ihnen nach und war gewahr,
wie diese unfruchtbaren, Heißbereuten,
die Kinderjahre mein, im wilden Sumpf –
der mochte meinen Lebenslauf bedeuten –
versanken. Ein Gewimmer, fern und dumpf,
klang hilferufend noch zu mir herüber.
Ich horchte schmerzzerissen, starr und stumpf,
gepackt von der Verzweiflung eis'gem Fieber.
Erbleichend fiel die Sonne nun hinab,
das Dämmergrau umfloss mich trüb und trüber;
ein matter Stern vom Himmel schoß herab,
ein leis Gelächter überstrich die Haide,
ein Irrlicht tanzt' auf meiner Jugend Grab –
bewußtlos sank' ich hin mit meinem Leide.
Nr. 41*
d. 8_t. Nov.
II.
Und wieder däuchte mir, daß alt und krank,
gefurchter Stirn', gebeugt, mit grauem Haar,
der Letzte auf der allerletzten Bank
ich in der längst vergessnen Schule war,
So saß ich da, ein abgelebter Greis
inmitten einer frischen Knabenschaar;
ein scheuer Fremdling in dem fremden Kreis,
den um mich her ein neu' Geschlecht nun zog.
Der alte Lehrer aber streng und weis,
doch milden Sinn's, der ernsten Lehre pflog.
Ich hochte auf, gar sorglich, still und bang,
worum verfehltes Leben mich betrog,
wornach ich später oft vergeblich rang,
zu lernen jetzt. O es war wohl zu spät!
In meinem Ohr des Lehrers Wort verklang,
wie wirkungslos ein Hauch vorüberweht!
und, was der Frühling rings ergriff mit Lust,
war mir, dem Winter auf das Eis gesäet!
Wie sollten auch in meiner kalten Brust
die zarten Pflanzen wieder duftend blühn,
die mir erfroren längst schon unbewußt?
Vergeblich war und blieb mein angstvoll Mühn.
Des Lehrers Nachsicht ging nun endlich aus,
auf mich begann sein Aug voll Zorn zu sprühn:
Was willst du Alter in der Jugend Haus,
verpestend meinen schönen Maienflor?
Du grauer Junge, mache dich hinaus!
Hinaus mit dir, du unbrauchbarer Thor!
Und, wie man einen bösen Geist verbannt, d. 3_t. Dec.
so stimmt' er an der Jugend zarten Chor;
ein altes Kirchenlied, mir wohlbekannt
schlug seine frommen Töne an mein Herz!
Da hab' ich zitternd mich hinausgewandt
und schlich gebückt mit meinem heißen Schmerz
davon; und zu entrinnen dem Gesang
strebt ich mit schwanken Schritten feldauswärts.
doch wie ich auch ihm zu entfliehen rang,
die schwachen Füße widersetzten sich,
in meinen Ohren stets das Lied noch klang
und jeder Ton traf wie ein blut'ger Stich
mein Innerstes. denn einem Urtheilsspruch
das friedenvolle, heil'ge Lied ja glich,
und einem lächelnden Verbannungsfluch
aus dieser Erde zu der Todten Ruh!
Es deckten, wie ein blumig' Leichentuch
die holden Kinderstimmen fest mich zu!
Nr. 42*
d. 2_t. Sept.
Die Jahrszeiten.
Wie sehnt' ich mich zur Winterszeit
So alles hoffend nach dem Maien!
Der, Liebe hauchend, weit und breit
vom starren Schlafe würd' befreien
die Gotteskindlein ohne Zahl
so viele Wesen allzumal
mit lautrem Sonnengolde tränkend,
das Leid zur alten Nacht versenkend!
Wie wollt' ich in der Gärten Duft,
am Auengrün mein Herze laben!
und schwelgend in die Blumengruft
die heißen Wangen tief begraben!
Nach süßem Schlag der Nachtigall
und nach der jungen Lerchen Schall
frohlockend meine Leier stimmen,
im Lebenslichte hochaufglimmen!
Der Frühling kam mit Sang und Klang;
mit allen seinen Liebesblüthen
zog er das heitre Thal entlang.
Des Himmels golde Sterne glühten
zurück vom blauen Meeresgrund;
die Lieb' erneute ihren Bund
befruchtend mit der grünen Erde,
die Schwalbe mit dem trauten Herde.
Ich zog hinaus mit leichtem Sinn
und hab der Blumen viel gefunden;
fuhr singend auf dem Strome hin
und glaubte wieder zu gesunden.
Doch wie mein Lied, so sehnsuchtsvoll,
doch klanglos, ungehört verscholl,
aus keinem Herzen widertönend,
Mich liebend mit der Welt versöhnend:
Da faßte mich ein tiefes Weh
da fand ich mich erst recht verlassen.
Nun reute mich des Winters Schnee
und mich ergriff ein bittres Hassen
Was soll ich um der Menschen Gunst,
um hohler Freundschaft eiteln Dunst,
ein Ausgestoßner, kriechend flehen,
und scheu vor allen Thüren stehen?
Der Sommer soll mein Freund nun sein
mit seinen wilden Sonnengluthen
mit seiner Ungewitter Fluthen
Da will in tiefer Waldesnacht,
Im schwarzen feuchten Felsenschacht
auf ödem Berg ich einsam ziehen,
allein, allein durchs Leben fliehen!
d. 6_t.
Und wenn der dumpfe Menschentroß
geschäftig in der Erde wühlet,
aufreißend ihren harten Schoß,
des Wuchers gier'ge Schlünde füllet
Des Irrwahns giftgeschwollne Macht
im Finstern schleichend, höhnisch lacht,
die Thoren all' ihr sorglich Pflegen
der Tirannei zu Füßen legen:
Dann werd' zu Stein, du warmes Herz,
und Spott erfülle deine Kammern
laß winseln den zerknirschten Schmerz
und hülflos sich an Felsen klammern
Laß armer Waisen Klaggeschrei
verhallen in den Lüften frei
und lachend laß in Todeskrämpfen
das Elend mit der Hölle kämpfen.
Entflieh! Entflieh dem blut'gen Qualm
umpanzre deine Brust mit Eisen;
und könntest du mit schwachem Halm
die Menschheit vom Verderben reißen:
Laß zappeln, was im Wasser schwimmt!
laß brennen, was im Feuer glimmt!
Und laß auf grimmen Hasses Schwingen
dein Spottlied durch die Wildniß klingen! –
Der Sommer kommt mit Glanz und Kraft,
ein siegestrunkner Held, gezogen,
und, was er allgewaltig schafft,
will üppig, jauchzend überwogen
Die Sonne ist sein Demantschild,
er wetzt an grauen Bergeswänden
als Schwert den Blitz in starken Händen.
Und aus des Lenzes Brautgemach
tritt, hocherröthend, ihm entgegen
die holde Erde, zart und schwach
sucht, liebentglüht, des Starken Segen:
«du schöner Held, o sei gegrüßt!
«und heiß von deiner Magd geküßt!
«Sieh meine Kindlein all', die zarten,
«so sehnlich auf den Vater warten
d. 7_t. Sept.
Der Winter war ein strenger Mann
und ließ die Lieben kärglich darben,
fast, daß in seinem harten Bann
die zarten Sprößling' alle starben;
da gab ich mich dem Frühling hin
doch hat er bald mit flücht'gem Sinn
verlassen die getäuschten Armen;
willst du dich ihrer mild erbarmen?»
Bereitend nun dem Sonnensohn
ein duftend Bett von jungen Rosen
von Liljen einen Liebesthron,
mag hochentglüht sie mit ihm kosen
der Himmel, klar und dunkelblau,
rückspiegelnd aus dem Morgenthau,
wie eine Decke weich von Seiden
liegt er auf den verklärten Beiden.
Nr. 43*
d. 4_t. Sept.
Saget mir, ihr Sterne Gottes,
die ihr dort im Weltenraume
wunderbare Wege wandelt,
uranfänglich, ewiglich!
Könnt ihr meine Stimme hören,
die aus dieser Erde Qualen
klagend ich zu euch erhebe,
durch das stille Grau'n der Nacht?
Kennt ihr auch nicht Menschenworte,
kennt ihr doch den Schmerz des Todes,
der in so viel bangen Nächten
aufgestiegen ist zu euch!
Wollet ihr in meiner Frage
trostlos Dunkel Antwort schimmern,
wie ihr dem verirrten Wandrer
hell erleuchtet seinen Pfad?
Züngelt wohl die alte Schlange
auch hinauf zu euren Sphären?
Wuchert auch die blasse Sünde
über eure Fluren hin?
Herrschsucht, Geiz und schwarze Lüge,
frech Verspotten seines Nächsten,
frech Verdreh'n des ew'gen Rechtes,
kennt ihr diese Worte auch?
Habt ihr auch bemalte Gräber,
rings mit Flittergold umhangen,
die, was freudig lebt und athmet,
grünt und blüht in reiner Lust,
unersättlich, roh verschlingen,
und mit Moder überspinnen,
deren Schutz und Wehr der Tod ist,
die man zitternd Throne nennt?
Und die Sonnen, die ihr jubelnd,
harmonieenvoll umk`re¿iset,
werden sie euch auch verdunkelt
und geschwärzt vom falschen Neid?
Und die in den Sonnen wohnet,
strahlen werfend, unverkennbar:
sagt, wird euch die lichte Wahrheit
vorenthalten und verfälscht?
Sagt, lobpreist ihr euren Schöpfer
auch als einen Gott der Rache?
durch Verrath und Blut erkaufet,
und versöhnet nur durch Blut?
Habt ihr auch in schnöder Formen
schnöde Ketten ihn geschlagen?
den man nur aus eines Kerkers
dumpfer Luft begreifen kann?
Ist er auch ein Fürst der Heuchler?
jeglichen Verrathes Mantel
Eine Löhnung der beraubten
Armuth, die nach Nahrung schreit?
• Nr. 44
d. 11_t. Dec.
Parteigänger [1. Fassung]
Ich bin ein armer Schlucker
und tölpischer Gesell
und gegen feine Mucker
ein wenig rauh und grell
doch auf den groben Keil und Klotz
ist frischer, grober Baurentrotz
oft an der rechten Stell'!
Ich bin als wilder Zecher
auf einen Trunk erpicht
doch füllet meinen Becher
Lacrymä Christi nicht
Ich lasse nur in saurem Wein
die Freiheit meine Göttinn sein
die Göttinn derb und schlicht!
Ich bin ein guter Streiter
mit ungewasch'nem Maul,
ich bin ein guter Reiter
ob auch <auf> magrem Gaul!
und ob mein Schild auch rostig ist,
und ob mein Schwert auch schartig ist
ich schlage drein nicht faul!
Nr. 45*
d. 5_t.
Es zieht ein Spielmann über die Haide,
die Wangen bleich vom langen Harm;
ein Röcklein von zerrissener Seide
trägt er, die Geige unterm Arm.
Am Hute zittert,
blaß und verwittert
ein Federlein, fast zu vergleichen
verschollner Jugendtage Zeichen.
Der strenge Winter liegt kalt erstarret
in stummer Öde auf der Flur
ein dunkler Rabe nur einsam scharret
im Schnee nach eines Thierleins Spur
aus fernen Feldern
Hinter den Wäldern
ertönt der Füchse hungrig Bellen
her zu dem wandernden Gesellen
Doch dieser zieht in lautloser Stille
verlassen, krank und schlotternd hin
ihm blieb von blühender Lebensfülle
nur grauer Schatten zum Gewinn.
Zur Heimatherde,
zum Vatterherde
möcht er am liebsten wieder kehren,
doch niemand kann den Weg ihn lehren.
In früher Jugendzeit, lang^entschwunden
aus der Erinnerung Bereich
ward er, ein weinendes Kind, gefunden
im fernen Land, am tiefen Teich.
wer ihn geboren
und dort verloren
konnt forschend er niemals ergründen,
nie warm`e¿ Mutterliebe finden!
Ein fahrender Sänger hatt' ihn erzogen
und eingeweiht in seine Kunst,
und was empfänglich er eingesogen
erwarb ihm schnell der Menschen Gunst.
allmächtiger Klänge,
zaubrischer Sänge
ward er ein allgewalt'ger Meister,
lenkend der Töne zarte Geister.
Nr. 46*
12. Februar 44.
Horace Vernet.
Du spielst in Farben, wie der Regenbogen,
und perlst in tausend hellen Wechseltönen.
Du schaukelst auf des Lebens Silberwogen,
ein leichtes Schiff, voll schwerer Fracht des Schönen!
du reitest mit der Wüste schnellen Söhnen,
bist mit dem Korsen kühn zu Feld gezogen!
vor allem möchtest du dein Frankreich krönen
und hast ihm huldigend dein Knie gebogen!
Du bist ein guter Streiter in der Schlacht
und schwingst dein Schwert mit fröhlichem Gesichte
und athmest leicht, wenn dumpf die Mine kracht,
Und bringst die Zeit in farbige Gedichte!
Nur Eines ward dir leider nicht vermacht:
Der Dichterschmerz der blutenden Geschichte!
Nr. 48*
d. 24 Febr. 44
Paul de la Roche
Du aber, Meister, bist von anderm Schrot,
du hast den Grundton wahrer Kunst empfunden,
bist als Poet von guter Art erfunden,
der stets dem Herzen seine Zölle both.
Als deinen ersten Karl von rohem Spott
umringt ich sah und von fühllosen Hunden,
da hatt' ich, ich bekenn' es unumwunden
zwei Thränen zu erdrücken große Noth.
Auch rückwärts einen milden Blick zu richten,
wenn auf dem hohen Meer der Zeit man schifft,
heißt einen unausweichbar'n Zoll entrichten!
Lacht nicht, ihr schlimmen Spötter, denn mich trifft
der Hohn aus eurem losen Aug' mit Nichten!
Nur allzu nah lag mir das Gegengift!
d. 12_t. Sept.
«Ist wohl ein Volk, so frei von allen Plagen –
die andrer Nationen Erbtheil sind, –
ein blühender, glückselig Heldenkind,
als unser Schweizervölklein zu erfragen?
«Und doch so fiebrisch seine Pulse schlagen!
Für seiner Freiheit reichen Segen blind
hascht übermüthig es nach eitlem Wind.
Wann enden seine undankbaren Klagen?»
So sprechen, die mit tückischem Verlangen,
im Trümmerschutt der alten Babel schleichen,
gehüllt in der Vernichtung Leichentuch!
Wir aber sprechen: Ja ihr falschen Schlangen,
nur euch, nur euch gilt es noch zu erreichen
und aufgehoben ist der letzte Fluch!
Nr. 50*
d. 13_t.
Wir aber sprechen: Ja, ihr falschen Schlangen!
Die Freiheit wiegt uns hoch in ihrem Schoße,
zu eurer Sipp' unendlichem Verdrusse,
die uns so gern möcht' dort herunterlangen
Doch lagert sich aus eurem düstern Troße
noch mancher Gifthauch auf der Freiheit Wangen,
und eben euch gilt es mit Spieß und Stangen
zu scheuchen fern aus ihrem Felsenschlosse!
O Schweizervolk! du bist ein Blumengarten,
in dem sich Blüth' an Blüthe duftend reiht;
doch Disteln auch und Schierling wuchern weit.
Such dir den Gärtner, der, durch Kraft geweiht,
von solchem Gift und Unkraut dich befreit,
und deine Knospen schützt, die noch so zarten.
d. 13_t.
Ja du bist frei, mein Volk, von Eisenketten,
und von des Vorrechts unerhörter Schande
kein Adel schmiedet dich in schnöde Bande
und fröhlich magst du dir im Wohlstand betten
Doch dieß kann nicht dich vor der Knechtschaft retten,
der schwarzen, die im weißen Schafsgewande
an allen Thüren horcht im weiten Lande
wie Unkraut sich an jedes Herz will kletten
Wenn du nicht kühnlich magst den Geist entbinden
von allem Wust und tödtender Umhüllung,
nicht sorglich deiner eignen Einsicht pflegen:
Wird stets dein Feind die Thore offen finden;
all' deiner Hoffnung raubend die Erfüllung,
dein schön begonnen Werk in Asche legen.
Nr. 52*
«Weß ist dieß Haus?» «"Des Königs meines Herren,
Eu'r Lehen und das mein', so's euch gefällt!"»
«Was braucht der Bau'r solch' Haus auf dieser Welt?
zu missen diesen Prunk, wird man ihn lehren!»
So ward in alter Zeit das Netz gestellt
dem Volk das freie Athmen zu erschweren
So will man wieder dich, o Volk bethören
verhängen dir das lichte Himmelszelt
Ein geist'ger Dom beginnt die weiten Hallen
auf deiner Berge Felsengrund zu thürmen,
die Guten bauen d'ran im ganzen Land:
Und wieder regt die blasse Todtenhand
der Schlechten sich, den schönen Bau zu stürmen,
soll schmählich er in wüste Trümmer fallen?
d. 13_t.
An mein Vaterland. [1. Fassung]
O mein Heimathland! O mein Vaterland!
Wie so innig, feurig lieb ich dich!
Heller Stern, wenn jeder mir verblich
leuchtest mir noch Trost und Hoffnung zu
Als ich arm, doch froh, in die Fremde zog
Königsglanz mit deinen Bergen maß,
Thronenflitter bald ob dir vergaß:
da war'st du des Bettlers größter Stolz
Als ich wandern ging, und dir ferne war
faßte manchmal mich ein tiefes Leid;
doch wie kehrte schnell es sich in Freud',
wenn ich einen deiner Söhne sah!
Lodert Fiebergluth dir im heißen Blut
Sengt der Zwietracht Flamme deinen Flor:
O wie schlägt so bang mein Herz empor
und es fühlet deine Schmerzen mit.
Wenn ich leider auch rüstig kämpfen muß
in der streitenden Partheien Reih'n,
werd' ich stets dem Gegner Liebe weih'n
vor dem Fremdling läugn' ich allen Zwist.
O mein Schweizerland! du mein Vaterland!
Wann dereinst mein banges Stündlein kommt –
ob ich Schwacher dir auch nichts gefrommt –
nicht versage mir ein stilles Grab!
Wann aus Grabesnacht ich einst aufersteh',
bethen will ich dann zu Gott dem Herrn,
daß er segnend seinen schönsten Stern
strahlen lasse auf mein Vaterland!
Nr. 54*
d. 14t.
1.
Man hörte oft in diesen letzten Jahren
bekritteln unsre Nationalität
doch was man klüglich mit bezwecken thät
ich konnt es nie so gründlich klar erfahren
Auch haben jene Forscher arg verdreht
bei ihrem tiefen Studium den wahren
Gesichtspunkt, den so einfachen und klaren
wie er auf jeder Stirn geschrieben steht.
Wenn jedes Volk nach seinen Elementen
aus denen in der Urzeit es entstand
sich eines Tages wieder scheiden müßte:
Fürwahr! ich kaum ein Erdenvölklein wüßte,
das nicht zerstöbe, wie der Wüste Sand,
wie Schaum vom Meer, den wilde Stürme trennten.
Nr. 55*
d. 16_t.
Der Schweizer aber baut auf festern Grund
die Schildburg sich und starke Landesmauer,
so lang wie seiner Urgebirge Dauer
wird sich bewähren auch sein starker Bund.
[…]
Nr. 56*
d. 24_t.
Was ist das für ein hell Getön
und Klingen aller Enden?
ein frisch, gewaltig Morgenwehn
und funkelnd Sonnenblenden?
Wie Meereswogen, sturmgetragen,
des Ufers Dünen überwellen,
viel tausend Herzen muthig schlagen
in starker Hoffnung schwellen.
Was brechen alle Knospen auf
und glühn so feuerfarben?
Was sprüht und leuchtet ihr zu Hauf'
All' ihr geliebten Narben?
Was soll der Sang und Klang bedeuten
Das Rüsten, Schmücken mit dem Besten,
Wie ahnungvolles Glockenläuten
vor Auferstehungsfesten?
So schmücket euch, sie naht, die Braut,
die wir uns liebend eignen
Schon längst der Menschheit angetraut
wer will sie noch verläugnen?
O rüstet euch! nicht zu verkennen
sind des Jahrhundert's große Zeichen
Vor der Signale hellem Brennen
muß jeder Zweifel weichen.
Die Freiheit, einzig, rein und wahr,
im Anfang schon beschlossen,
sie stellt sich endlich prangend dar
von Siegesglanz umflossen.
Ihr, die sonst unter Todesgrauen
verhöhnt und flüchtig mußte werden
laßt uns den letzten Altar bauen
der stehen wird auf Erden!
Nr. 57*
d. 26_st. Septembre
Und wie die alte schwarze Nacht
noch zuckt und sich will bäumen –
sie ist schon längst zu Fall gebracht
mit all' den wüsten Träumen!
Ihr Tosen und ihr gellend Schreien
erhöht nur unsre jungen Lieder
und all' ihr Unglücksprophezeien
fällt auf sie selbst darnieder
Sei mir gegrüßt, du goldnes Licht!
du Sonne alles Leben's,
die siegend durch die Wolken bricht
des todten Widerstrebens
Wie leuchten nun in deinem Strahle
die Gräber all' der Starken, Guten,
die dir zum theuren Opfermahle
sich mußten einst verbluten.
Heil dem, der ehrlich sagen kann:
«Auch ich hab' mitgestritten
und zwiefach Heil dem freien Mann
der für das Wort gelitten!
Umkränzet euch, ihr muntren Jungen!
zu fechten für den hehren Namen
und bis die letzte Kling' gesprungen
ertön kein friedlich: Amen!
Nr. 58*
den 26_st. Sept. Abends.
Jetzt, o Kugel, blank und neu,
laß in's Eisen dich begraben!
meine Aeuglein zu erlaben
besser ist dein schlechtes Blei,
als gediegen Gold!
Fliege, Kugel, fest und treu!
Einen Gruß mir zu verkünden
sollst den rechten Weg du finden
und ein Plätzlein nebenbei,
gar so weich und warm!
Wüßtest du, wie wohl sich's ruht
hinter eines Feindes Rippen,
und zu küssen seine Lippen,
wie's so lieblich munden tut –
fehltest nie dein Ziel!
Drum so pfeife frank und frei!
Such' dir aus den größten Schergen
unter allen, die sich bergen
hinter schnöder Tirannei,
herzlos, feig und dumm!
Fahre wohl, mein Kügelein!
sollst mir keinen Schuft verfehlen,
der, die Freiheit uns zu stehlen
schlich ins freie Land hinein,
mach ihn weidlich kalt.
Bohr dich tief in's matte Herz
daß die Feinde selbst bekennen:
Rühmlich sei dein Schütz zu nennen,
und ein gar zu herber Scherz
komm von seiner Hand.
d. 27_t.
Ihr nennt uns Träumer, Schwindler, junge Thoren,
die wir nach Licht und Wahrheit muthig streben!
Halb wahr, halb falsch ist dieses Wort gegeben,
so merket auf, und öffnet eure Ohren!
Wir haben uns bescheidentlich erkoren
dem Volk zu lichten nur dieß arme Leben:
Ihr laßt verhungernd es gen Himmel schweben,
wer sind die Schwindler? O ihr alten Thoren!
Das Eine Ziel von allem unserm Wagen,
es ist, die Handvoll Erde zu verfechten
die Gott dem Menschenkinde hat zugedacht
Ihr aber wollt es von der Erde jagen
und ihm dafür die Himmelskrone flechten,
die an den Sternen hängt in ferner Nacht.
Nr. 60*
d. 29_t.
Und wenn die Sterne schimmernd uns erzählen
von ew'gem Frühling und Unsterblichkeit
was geht es denn euch an zu dieser Zeit,
braucht ihr uns drum der Erde Glück zu stehlen?
Ach dieses kleine Rund ist reich und weit
genug für all' die kleinen Menschenseelen ränkevoll
und doch wollt ihr dieß stets verhehlen
und macht derweilen euch bequem euch und breit!
In unbegriff'nen, wirren Träumereien
liegt, alpgedrückt, der Völker Geist gefangen
indeß ihr eure tolle Wirthschaft treibt!
Wir aber ruhen nicht, «Wacht auf!» zu schreien,
wacht auf! wacht auf! Die Köcher umgehangen!
Wir wollen sehn, wer auf dem Platze bleibt!
Nr. 61*
d. 30_t.
Daß Träumer wir gewesen, läugn' ich nicht;
Die Nacht war lang, wie konnt es anders sein?
Wir träumten all' vom rothen Morgenschein,
und unsre Träume logen wahrlich nicht!
Denn groß und golden strömt das volle Licht
nun aller Enden in die Welt herein;
uns freuet bas eu'r Heulen, Droh'n und Schrei'n,
es kündet laut, daß eure Stütze bricht!
Wohl mancher Träumer ist hinabgegangen
zu früh von euch versargt ins enge Haus,
weil er sich sehnte nach des Tages Prangen!
Doch viel sind, Gott sei Dank, noch frisch, lebendig,
und legen euch die alten Träume aus
O seht euch vor, nie war's euch so nothwendig!
Nr. 62*
d. 2_t. October.
Betrachtung.
Schön Betrachten jener Weisen, Klugen,
Milden, Allgerechten,
so aus rauher Zeiten Sturmesnächten
heiter und getrost ihr Lebensflämmlein trugen!
Die die grauen Locken warm bedecken
mit gestickter Wollen
und den Lorbeer, den erinnrungsvollen,
in den dunkeln, schmutz'gen Speiseschrank verstecken.
Wo ein einzig Wort aus ihrem Munde
siegend helfen würde
werfen sie von sich des Kampfes Bürde
geben wohlbezahlt dem Dränger falsche Kunde!
Wenn die Jugend in den heißen Tagen
Rath und Trost begehret
und vertrauend sich zu ihnen kehret
schütteln sie bedenklich ihren Kopf und sagen:
«Eitel ist, und längst wie Rauch verflogen
unser bübisch Trachten;
seht! Auch wir einst muntre Lieder machten,
waren gute Zecher, Schläger – Demagogen!
Doch so wir nun schon bei reifern Jahren,
lachen wir der Possen,
und uns reut die Jugendzeit, so toll verflossen,
werdet's aber, liebe Kinder, selbst erfahren!»
Herr, mein Gott! Wollst gnädig mich behüthen,
daß ich also wandle,
und verrätherisch an meiner Jugend handle,
feig zertretend ihre reinsten Blüthen!
Nr. 63*
II
Schöner Anblick jener Schmachgesellen,
die mit Rasen ihre Lanzen fällen,
wild sich tummeln in der Freiheit Tempeln,
sie zu ihres Dünkels Reitbahn stempeln!
Schön Gelichter jener bunten Schlangen,
die sich an die gute Sach' gehangen,
um in ihrem reinen Wiederscheinen
Trug mit Wahrheit fälschlich zu vereinen.
Die geschickt im Trüben fischen wollen
heuchlerisch verlarvt in Heldenrollen;
Aller Schwachen Laster zu erwecken,
sie mit falscher Lehre Trugschluß decken!
Und, wenn sie den schnöden Raub geborgen,
leis vom Schlachtfeld schwindend sich versorgen;
Schande auf die guten Kämpen werfen
und mit Spott des Feindes Waffen schärfen
Sollen wir für Licht und Freiheit rechten,
laß allein, o Herr, den Kampf uns fechten!
Wollen gründlich wir uns einst befreien,
muß die Ehr' erleuchten unsre Reihen!
Nr. 64*
d. 3_t. Oct.
III.
Unsre Jugendzeit gleicht einem grünen Walde
der da üppig steht an hoher Bergeshalde.
Tausend Bäume streben auf in freier Luft,
wie die Hoffnungen in einer Jünglingsbrust!
Doch die Zeit, der Nordwind, schwarze Wetternächte
üben unbarmherzig ihre rauhen Rechte
und nach Jahren steht die Bergwand öd' und kahl
Alles Wandelbaren melancholisch Mahl!
Zarte Bäumchen haben längst ihr Haupt gebogen,
weil sie liebend keines Gärtners Hand gezogen,
hohe Tannen stürzten ebenso geschwind,
als empor sie schoßen, haltlos vor dem Wind.
Nur die Eiche noch, von Aesten breit und kräftig
ragt zum finstern Himmel, kühn und felsenschäftig
kündet frei und stolz, wie der Orkan auch weht,
daß ihr hoher Stamm auf fester Wurzel steht!
Und du bist die Eiche, Freiheitsliebe stark
Grün von Blättern, herrlich, mit gesundem Mark
grünst und blühst und wachsest mit des Mannes Leben,
dem Bedrängten Hoffnung, Licht und Trost zu geben.
Wer besingt das Schauspiel eines greisen Helden,
den die Bosheit nicht, nicht Hohn und Undank fällten,
der verjüngt hervortritt aus der Kerkernacht,
den kein Schmeicheln und kein Locken kirre macht?
Ungebeugt und streng wacht er mit Adlerblicken,
wie die Herrscher und die Völker sich beschicken
Und so er Verrath und Hinterlist entdeckt
Läßt den Nothruf er erschallen unerschreckt!
Seng', Venetias Bleidach, seine Silberlocken!
laß, Sibiriens Kälte, all' sein Herzblut stocken!
Mordet, Fürsten, ihn, nach altem Henkerbrauch:
Freiheit, Freiheit, Freiheit ist sein letzter Hauch!
d. 4_t. [1. Fassung]
Du willst dich freventlich emancipiren
und aufstehn wider mich mit keckem Sinn?
Auf's eigne Fäustchen deine Wirthschaft führen
du schöne kleine Jakobinerin?
Zur Politik nun auch dein Wörtlein sagen,
Als Rose schön im Parlamente blühn?
Wohl gar dereinst den muth'gen Feldzug wagen
Wenn gen die Könige dereinst wir ziehn?
Berufest dich auf meine eignen Lehren
von Freiheit, Gleichheit und von Menschenrecht?
o laß mein Kind, mit Küssen dich bekehren
dieß eine Mal erriethest du mich schlecht!
Die Völker sollen frei sein, frei und ledig,
sich selbst beherrschend mit bewußter Kraft!
Ein Hochverräther ist, wer denn noch «gnädig»
zu nennen wagt, was nackte Pflicht nur schafft.
Das Haupt bedeckt, tritt ein Mann zu dem andern,
und spricht: verwalte du dieß schwere Ammt!
Doch mußt, woher du kamst, die wieder wandern,
gibst Rechenschaft du nicht uns insgesammt!
Doch Dich, mein Kind, bekümmre dieß mitnichten!
dein Liebster und dein Herr ist für dich frei,
auf ihn sollst du die blauen Augen richten,
daß er dein einz'ger Pol und Leitstern sei!
Die Ketten all', von denen ich entbinden
die Völker möchte, o Geliebte mein!
als Blumenketten eng dir umzuwinden,
soll einzig nur mein Thun und Trachten sein!
Ein fest Gefängniß will ich dir erbauen
von Rosen, Liljen, Myrthen, duftend, weich!
Draus sollst du nur des Himmels Sterne schauen
und mich, den Kerkermeister, froh und reich!
Ich will zur Kurzweil süße Lieder singen,
darinnen du dich lachend spiegeln magst!
In Liedern dir die Welt zu Füßen bringen,
wenn über Einsamkeit du dich beklagst!
Doch, wann die lieben Nachtigallen schlagen,
und wann das Abendroth verglommen ist
Dann will ich dir den letzten Grund noch sagen,
Warum du dienstbar und leibeigen bist!
Nr. 66*
«Sie wissen nicht, was sie wollen,
und jagen nach Schatten und Wind,
dieweil sie eben verbrannt
unruhige Köpfe sind.
«Sie läugnen den Herrn und sagen,
er sei ein erträumter Mann,
und rufen ihn doch beständig
zu ihrem Befreier an!
«Sie läugnen das ewige Leben
und einer Vergeltung Bestehn,
und möchten uns doch verfluchen
und tief in der Hölle sehn.
Nr. 67*
Nov 43
Vorabendlich.
÷Und wenn die Noth am größten, ist Gott am Nächsten.¨
Es zieht ein Spielmann über die Haide,
Die Wangen bleich vom langen Harm;
ein Röcklein von zerrissner Seide
trägt[e] er, die Geige unter'm Arm.
Am Hute zittert,
blaß und verwittert
ein Federlein, fast zu vergleichen
verscholl'ner Jugendtage Zeichen.
Es sitzt ein Dichter in seiner Kammer
und schaut ins blut'ge Abendroth
Zerreißt die Saiten mit stummem Jammer,
sein Liederbaum ist ab u todt.
auf grauen Schwingen
entfloh sein Singen,
die Zeit ist aus dem Ton gefallen
sein Herz will nichts mehr widerhallen
Sept. 44.
Es gähnt ein Maler vor seinem Bilde,
und reibt die müden Augen aus,
er streicht und pinselt an seinem Schilde,
und bringt nichts Neues mehr heraus
Ach, seine Farben
schon lange erstarben
des Himmels Sterne sind erloschen
u seine Götter abgedroschen!
Es weint ein Säugling in seiner Wiegen
u sehnt sich schon nach seiner Ruh!
er möcht zurück in die Puppe fliegen
u schließt die jungen Aeuglein zu!
ihn friert u grauet,
das Leben schauet
ihm gar so kalt u feucht entgegen,
wie ein mit Schnee vermischter Regen!
O alte Zeit, voll Sorgen u Plage
Schneeschichte auf gefallnem Laub!
O graue Noth der ergrauten Tage,
wie manche Blüthe wird dein Raub
Wann wirst du wenden
an allen Enden
und fliehen vor den Frühlingszeichen,
Wann werden Tag und Nacht sich gleichen?
Dann wird der Spielmann wiederum geigen,
daß Berg u Land u Meer erklingt!
Der Dichter brechen sein langes Schweigen,
wenn er mit jungen Lerchen singt!
In lichten Strahlen
die Gottheit malen
der Maler mit erfrischten Augen,
der Säugling Lust zum Leben saugen!
Nr. 68*
d. 8_t. Nov.
Kugelgießen
Wie glimmen doch die Kohlen
so düster und so roth!
Gott, dir sei anbefohlen
all' unsre schwere Sorg' und Noth!
Wie gleißet in der Kelle
das Blei mit hellem Schein!
Du heiße Todesquelle
sollst unsre letzte Hülfe sein!
Und haben wir getragen den langen Tag,
gelitten und getragen die alte Plag' –
so lassen wir's am Abend uns nicht verdrießen,
und wollen flink und rüstig noch Kugeln gießen!
Einhundert blanke Kugeln auf jede Nacht,
daß es am Einen Tage viel Tausend macht!
An jenem Tag 'nen tüchtigen Kugelregen
woll'n wir als gute Aussaat in's Brachfeld legen!
Auf jede Kugel kommt ein Despotenherz,
zu rächen all' den verbissnen Todesschmerz!
Du theure Freiheit! Wirst uns nimmer gesunden,
bis deine Wunden bezahlst mit rothen Wunden!
Wie glimmen doch die Kohlen
so düster und so roth!
Gott, dir sei anbefohlen
all' unsre schwere Sorg und Noth!
Wie gleißet in der Kelle
das Blei mit blassem Schein!
Du heiße Todesquelle
sollst unsre letzte Hülfe sein!
Und ist kein Blei mehr da, so reiche dein Zinn!
die Kannen, Schüsseln, Teller, Frau Hauswirthin!
Auch schlagt die Fensterlein ein die alten, blinden!
Die Sonne wird nur besser den Eingang finden!
Was soll der Silberpokale eitler Tand?
Im Felde trinkt man besser aus hohler Hand;
Das Silber schmelzen wir ein, den Fluch der Erden,
es soll ein Nothpfennig uns in Kugeln werden!
Und die von Silber spiesen so lange Zeit,
die harten Dränger finden uns dann bereit
Wann einst das große Festgelage erschienen<,>
Zum letzten Gang mit Silber sie zu bedienen<!>
Wie glimmen doch die Kohlen
so düster und so roth!
Gott, dir sei anbefohlen
all' unsre schwere Sorg und Noth!
Wie gleißet in der Kelle
das Blei mit blassem Schein!
Du heiße Todesquelle
Sollst unsre letzte Hilfe sein!
Den er von seiner Herzgeliebten empfing,
nun nehme ein jeder den Verlobungsring,
und werf' ihn reulos in die glühenden Kohlen,
um ihn als glänzende Kugel hervorzuhohlen!
Und wenn am Tage der Schlacht es müßte sein,
daß über uns käm' der Niederlage Pein,
so tragen weinend wir des Geschickes Bande
und sagen ade dem armen Vaterlande!
Wir wollen gerne in die Verbannung gehn,
doch unsre Liebchen sollen den Tag nicht sehn!
Und keine Knechte sollen sie je gebären:
das soll das Gold der letzten Kugel verwehren!
Nr. 69*
d. 10 Nov.
Kühlt euch ab, entflammte Dichter!
Zähme dich, du edle Jugend!
Hin ist nun die Zeit der Thaten
und verhöhnt wird Römertugend.
Wollt ihr euer blühend' Leben
So im rauhen Sturm verwittern?
euer jugendkräftig Streben
wirkungslos zersplittern?
Seht, o seht, wie sie gemächlich
und bequem im Rathe sitzen!
wie die feinen Sekretäre
lächelnd ihre Federn spitzen!
Glaubet ihr, sie gehen müssig,
und, des Spasses überdrüssig,
werden sie auf euer Singen
von der Bühne springen?
Ach! derweil von allen Bergen
ihr von Recht und Freiheit singet
kühn mit euren Ketten raßelt
und zur Schlacht die Panner schwinget –
fliegen gar behend und munter,
Land hinauf und Land hinunter,
unsichtbar wie Spinnefaden,
Brieflein ihrer Gnaden
Die Dekrete und Depeschen
folgen euch, wie böse Geister;
wo ihr euren Tritt hinwendet,
findet ihr auch euren Meister!
und die großen Potentaten
können sich gar gut berathen
mit den kleinen Galgenstricken
in den Republiken.
Baut ihr auf den Zorn des Volkes,
der sich endlich werd' erheben?
Ach, das Volk hat, matt geschlagen,
sich dem Elend still ergeben
Und nur leise, leise jammernd
sich an's nackte Dasein klammernd,
schützt mit tausend Bajonetten
es die rost'gen Ketten!
Seht ihr nicht wie von den Euren
einer nach dem Andern weichet,
wie die Noth, wie die Verführung
sie mit scheuem Tritt umschleichet?
Ach, vielleicht in wenig Jahren
sind die letzten hingefahren,
wie im Winter Waldesstimmen
mählig all' verglimmen!
Schon beginnt man euch zu scheuchen
schnell von einem Ort zum andern;
mit der theuren, schweren Bürde:
Freiheit! müßt ihr ruhlos wandern
flieget, schöne Adler, flieget,
ihr zuletzt doch noch erlieget!
und zuerst in Republiken
wird man euch ersticken!
Stellt ihr etwa eure Hoffnung
auf die Hülfe hoch von oben?
und ich muß sie wahrlich loben
wenn nur nicht das Sprüchwort wäre,
s'kommt mir so von ungefähre:
Hilf dir selbst, so hilft auch Gott dir!
s' klingt fast wie ein Spott mir!
Nr. 70*
II.
Habet ihr des Gälenbarden
schöne Lieder nie gelesen,
Wie einst Morvens Heldenkönig
Hoch auf Loda's Berg gewesen?
Wie bei nächtlich bleichem Strahle
er mit seinem guten Stahle
mit den Geistern angebunden
und sie überwunden?
Waren sie nicht eitle Wolken?
schattenhafte Truggestalten,
die sich vor der blanken Wahrheit
seines Schwerts nicht mochten halten?
Nr. 71*
Dec. 1843.
Ein brausend Gähren und ein wildes Wogen
ein zagend Rathen und ein hülflos Irren,
ein geistig banges schweres Kettenklirren –
sind mir die rauhen Tage hingezogen!
Und stündlich neue Träume mich umflogen,
das war ein Leuchten, Blühen, Klingen, Schwirren,
das war ein stet Entwickeln und Verwirren,
Und alles hatt' am Ende mir gelogen!
Nun aber ist der Kirchhof zugeschlossen,
der Kirchhof meiner heiß durchkämpften Jugend,
und stille ruh'n die Träum' in ihren Särgen!
Draus aber ist ein hoher Baum entsprossen,
den pfleg' ich nun in fester Treu und Tugend
und schützend soll er einst mich Müden bergen!
Nr. 72*
Der grüne Baum, er ist die gute Sache,
zu der ich nun vor aller Welt geschworen,
die theure Freiheit, die ich mir erkoren,
und zum Simbole meines Schildes mache
Nun drauf und dran! spring auf, du alter Drache,
aus gift'gem Moor und Sumpf, die dich geboren!
Schon ziehn die Ritter fröhlich aus den Thoren
und tausend gute Lanzen schimmern: Rache!»
Wohl dem, der in verhängnißvollen Zeiten
sich lehnen kann an eine feste Meinung,
die treu ihn stützt, wenn alle Schranken zittern!
Und dreimal Wehe! dem, der jetzt zu streiten
sich weigert mit bedächtiger Verneinung,
ihm wird der Sturm das schwache Herz zersplittern!
Nr. 73*
d. 20 Dec.
Ihr Jungfraun, stellt bei Seite nun den Rocken,
und laßt die Mütterlein den Herd beschicken!
Die heil'gen Fahnen sollet ihr jetzt sticken
und Kränze winden um der Streiter Locken!
Wann dumpf erdröhnen einst zum Sturm die Glocken,
und banger Zweifel will den Muth umstricken,
dann sollt ihr uns mit stolzen Liebesblicken
kühn in des Kampfes Staub und Wirbel locken!
Und wann wir Sieg vom heißen Felde bringen,
dann wollen wir mit fröhlich heitrem Minnen,
Ihr Mädchen, euch zu Tanz und Spielen führen!
Jetzt aber laßt uns Schlachtenlieder singen,
Jetzt aber woll'n wir keine Schäferinnen,
wir wollen starke, feurige Walküren!
Nr. 74*
Weihnachten 43.
[In sternenheller Christnacht schaute ich
nach Wahrheit ringend, auf zum Himmelszelt.
da sproßt' an Scheiben eis'ge Blumenwelt,
daß hinter ihr mir jeder Stern verblich.
Zu Ostern, als der weiße Winter wich,
hat forschend wieder sich mein Blick erhellt;
Doch war ihm schon ein neues Netz gestellt,
In Blumenkelchen tief verlor er sich.
Wie Blumen selbst die alten Berge wankten
und stürzten blendend sich auf meine Bahn;
Aus Lenzduft bald, und bald aus Eis gewoben
Nur Blüthen meine Schritte eng umrankten!
Ich schlug ein höhnisches Gelächter an,
da ist der Plunder alsobald zerstoben!]
Nr. 75*
In sternenheller Christnacht schaute ich
nach Wahrheit ringend auf zum Himmelszelt.
da sproßt' an Scheiben eis'ge Blumenwelt,
daß hinter ihr mir jeder Stern verblich!
Zu Ostern, als der dunkle Winter wich,
hat forschend wieder sich mein Blick erhellt.
Doch war ihm schon ein neues Netz gestellt,
in Tulpenkelchen tief verlor er sich!
Als Liljen selbst die alten Berge wankten
und stürzten blendend sich auf meine Bahn,
In Blumenkränze ward ich ganz verwoben
Und Blüthen mich erstickend eng umrankten –
ich schlug ein höhnisches Gelächter an,
da ist der Plunder alsobald zerstoben!
Nr. 76*
d.
Wann zur Maizeit alle Felder lachen
und vom Himmel Rosenwolken thau'n;
wann die Sänger wieder all' erwachen
und die alte Hoffnung weiter bau'n;
wann die Liebe jubelnd zu den Sternen singt,
um die ganze, um die ganze Welt den Reihen schlingt:
Ihr Tirannen, grauet euch dann nicht,
daß ihr so gefürchtet,
daß ihr so gehaßt, wie Schlangen über Blumen kriecht?
Goldmeer woget hell im Strahl der Sonnen,
und der Sommer ruht auf heißem Feld;
glühend hat er seine Braut gewonnen,
und die reife Erde küßt der Held!
Und in Wetter'n feiert er sein Hochzeitmal,
und es flammet und es toset über Berg und Thal:
Ihr Tirannen, zittert ihr dann nicht,
daß euch könnte treffen
und zermalmen eines Rächers Zorn und Strafgericht?
Wie so lieblich stehn die reichen Gärten!
Was die Herbstzeit doch so freudig ist!
Seht, die Bäume all', die fruchtbeschwerten,
winken uns, soweit das Auge mißt!
Jeder sammelt, lobt und preist das gute Jahr,
jeder Strauch und jeder Zweig bringt uns sein Schärflein dar:
Ihr Tirannen, schämt ihr euch dann nicht,
daß ihr so verachtet,
dürre und verflucht seid in der Schöpfung Angesicht?
Und wann dann der Winter niedersteiget,
kühlend, auf die müde, welke Flur;
sich zum heil'gen Schlaf die Erde neiget,
träumt und schlummert alle Creatur;
kaum ein Rabe noch auf öder Haide fliegt,
und die weiße, stille Decke wie auf Gräbern liegt:
Ihr Tirannen, weinet ihr dann nicht,
daß euch Schuldbelad'nen
auch die letzte Hoffnung noch, die süße Ruh, gebricht?
d. 30_t. Dec. 1843.
[Ja, das ist der alte Kirchhof,
der in blauer Fluth sich spiegelt,
und in seiner feuchten Erde
liegt mein Heiligstes versiegelt!
Schläfst du, schläfst du noch mein Liebchen?
Zuckt kein Strahl durch deine Leiche
wenn auf deinem stillen Grabe
nun dein Buhle irrt, der bleiche?
Fährt kein Stern in deine Augen,
hebt dein Herz nicht an zu schlagen?]
d. 31_st. XII. 43
Ja, das ist der alte Kirchhof
der in blauer Fluth sich spiegelt,
und in seiner feuchten Erde
liegt mein Heiligstes versiegelt.
Und ein Beet voll rother Rosen
dicht und üppig aufgesprossen
drunter liegt die weiße Lilje
eng im Blumenschrein verschlossen.
Durch die Rosen, durch die Erde,
durch die Bretter dringt mein Sehnen.
dort, wie eben erst gestorben
will mein Herz Sie schlummernd wähnen
Schläfst du, schläfst du noch mein Liebchen?
Zuckt kein Strahl durch deine Leiche,
weil auf deinem stillen Grabe
nun dein Buhle irrt, der bleiche?
Fährt kein Stern in deine Augen?
hebt dein Herz nicht an zu schlagen?
Quellen nicht von deinen Lippen
frische, süße Liebesklagen?
Zieht kein rother Morgenschimmer
über die marmornen Wangen,
weil daran die Lebensgluthen
meiner heißen Blicke hangen?
Eitler Traum! um eine Leiche,
um den Tod hab' ich geworben!
Nun, so sei auch meine Liebe
ewig todt und abgestorben!
Zitternd reiß ich aus dem Busen
noch die letzten zarten Blüthen
gebe sie dem todten Liebchen
bis zum jüngsten Tag zu hüthen!
Schwarzer Gärtner, Todtengräber!
Laß, o laß das Grab verwildern!
seine wermuthbittern Schauer
soll kein Lenz mehr freundlich mildern!
Binde nicht mehr diese Zweige,
pflege nicht mehr diese Rosen!
Und mit den verdorrten Blättern
mag der kalte Nordwind kosen!
d. 2_t. Januar 1844.
Fahret wohl, ihr schönen Gräber,
klirre zu, du morsches Gitter!
Lachend kehr' ich euch den Rücken,
Liljenstolz und Rosenflitter!
Abgethan ist nun die Liebe –
Hei! wie bin ich nun so munter,
und in dem befreiten Herzen
geht es lustig drauf und drunter!
Gegen Morgen, gegen Morgen!
schau' ich trotzig in die Sonne;
wie scheint sie so wild und feurig,
lächelnd in Gewitterwonne
Sich gewappnet um die Heldin
kühne Wetterwolken schaaren,
wie auf stolzem Oceane
drohende Armaden fahren!
Dezember 44
Vor mir liegt das reiche Leben,
Schlägt die Zeit die hohen Wogen,
Kreis't die Welt mit ihren Sternen,
fröhlich bin ich ausgezogen,
Biethe Stirn und Herz den Stürmen,
Lasse meine Wimpel wehen,
Und beim wilden Kreuzen denk ich
kaum noch an ein Wiedersehen!
Nr. 80*
d. 9_t. Januar 1844.
Tod.
Fürchtest du den Tod, mein banges Herz?
Oder schaust du hoffend himmelwärts,
Lohn dort suchend für den Erdenschmerz?
Lebe nur getrost dein kleines Leben,
und das Andre wird sich herrlich geben
nur mußt frisch du durch die Wolken streben,
daß der Tod dir keine Sandbank sei:
lebe frei!
Zwar mag er dir wohl ein Pharus sein,
dem du manchen ernsten Blick sollst weih'n,
Landungsboot ist einst der schwarze Schrein:
Lebe recht – und fürchte nicht das Ende!
Lebe frei – und wasche deine Hände!
Und nach ihm die hellen Augen wende,
daß er Stappelplatz, nicht Hafen sei!
Lebe frei!
Nicht ein Schuldenzahler ist der Tod!
Nicht erkaufen mußt du dir den Tod
feige durch freiwill'ge Angst und Noth!
Denke dir den Tod auch nicht als Henker,
nicht als grimmen Rachefackelschwenker! –
Nein, nur daß ein neuer Wagenlenker
dir der Tod auf der Arena sei,
lebe frei!
Knicke keine Rose, die da blüht!
Lösche keinen Stern, der schimmernd glüht!
Dämpfe keinen Blick, der Leben sprüht!
Laß mir alle Blumen liebend spießen!
Laß mir alle Quellen freudig fließen,
daß du magst dein Dasein rein genießen,
kurze Ruhzeit nur der Tod dir sei:
lebe frei!
Welt ist groß, die Ewigkeit gar lang,
und dieß Leben nur ein schwacher Klang
in des großen Wirbels Sturm und Drang!
Daher glaube nicht, daß ausgelitten,
glaube auch nicht, daß dann ausgestritten,
und noch weniger, daß abgeschnitten
mit dem Tod die große Frage sei:
lebe frei!
d. 10_t. Jan. 44.
Sitzt man mit geschlossnen Augen
einsam in dem dunkeln Zimmer
blitzt oft durch die zarten Lider
plötzlich rother Kerzenschimmer.
Weiß ich doch, daß Sonnenstrahlen
durch die Augendeckel dringen
und in flimmernden Gebilden
sich um unsre Seele schlingen.
Also saß ich in der Dämmrung
schlummernd in der grünen Laube,
eingelullt vom Abendrothe,
müd'
von Erdenlärm und Staube
Da begann von Licht und Blumen
gar ein seltsam schimmernd Weben
und ein Ranken um die Augen
wie von goldnen Zauberreben.
Rothe Rosen, weiße Rosen,
Primeln, Tulpen und Narzissen,
Dahlien von hundert Farben
sah ich durcheinander sprießen!
Purpur, Gold, Azur und Silber
flimmerten in Wechseltönen,
Lila, Rosa, heitres Meergrün
mußten mild den Glanz versöhnen!
O das war ein prächt'ger Reigen,
wie die Farben all' ihn tanzten,
wie die Blüthenstern und Glocken
ringelnd sich in Beete pflanzten
Aber in den Wundergarten
Senkte eine Jakobsleiter
von zwei Strahlen schön sich nieder
aus zwei Sternen, selig, heiter!
Kleine, blonde Liebesengel
Schwebten daran auf u nieder
Stiegen in den Sternenhimmel,
kehrten in mein Herze wieder
Wekten andre hübsche Knaben,
Die darinen ruhig schliefen
Und darauf mit holdem Necken
Spielend durch die Blumen liefen.
Und die aus dem Himmel kamen
Wollten meines Herzens Kinder
Ringend mit sich aufwärts ziehen;
Aber diese auch nicht minder
Hielten Stand u kämpften wacker
als sie jene dicht umschlangen!
Hielten sie in meines Herzens
Ird'schem Grunde bald gefangen.
Oben an der Himmelsleiter
Eine klare Seele schwebte,
Die halb zornig, halb mit Lachen
Sie zurückzurufen strebte!
Doch es schien mir im Gefängniß
Ihnen leidlich zu gefallen;
Denn ich sah, der Herrin trotzend,
bunt sie durcheinander wallen!
Und sie mußte sich bequemen
Endlich selbst herabzusteigen.
Sah sich plötzlich dann gefangen
Mitten in dem frohen Reigen.
Doch für all' den Liebesjubel
Ward mein Herz zu eng u nieder
Klingend sprangen auf die Pforten,
Sprangen auf die Augenlider
Sieh! da standest Du, auf meine
Schläferaugen sicher schauend
Vorgebogen, unbefangen
Und auf meinen Schlaf vertrauend
Wurdest roth u flohst vorüber
Ungeschikt ein Liedlein summend
Und vergeblich dein Geheimniß
In der Dämmerung vermummend!
Fliehe nur, verrathne Seele
trostlos durch des Gartens Blüthen
Such' dir bessre Zauberdrachen,
Deines Busens Schatz zu hüthen!
Thöricht Kind nun magst du immer
Dreifach mir dein Herz verschließen
Unerbittlich seh ich innen
für mich rothe Rosen sprießen!
Nr. 82*
d. 11_t. Jan. 44.
War ein heimathloser Wandrer
auf des Leben's dunkler Haide;
suchte eine Liebesheimath,
die mich von der Welt abscheide
und verirrt in düstern Gründen
sah ich endlich in der Ferne
wie zwei Irrwisch', schwebend, leuchtend,
deine beiden Augensterne.
Und vertrauend folgt' ich ihnen
ruhlos über Feld und Hügel;
und die Hoffnung lieh' den Stab mir,
und die Sehnsucht gab mir Flügel
Bald an klaren Silberströmen,
bald im stillen Rosengarten
schienen mich die blauen Lichter
Liebe^leuchtend zu erwarten.
Aber war ich an der Stelle
müd' und durstig angekommen –
waren auch die falschen Sterne
in den Rosen schon verglommen
bis sie wieder in der Weite,
in der Weite freundlich lachten
und mich schmachtenden Gesellen
wieder auf die Beine brachten.
Schwebten sie im luft'gen Reigen
über blaue Fluth des Seees,
sprang ich in den leichten Nachen,
Schiffer meines schweren Wehes
An dem Ufer stand ein Kirchlein,
das war mir ein gutes Zeichen,
weil ich dort am Hochaltare
sie noch hoffte zu erreichen!
Aber da war auch ein Kirchhof,
nach der alten, schlimmen Sitte
und da glänzten die zwei Lichter,
mild in stiller Gräber Mitte.
Haben noch mit süßen Strahlen,
scheidend noch mir zugewunken,
sind darauf, nach Irrlichtweise
in ein Blumengrab versunken!
Januar 1844
Der Apostaten-Marsch.
Bum! bum! bum, bum, bum!
Schnürt den Sack und kehrt links um!
Abgefressen ist die Matte,
spute dich, du Wanderratte!
Hungern ist kein Gaudium!
Gott sei uns Sündern gnädig!
Sind wir nicht ein schöner Zug,
galgenfroher Rabenflug?
Haben neues Aas gewittert,
wie der Magen freudig zittert!
Denn wir spähen fein und klug,
Gott sei uns Sündern gnädig!
Hohn und schriller Pfeiffenklang
tönet unsern Weg entlang;
doch das soll uns nicht verdrießen,
laßt die Scham uns nun durchspießen,
mit der Tugend an den Strang!
Gott sei uns Sündern gnädig!
Nieder mit dem Jungfernkranz!
Ausgelöscht der Ehre Glanz!
Ausgespiee'n der Sonne Klarheit,
abgeläugnet jede Wahrheit!
Hure! reich die Hand zum Tanz,
Gott sei uns Sündern gnädig!
Aus dem Busen reißt das Herz,
werft es fluchend hinterwärt's!
Fauler Schlamm, o kühle, spühle
weg die heißen Hochgefühle!
Ach, es war ein Bubenscherz,
Gott sei uns Sündern gnädig!
Ficht euch das Gewissen an
mit dem spitzen Vipernzahn?
Weist ihm einen rothen Lappen,
daß es lustig darnach schnappen,
und sich drein verbeißen kann!
Gott sei uns Sündern gnädig!
Pereat das Vaterland,
deckt es zu mit Spott und Schand.
Führt das arme Lamm zum Schlächter
und verkuppelt seine Töchter
an die erste, beste Hand.
Gott sei uns Sündern gnädig!
Auf! bei fahlem Irrlichtschein
tanzen wir zum Rabenstein!
Macht den Galgen dort zum Kreuze,
daß d'ran ehrenvoll sich spreize
unser ausgedorrt Gebein
Gott sei uns Sündern gnädig
Gleite, Gleite hin mein Hohn,
kalt, wie du dem Herz entflohn,
treffe sie auf ihren Wegen!
wie vom Blatt ein Tropfen Regen,
fällst du ab, ich weiß es schon:
Gott sei den Sündern gnädig!
Nr. 84*
d. 23_t. Januar 44.
Muthlosigkeit
II.
Habet ihr des Gälenbarden
schöne Lieder nie gelesen,
wie einst Morvens Heldenkönig
hoch auf Loda's Berg gewesen?
Wie bei nächtlich bleichem Strahle
er mit seinem guten Stahle
mit den Geistern angebunden
und sie überwunden?
Waren sie nicht eitle Wolken,
schattenhafte Truggestalten,
die sich vor der blanken Wahrheit
seines Schwert's nicht mochten halten?
Prahlerische Nebelspücke,
die vor seinem hellen Blicke
alsoballd die Flucht gewannen
und in Luft zerrannen?
Auf! Wohlauf! mit frischem Muthe
wappnet euch, ihr zagen Recken!
wollt ihr vor dem Rauchgesindel
schüchtern eure Waffen strecken?
In die Nebel, in die Dünste,
in die trüben Wasserkünste
sendet eure Flammenpfeile,
daß der Qualm sich theile!
Eben, wo der Rauch am dicksten,
wo die größten Wolkenriesen,
wo die schwersten Nebelmassen,
sollt den Angriff ihr erkiesen!
Muß der Leichnam in den Grüften,
angeweht von frischen Lüften,
Läg' er auch seit tausend Jahren,
nicht in Staub zerfahren?
Seien es auch Rosenwolken,
gleißnerische Frühlingsdüfte,
sumpfentstieg'ne, gift'ge Schwaden
oder schwarze Wetterlüfte:
Mit der Sonne um die Wette
sengt und schmelzt die Nebelkette
daß Èd¥er Tag sich rein ergieße,
jeglich Herz erschließe!
Daß der Kern der nackten Wahrheit
uns kristallenklar erglänze
und des Rechtes goldne Krone
jede Stirne frei umkränze
daß sich das Gewürm, das blinde,
sterbend an der Sonne winde;
keine Blume mehr auf Erden
kann vergiftet werden.
Nr. 85*
Jan. 1844 Zum Morgentraum.
Erste Harfnerinn.
Es wächst ein Baum am Meeresgrund
tief und geheimnißvoll;
die Welle thut's nicht kräuselnd kund,
die sich ihm öffnen soll!
Doch wächst er immer fort und fort
im dunkeln Wasserhaus,
und, ist ein Zweiglein abgedorrt,
zwei Neue schlagen aus.
Die Wurzeln graben emsiglich,
tief in des Grundes Weh;
doch tausendästig weitet sich
die Krone in die Höh'.
Viel Nachtigallen, stumm und bang,
erharren drinn den Tag,
wo frei und fröhlich ihr Gesang
zum Himmel steigen mag.
Es hangen eh'rne Glocken viel
im grünen Aestehain;
was wird das für ein Glockenspiel
an jenem Morgen sein!
An jenem Morgen, wo entzückt
das Wellendach zerspringt,
den Baum der finstern Nacht entrückt,
ans helle Taglicht bringt!
Nr. 86*
Die zweite Harfnerinn.
Das Meerschiff zieht so stolz dahin,
so stolz dahin und schwer;
und alle Meerbewohner flieh'n
vor seinem Hochmuth her.
Es gräbt nun schon so lang dem Meer
die tiefen Furchen ein;
es wühlt nocht immer kreuz und quer –
wird denn kein Ende sein?
Ein Morgen graut, ein Morgen tagt,
wie keiner noch gegraut!
Ein Garten aus dem Meere ragt,
wie keiner noch gebaut!
Das ist des Baumes Riesenkron',
voll Blüthenglanz und Duft,
der alten Mutter schönster Sohn
entstiegen seiner Gruft.
O Maienlust, o Freiheitsbaum,
so jugendlich und grün!
Wie wirst du, alter Menschentraum,
nun ewig, ewig blühn!
Nun fahre her, du stolzes Schiff,
Es harret dein ein Blumenriff,
mit deiner Eisenbrust!
daran du scheitern mußt.
Schon schlingt das grüne Laubgeflecht
Sich fest um dich herum!
Dich überspinnt das Lenzgeschlecht
mit Liebe um und um!
Noch aus dem Blumenknäuel blitzt
die letzte Flaggenstang',
darauf ein leichtes Vöglein sitzt
Nr. 87*
die 3_te Harfnerinn.
«In hundert Jahren kommt ein Schwan –»
O lodre auf, du heiße Gluth! –
«Den wird man müssen singen lan!»
Und trink das reine Heldenblut,
und trink den rothen Morgenthau!
Der Himmel lacht so lustig blau
und lacht ob unserm Jammer –
Singe, schöner Schwan!
«In hundert Jahren kommt ein Schwan» –
er trägt ein Krönlein von Papier, –
«den wird man müssen singen lan!»
Bemahlt mit manchem Teufel schier;
das flackert hell und wohlgemuth,
daß es die Teufel wärmen thut,
die Teufel in den Kutten –
Singe, schöner Schwan!
Die hundert Jahre sind vorbei,
und sind zum vierten Mal entfloh'n,
Es sang wohl mancher Vogel frei:
noch immer fehlt der letzte Ton,
der schönste Ton am Schwanenlied!
Die Schwalbe kommt, die Schwalbe zieht,
Sie lacht ob unserm Jammer –
Singe, schöner Schwan!
Und Constanz blieb am Bodensee,
das Feuer zog durch alle Welt!
Es zieht noch über Land und See,
und unsre Saat ist gut bestellt!
Schon schwingt sich auf der weiße Schwan,
den man wird endlich singen lan!
Auf, Phönix-Auferstehen,
singe, schöner Schwan!
Nr. 88*
Mein Lied an das deutsche Volk!
Vernimm den Gruß von meiner Berge Schoß,
geliebtes Nachbarvolk, o deutsches Volk!
O deutsches Volk, so kindlich, doch so groß!
Ein Maienhimmel, eine Donnerwolk'!
O möchte mir ein einfach' Lied gelingen[!],
es klingt so rauh im hohen Felsensaal!
Doch, send' ich's dir auf leichten Lenzesschwingen,
Vielleicht steigt milder es zu dir in's Thal!
Wie oft, wenn ich am jungen Rheine saß,
und mit der Seelefolgte seinem Lauf,
geschah's, daß ich die Heimath schier vergaß,
und ihrer Urgebirge Riesenknauf
schmolz hin vor meines Herzens heißem Sehnen:
Ich sah entzückt in's eb'ne Land hinaus,
in's Land der Sagen und der Liebesthränen,
ins hohe weite deutsche Dichterhaus!
Dann sprach ich wohl: Du schöner grüner Rhein!
O könnt ich mit dir in die Fremde gehn!
könnt ich ein Schiffer deiner Wellen sein,
mit dir das liebe, fromme Deutschland sehn!
Wie wollt ich fröhlich seine Frauen grüßen,
vor Allen würdevoll, so stark und zart!
mit Andacht seine A grauen Dome küssen
und mich erfreu'n an seiner Kunst und Art!
Der Erde Wünsche reifen all' zur Zeit;
so sah ich mich mit leichtem Wanderstab
bewundern deine milde Herrlichkeit,
ein reich geschmücktes, rosenduftend – Grab!
Und auf dem Grabe standen vierzig Throne,
als vierzig Leichensteine, schwer von Erz!
Auf jeglichem lag eine goldne Krone,
die drückte ihre Zacken in dein Herz!
Doch bang, wie wenn am Allerseelentag
verwaiste Söhne an den Gräbern knie'n,
doch bang und bebend eine Todtenklag'
sah ich empor zum blauen Himmel flieh'n!
Das waren deine Sänger, deine Weisen,
o deutsches Volk, die um dich trauerten!
Die klirrend da mit ihrer Ketten Eisen
dein altes, großes Grab umschauerten!
Da fragt' ich laut: Erscheint kein Ostertag,
der dieses Grabes Hülle sprengen kann?
Der diesen Riesenleichnam wecken mag
aus seines Todes schwerem Schlaf und Bann?
Und mir erwiederte ein süßes Flüstern,
das säuselt aus dem Blumenduft hervor;
verborg'ner Flamme schlug ein heißes Knistern
zu mir herauf und an mein lauschend Ohr!
Und ich erkannte: Ja du bist ein Grab,!
jedoch ein Grab voll Auferstehungsdrang!
O deutsches Volk, ich ruf' es dir hinab,
und mische mich in deiner Seher Sang!
Dir werden noch die Osterglocken schallen
wie keinem Volke sie erklungen sind!
Dein still' Ergeben hat dem Herr'n gefallen,
und hoch erheben wird er dich, sein Kind!
Hier oben wird's der Freiheit bald zu eng,
sie sucht zu sprengen ihren Felsensarg!
der reifen Jungfrau wird der Gurt zu eng
des Rheins, der ihren Reiz dir, Deutschland, barg!
Sind keine Alpenrosen zugeschwommen
euch dort, ihr Jünglinge am Niederrhein?
Habt ihr noch nie des Alphorn's Klang vernommen
in stiller Nacht beim hellen Sternenschein?
Wir haben euch das Mägdlein treu gepflegt
durch manch Jahrhundert, und oft kummervoll!
Auch Eure Die deutsche Freiheit haben wir gehegt
die einst von unsern Bergen steigen soll?
Wir greifen todeskühn zu Schild und Degen
wenn unserm Wappen deutsche Knechtschaft droht:
Wie gerne woll'n wir auf den Altar legen
der Einen Freiheit unser Weiß und Roth!
Ich grüße dich, o Deutschland lieb und traut,
ein Weilchen schlummre noch in guter Ruh'
wenn meine Hoffnung auf den Franken baut,
so wendet dir sich meine Liebe zu!
Und muß dieß Lied nicht deutschen Klang's erklingen?
Ist nicht mein innerst' Denken deutsches Wort?
O Hoffnung, Hoffnung nur vor allen Dingen,
Die Form vergeht, die Zeit, die Zeit eilt fort!
d. 10_ten Februar 1844.
Auf der Lüneburger Haiden
da steht ein alter Stein,
dabei eine alte Eiche,
die mag wohl tausendjährig sein!
Es zieh'n vorüber Gesellen
zwei oder drei mit Sang
die singen von deutscher Freiheit,
auf weiter Haid' verhallt der Klang!
Da spricht der Stein zur Eiche,
als wie erwacht vom Traum:
Ging nicht die Freiheit vorüber?
Wach auf! wach auf du deutscher Baum!
Und durch die Krone fahret
ein lauter Saus und Braus
es schlagen die moosigen Zweige
in tausend grüne Blätter aus.
Die Gesellen sind gezogen
schon fern durch's Haidekraut!
und die Eiche hat ihnen
gar bang und traurig nachgeschaut!
Es kreischen ein paar Möven
verdächtig hin und her,
die machen der grauen Eichen
das Herz so düster und so schwer!
nun will ich wiederum schlafen,
spricht sie zum alten Stein.
Du wunderlicher Träumer
sollst mir nun einmal ruhig sein!
Nr. 90*
d. 12_t. Febr.
Aus der französ. Revolution.
Von Fluchen und von wildem Singen hallt die Halle wieder,
der alte Royalist ergeht sich brütend auf und nieder!
Er ruft den jüngsten Sohn herbei: Zu Hofe mußt du reiten
und diesen todesschwangern Brief zum rechten Ort geleiten!
Doch rath ich dir zu wahren sicher, treulich dein Geheimniß,
an deinem Kopfe möcht sich sonst rächen jede Säumniß!
Und wenn du auf der Straße siehst und hörst den Freiheitsschwindel,
so reite zu, bis hinter dir das lumpige Gesindel!
So reite zu, und spucke aus mit innerlichem Fluchen,
doch äußerlich laß ja an dir den Royalist nicht suchen!
Der Junker zieht vom Schloß herab durch Dörfer und durch Auen
Was muß er da für Frühlingspracht und für ein Leben schauen!
Wie grünen da die Bäume all', die Menschen doch nicht minder!
Wie duften da die Blumen und wie jubeln da die Kinder!
Es perlt wie hundertjähr'ger Wein verjüngtes Blut der Greise,
Die Alten singen zitternd nach der Jungen frische Weise!
Die freien Männer aber steh'n gar trotzig an den Wegen –
Der Junker reitet scheu vorbei, gar schamroth und verlegen!
Die Mägdlein stehn so schön am Weg mit morgenrothem Prangen
der Junker reitet scheu vorbei mit schamentglühten Wangen.
Die Freiheit hat ihn angelacht, er kann sich nicht erwehren
sein royalistisch Herz will sich im tiefsten Busen kehren!
Wie brennt der Brief ihn auf der Brust, wie drückt ihn seine Sendung!
Wie sehnt er sich mit Ungedult nach seines Ammts Vollendung!
So kommt er an am Sündenhof, legt seine Bothschaft nieder:
Der alte Royalist sieht seinen jüngsten Sohn nicht wieder!
Nr. 91*
d. 19_t. Febr. 44
«Berlin, d. 30_st. Januar. Vor einigen Tagen ist vom Ministerium
des Innern an alle Polizeibehörden des Königreich's der Befehl ergangen
auf den Dichter Herwegh zu fahnden, wenn er sich in dem dießseitigen
Lande betreten läßt. Der Verhaftsbefehl soll durch den zweiten Theil
seiner Gedichte veranlaßt worden sein.» A. Augsb. Zeit. N_o 42.
Nun magst du tapfer springen,
Herwegh, du schlanker Hirsch!
Dein unerschrocken Singen
Hat aufgeweckt die Birsch!
Und von den grünen Bergen
und Burgen längs dem Rhein
da späh'n des Königs Schergen
die wollen jetzt dich fangen ein!
Sie wollen auf dich fahnden,
der schon in Bann und Acht!
Es wollte längst mir ahnden
doch zürnt' ich dem Verdacht!
Nun zeigt der Leu die Klaue,
woran man ihn erkennt –
Nun, deutsches Volk, nun schaue,
was man heut Deutsche Freiheit nennt!
Ein Stahlhemd gegen Wahrheit,
ein fester Eisenhut,
das wäre keine Narrheit,
ihr Fürsten, wäre gut?
Doch weil ihr nicht könnt haben
solch’ herrlich Panzerstück
So wollt ihr sie vergraben,
umschlingt mit Ketten ihr Genick!
Das ist der alte Jammer,
der eure Nothwehr ist:
Verließ und Folterkammer –
o abgedroschne List!
Doch kann das Blatt sich wenden
einst plötzlich über Nacht;
Es ist aus Kerkerwänden
schon manches Frühroth aufgewacht.
Ein Lied aus Grabesmauern
hat doppelt starken Klang
der Sänger bleiches Trauern
erst adelt ihren Sang.
Ihr selbst müßt noch besiegeln
mit eurer Wuth das Wort!
mit Ketten selbst entriegeln
den fabelhaften Freiheitshort.
Und wollet ihr uns binden
mit eurer Schergenkunst,
so werdet ihr entzünden
noch zehnmal heißre Brunst.
Auch wir verstehn das Fahnden
ja wahrlich aus dem Grund!
Wir wollen auf euch fahnden
mit zweigeschliff'nem Schwert im Mund!
Wir wollen auf euch fahnden
mit wilder Liederlust!
Wir wollen euch verfahnden
aus jeder guten Brust!
Wir wollen auf euch fahnden
mit glühend heißem Wort
nicht ruhen wir, zu fahnden
bis euer letzter Zweig verdorrt.
Nun laß dein Lieb kredenzen,
Herwegh, du junger Aar!
dein Lied kann sich ergänzen
vielleicht vor Tag und Jahr!
Doch wird dein Haar nicht grauen,
ergrauen nicht im Thurm,
bevor dein Aug' wird schauen
den Blüthenschwangern Maiensturm!
Nr. 92*
d. 21_st. Febr. 44.
Vorübergehend.
Ich sank auf einem hohen Berg
am Mittag in den Schlummer;
ich träumte lang, ich träumte viel
von Freuden und von Kummer.
Ich träumte aus der Kinderzeit
und von der dunklen Schule;
ich träumte aus der Knabenzeit
von der gestorbnen Buhle.
Ich träumte auch vom fremden Land
und von dem bangen Wandern,
und wie ich rauh geschleudert ward
von einem Herz zum andern.
Ich träumte von der Lebensnoth
und von den schweren Sorgen;
ich träumte von erfülltem Wunsch,
sah Armen mich, geborgen!
Ich träumte auch von diesem Lied
und von den Liedern allen
und fühlte ihren bittern Ton
durch meine Nerven wallen.
Als hinter einem rothen Berg
die Sonn' hinabgesunken,
da bin ich wieder aufgewacht,
vom Schlafe wirr und trunken.
Ich wußte nicht, ob's Abend sei,
ich wußte nicht, ob Morgen;
ich wußte nicht, ob ich befreit,
ob neu gedrückt von Sorgen!
Ich wußte nicht, ob ich ein Kind,
ob ich ein Jüngling wäre!
Ich wußte nicht, ob mir das Haupt
von Alter sei so schwere.
Bald war es mir, als sei ich todt,
bald schien ich mir lebendig;
es war mir in der Brust ums Herz
so kältlich und elendig!
So wankte ich vom Berg herab,
die Nacht war angebrochen,
und, weil mich fror, so bin ich drauf
still in mein Bett gekrochen!
Nr. 93*
d. 24 Febr. 44.
Reiterangriff.
Gottlob, daß der düstere Wald nun vergeht
und frei auf der Haide wir reiten
Wie unsre Standarte so feierlich weht
Wie schmuck die Trompeter dort reiten!
Und unsre Regimenter von vielerlei Arten,
die thäten mit Sehnsucht schon lang auf uns warten!
Auf gründender Aue im Sonnenglanz
wir Reiter, wir Reiter eröffnen den Tanz!
Ob wohl dort die Feinde im sonnigen Strahl
sich auch so herzinniglich freuen?
Hört ihr in der Ferne ihr munt'res Signal?
was flimmert so hell durch die Reihen?
Sie ziehen die Klingen, sie ziehen die Degen!
Entgegen den Reitern ihr Reiter verwegen!
Sind ehrliche Männer und sind es werth,
zu kreuzen mit ihnen das ehrliche Schwert!
Voraus schickt die Kugel als biederen Gruß,
als bleiernen Handschlag der Rechten!
Doch stemmet jetzt fest in die Bügel den Fuß,
Nun gilt es ein mannliches Fechten!
Wie bäumen die Rosse, wie zischen die Klingen –
Das ist ja ein wildes gewaltiges Schwingen!
Schon fallen die Rosen so blutig naß
Und schminken mit Purpur manch' Wange so blaß!
d. 28 Februar 1844
Was ist es an der Zeit?
I.
Im Mittag'sglast, auf des Gebirges Grat
Schlief unter alten Fichten müd' ich ein;
Ich schlief und träumte bis zum Abendschein
Von leerem Hoffen und verlorner That.
Schlaftrunken und verwirrt erwacht' ich spat.
Geröthet war des Urberg's hart' Gebein,
Geröthet seiner Lenden Busch und Stein,
der Himmel war, wie eine blut'ge Saat!
Mir aber schien der Tag nun aufzugeh'n;
Ich hielt die Gluth für lichtes Morgenroth
Und harrte auf der Sonne Aufersteh'n.
Doch Berg um Berg versank in Schlaf und Tod,
Die Nacht stieg auf mit graulich stillemWeh'n.
Und mir im Herzen war es kalt und todt!
II.
So werd' ich manchmal irre an der Stunde,
An Tag und Jahr, ach! an der ganzen Zeit!
Sie gährt, sie tost, doch mitten auf dem Grunde
ist es so still, so kalt und zugeschneit!
Habt ihr euch auf ein neues Jahr gefreut,
Die Zukunft preisend mit beredtem Munde?
Es rollt heran und schleudert weit, o weit!
Zurück euch, ihr versinkt im alten Schlunde!
O hätt' den Hammer ich des starken Thor,
Auf das Jahrhundert einen Schlag zu führen;
Ich schlüg' sein morsches Zeigerblatt zu Trümmern!
Tritt denn kein Uhrenmacher kühn hervor,
Die irre Zeit mit Macht zu reguliren?
Soll sie denn ganz in Staub und Rost verkümmern?
Nr. 96*
Februar 44.
Hoffmann von Fallersleben.
Beim Anblick seines Bildes.
Wer läßt denn da im dunklen Tann
Solch' Liederbrünnlein fließen?
Glück auf! du heller Wandersmann,
Die Freiheit läßt dich grüßen!
Du sollest lassen klingen
frisch deines Glöckleins Klang!
Sie werde lassen springen
die Löwin über kurz und lang!
Ich möcht' mit dir im grünen Wald,
auf freier Haide weilen;
entlang dem klaren Rheine bald,
bald über die Berge eilen
Möcht' unter Rebenlauben
vertraulich mit dir ruh'n,
Mit neu gestähltem Glauben
an deinem starken Herzen ruh'n!
Möcht' unterm weiten Himmelblau
Vor dir mein Herz entleeren,
In reiner Luft, auf frischer Au
mich gern vor dir bewähren!
Ich möcht' an deiner Seite
die Harfe schlagen kühn!
In's Weite und zum Streite
Und gen' die grimmsten Feinde zieh'n!
Du schöpfest aus dem Götterquell
in blanker Eisenschale;
kredenzest ihn so klar und hell
dem durst'gen Volk im Thale!
Bist einer von den Alten
die treu erfunden sind,
und die aufrecht halten
die Fahne hoch im Wirbelwind!
Gott lohn' es dir, Gott segne dich!
Er segne deine Lieder!
Du Geist, so frei und ritterlich!
Du Herz so treu und bieder!
Gott lasse dich noch schauen
dein Sehnen schön erfüllt!
Er lasse dich vertrauen,
wie auch die schlimme Hölle brüllt!
Nr. 97*
März 1844
Frühlingsanfang.
Erscheine nun, du Dichterzeit,
erfüll' mein gläubig Hoffen!
O Blumenlust, o Herrlichkeit
dir steht die Seele offen!
Und meines Herzens Pforten
Sind vor dir aufgethan!
Es klingt in hellen Worten
Manch' neues Lied schon an!
O ziehe ein, du Maienglanz;
zieht ein, ihr Frühlingsklänge!
Zieh' ein, zieh' ein im leichten Tanz
du zarte Blütenmenge!
O walle mir zu Herzen
du blaue Aetherfluth!
Und meines Lebens Kerzen
entzünde, Rosengluth!
• Nr. 98
Unverhofft nach trüben Tagen
ist der heitre Lenz erschienen
und die aufgewachte Erde
überhaucht ein zartes Grünen.
Und mit leichten Seidenschirmen
Mädchen in den Gärten gehen,
Wanderer vorüberziehend
nach den schönen Blumen spähen.
Nr. 99*
Gott schlägt den Tabernakel auf
in allen jungen Wäldern
Der Weihrauch steigt zum Himmel auf
rings aus Gebirg u Feldern
An alle armen Seelen
ein Ablaßbrief ergeht
ich will mein Theil erwählen,
bevor der Lenz verweht!
Ich will mein Theil zu Nutze ziehn
und mich mit Liebe füllen!
ich will, solang die Liljen blühn
die alte Sehnsucht stillen!
Wie bald ist's um das Singen
von Lust u Lenz gethan
u nachher geht das Ringen
u Hassen wieder an!